Carol

Der Film spielt zur Zeit des Amtsantrittes von Präsident Eisenhower in den USA, eine Zeit aufblühenden Wohlstandes, Limousinen mit erotisch gewölbten Chassis und aufkommender Strenge im Hinblick auf sittliches Verhalten (hier kommt dieses als „morality cause“, als „Verhaltensmuster“ vor), Kalter Krieg und McCarthy-Ära.

Todd Haynes verfilmt nach einem Drehbuch von Phyllis Nagy einen Roman von Patricia Highsmith: die Geschichte einer lesbischen Liebe zwischen einer feinen Dame und einer einfachen, jungen Immigrantin aus Irland, die als Verkäuferin in der Spielwarenabteilung eines exklusiven Warenhauses arbeitet.

Die Dame kauft für ihr eigenes Kind, ein Mädchen, ungeplant eine Spielzeugeisenbahn und lässt die Handschuhe auf dem Tresen liegen. Therese Belivet, so heißt die Verkäuferin und wird gespielt von Rooney Mara, schickt die Handschuhe der Dame mit dem Spielzeug nach. Diese, als unnahbar attraktiver Hollywoodstar gespielt von Cate Blanchett, die Titelfigur Carol, revanchiert sich mit einer Einladung.

Bei Carol zuhause steht es nicht zum Besten. Sie lebt in Scheidung von ihrem Mann. Ihr Mann versteht das nicht und will das Kind. Carol hatte auch ein Verhältnis mit ihrer Budelkastenfreundin Abby, Sarah Paulson. Auch das hat sie beendet.

So begeben sich Carol und Belivet in einer anturnenden Limousine auf ein Roadmovie nach Chicaco. Aber hütet euch vor aufdringlichen Kurzwarenhändlern, die merkwürdig wenig Kurzwaren dabei haben. Ausgerechnet in einer Ortschaft namens Waterloo kommt es zum Höhe- und kurz darauf zum Tiefpunkt der Geschichte.

Todd Haynes stellt seine Szenen aus. Er lässt sie staatstheaterlich spielen, schafft dadurch einerseits die nötige Distanz, aber auch die entsprechende Genauigkeit, jede Geste ist inszeniert und gesetzt, das ist vor allem ein Festspiel für Cate Blanchett, von der man die Augen nicht lassen kann; das gilt auch für ihre Partnerin Rooney Mara als Therese, Carols alter Ego in Jung.

Es gibt eine kleine Szene als Hommage ans Kino in einem Vorführraum und auch die Fotografie erhält ihren Stellenwert, denn Therese liebt es, zu fotografieren, aber erst durch Carol fängt sie an, sich auch für die Menschen zu interessieren.

Haynes hat eine wunderbare Art, Szenen mit Unschärfen oder verregnetem Glas oder Ähnlichem auf eine kinozauberhafte Art ineinander übergehen zu lassen, so dass das eben Gesehene und Erlebte noch kurz nachhängen kann und gut verdaulich wird wie mit einem Digestiv.

Es ist absolutes Startheater für die beiden Darstellerinnen. Die Männer haben eher undankbare Parts, der Ehemann darf gerade mal finden „it is bold“, wenn er erfährt, dass die Gattin die Verkäuferin eingeladen hat. Sie sind ja auch nicht so von Interesse, sind zu anhänglich oder zu egostisch oder schlicht zu dumb.

Spätestens wenn die beiden Damen nackt zugange sind im Bett kommt die Erinnerung an einen neueren Film gleichen Themas, der allerdings in der Heute-Zeit spielt: Blau ist eine warme Farbe von Abdellatif Kechiche bei dem eine etwas andere Auffassung von Kino für Aufregung sorgt und den Zuschauer bannt. Oder liegt es lediglich an der Zeit, dass im Amerika der frühen 50er noch die Zeit der Studios war, weshalb der Film von Todds in dieser Manier gemacht ist, bei der alles ausgestellt wirkt, das Kino als ein Laufsteg für die Stars und ihre Eigenschaften, während Kechiche das Leben als Reenactment erst inszeniert und dann hautnah, atemberaubend, abfilmt als Dokument dieses Nachspielens. Das ist ein aktueller Trend, während Todd Handwerk wie exquisite Porzellankunst praktiziert und sie als solche zu erkennen gibt, für Kenner und Liebhaber.

Haynes inszeniert seine beiden Protagonistinnen wie Schmuckstücke für die Vitrine, Vitrinenkino, besonders Cate Blanchett ist in jeder Sekunde, in jeder Pose durchgestylte Dame, perfekt geschminkt, angezogen und ebenso ihr Habitus. Insofern wirkt die Szene, in der sie vor lauter dunkel angezogenen Herren ein Plädoyer für das Kindswohl hält, wie grotesk; denn wer in jeder Sekunde auf das eigene Aussehen achtet, bei dem wirkt diese Bedingungslosigkeit, die sie für den Einsatz für das Kindswohl fordert, zumindest zwiespältig; wie auch die Momente, in denen sie das Kind hält oder mit ihm unterwegs ist, immer der Eindruck entsteht, dies sei lediglich ein Dekorstück für die Dame.

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