Tatort: Einmal wirklich sterben (ARD, Sonntag, 6. Dezember 2015, 20.15 Uhr)

Lesbische Liebe bewahrt vor Retraumatisierung nicht.

Das schönste und Tatort-selbstironische Bild ist dasjenige, wenn die beiden Kommissare Batic und Leitmayr mit Zoodirektor Gruber auf dem Elektrogefährt an den Flamingos vorbeifahren, es herrscht Nachtruhe, aber welch Lärm bricht bei dieser Vorbeifahrt aus, das zeigt den gesellschaftlichen Stellenwert dieses Sonntag-Abend-Krimi-Gefässes in deutschen Haushalten, das in diesem Fall, den Claus Cornelius Fischer und Dinah Marte Golch geschrieben haben, und welchen Markus Imboden mit seinem Kameramann Martin Farkas zu anschmiegsam zusammenschneidbaren Bildern inszeniert und aufgenommen hat im Sinne eines illustrierten Volkshochschulkurses fürs Volksfernsehen das Thema Trauma und Traumatisierung bearbeitet in Form einer leicht nachvollziehbaren Kriminalschnitzeljagd, in der in jeder Szene die nötige Info für den nächsten Schritt gegeben wird, auch wenn nicht alles hundertprozent schlüssig ist.

Wobei just die Frage, die sich zumindest in meiner Küchenpsychologie stellt, ob nämlich eine gute menschliche Beziehung vor Retraumatisierung bewahren kann, umgangen wird. Die menschliche Beziehung, in der Emma Meyer (Anna Drexler) steckt, ist eine lesbische zu ihrer Judolehrerin, wird aber überhaupt nicht näher reflektiert – Drehbuchirrtum: aus dieser Beziehung sogar ein Rätsel zu machen, was sich nur höchst unvollständig und nur nach und nach erschließt; das Bild, was sich über diese Beziehung ergibt, scheint mir reichlich nebulös. Leichter wird es nicht dadurch, dass die Darstellerin diese Retraumatisierung so schuldbewusst ausstellt; dafür wird man nicht nur die Darstellerin verantwortlich machen können; wer kennt sich schon aus mit derlei; sollte die Regie das kennen und können oder hätten die Drehbuchautoren sich besser kundig machen sollen?

Die kommen ins Schnaufen, die beiden Kommissare und dann müssen sie auch noch einen komplizierten Dialog liefern, wenn sie die vielen Treppen zur Witwe ihres Kollegen Wallners hochlaufen zur Feier des Todestages und die immer Polizeifunk abhört, die physische Leistung ist ihnen anzusehen. Sie gehen bewaffnet zu diesem Treffen; erwartbar liefert der Polizeifunk den Faden zur nächsten Szene, die vorher schon angekündigt wurde mit einem Kapuzentypen, der bei Familie Danzers gleich nebenan klingelt, dem ganz schockiert schon die Tür aufgemacht wird, als wisse der Hausherr, dass gleich Übles passieren wird; und wieder kommen die beiden älteren Herren ganz schön ins Schnaufen, wie sie zu Familie Danzer rüberrennen.

Mit vielen Beweis- und Logiklücken werden gleich die richtigen Beweisstücke gegriffen. Nur Ausweise haben sie keine gefunden. Schau mal das Familienfoto. So hoppelt und holpert sich die Geschichte mit Hyperventilation und auch Stottern zusammen, auch die Auskünfte von Frau Wallner. Am See gibt’s wieder viel zu schnaufen und dann müssen sie noch ins Wasser mit den Klamotten, ein Boot entern und Erste Hilfe leisten. – So viel zum Schnauffaktor.

Die Produktwerbung für das Dienstauto der Kommissare funktioniert immer noch bestens, das Auto glänzt wie frisch vom Händler und das Markenzeichen wird auch ganz diskret in eine Bildlücke geschoben; hat halt der Kameramann kurz nicht aufgepasst. Und wenn es auf das erleichternde Ende zugeht, gibt’s noch eine schöne Automarkenwerbefahrt mit Blaulicht durchs Grün zum See.

Geschmackvolle Impressionen von Zebras und Elefanten im Zoo rahmen die Handlung und unterbrechen sie.

Einzelrollen:
Beeindruckend wach und präsent: Christine Lerch, Lisa Wagner.
Den Kuchen von Johanna Wallner, Ulrike Arnold, den möchte man auch gerne bestellen.
Zoodirektor, der zur Unzeit von Kommissaren in den Tierpark bestellt wird, ist keine leichte Aufgabe.
Klaus Pohl versucht aus dem Exkommissar Busch die Nummer eines verzottelten Alkoholikers zu machen, dafür sieht sein Mantel allerdings sehr gepflegt aus.
Mit einem Kurzauftritt als Vermieterin gleich klar zu machen, dass man nicht die Ehefrau ist, ist auch nicht leicht.
Schwierige Figur ist sicher auch Helmbrecht, Simon Schwarz, der immer verunsichert und doch selbstjustizbereit sein muss, cholerisch; bei solchen vom Drehbuch klischeehaft gebauten Figuren wird schnell offensichtlich, dass der Krimi sie braucht, um falsche Spuren zu legen.
Der Kalli, Ferdinand Hofer, tickt inzwischen zuverlässig wie ein mechanischer Wecker.

Wie die Kommissare versuchen, sich ein Trauma zu erklären, so peilen sie damit natürlich Lieschen Müller auf dem Sofa zuhause an: Hiroshima als Lehrbeispiel dafür wie es ist, wenn von einem Moment auf den anderen alles anderes ist, so muss es für die Kleine gewesen sein.

Oft entsteht der Eindruck, dass die Chargen so inszeniert werden, dass die Kommissare, die das schon eine Ewigkeit machen, wie bestelltes Publikum drum herum stehen, sie sind ja kollegial, aber sie lassen oft durchblicken, dass sie sich sicher nicht äußern werden zu den Schauspielkünsten ihrer Kollegen, die mit Rollen und Geld nicht so gesegnet sind wie sie. Sie sind schließlich die Kings. Eigentlich sollte ein Tatort insgesamt gut genug sein, um einen solchen Einblick in die Pfründenhierarchie dahinter nicht durchscheinen zu lassen.