Das brandneue Testament

Mit der Telekinese fängt es an. Sie zeigt die enormen Spannungen zwischen der 10jährigen Ea und ihrem Vater, Benoît Poelvoorde. Seine Rolle in diesem surrealistischen Film von Jaco von Dormael, der mit Thomas Gunzig auch das Drehbuch geschrieben hat, ist nicht weniger als „Dieu“, Gott.

Per Telekinese bewegt das Töchterchen zwei Gläser auf dem Esstisch im Angesicht des Vaters, Töchterchen von Gott ist um eigene Fähigkeiten nicht verlegen. Das Appartement, in dem Gott mit Töchterchen und seiner einfachen Frau, schlicht „la femme de Dieu“, die Frau Gottes, genannt, die einprägsame Yolande Moreau (Séraphine) wohnt, scheint großbürgerlich.

Aber seine Zentrale, sein Arbeitsraum, den keiner betreten darf, ist eine Halle von einer Bibliothek mit einem mickrigen Computer an einem Schreibtisch in der Mitte. Der ist mit einem Kabel mit einer Steckdose in der Wand verbunden. Das wird später im Film, wenn eine mögliche Moral vorgebracht wird, dass nämlich die Welt in den Händen von Frauen besser und himmlischer bedient wäre, noch von Bedeutung werden. Spoilern wollen wir das nicht weiter.

Wenn aber Mädchen, Gören, 10-Jährige das Ruder übernehmen, dann läuft so einiges schief. Ea ist nämlich in die Wohnung eingesperrt; von der Welt darf sie nur Sportsendungen übers Fernsehen mitbekommen. Sie will abhauen.

Ihr Freund und Bruder J.C., eine Christus-Statue über einer Kommode gibt ihr Ratschläge. Als erstes klaut sie dem schlafenden Vater den Schlüssel, dringt in sein Reich ein. Wir die Zuschauer haben hier schon einen Einblick bekommen. Dass dieser Gott unendlich viele Gesetze, Gebote formuliert, zum Beispiel dieses, dass bei zwei Schaltern mit je einer Schlange davor man sich prinzipiell bei der anstellt, in der es länger dauert oder dass das Konfitürenbrot, das vom Tisch fällt, prinzipiell auf der bestrichenen Seite landet.

Dieser Gott ist ein besessener Sammler und Statistiker. Er kann über seinen Computer auch die Sterbedaten aller Menschen ersehen. Töchterchen fummelt an diesem Computer herum. Dieser sendet an alle Menschen ein SMS mit der exakten Sterbezeit. Die Aktion wird in den Medien als „Death-Leaks“ eingehen.

Die vielfältigen Folgen von Death-Leaks zeigt der Film amüsiert und im Schnelldurchlauf. Am meisten freut sich ein junger Mann darüber, der erfährt, dass er 102 Jahre alt wird: er stürzt sich ab sofort von hohen Türmen und Mauern und aus Flugzeugen; ihm kann nichts passieren.

Ea erfährt auch, wie sie in die reale Welt hinaus flüchten kann und sie weiß auch, was sie dort tun will, um die Welt zu verbessern. Denn in der elterlichen Wohnng hängt ein berühmtes Bild von den 12 Aposteln. Am Familientisch zuhause geht der Streit zwischen Mutter und Vater, dass Mutter behauptet, es müssten 18 sein, wie bei einer anderen Sportart und nicht zwölf wie beim Fußball.

Über die Waschmaschine findet Ea wunderbarerweise den Weg auf die Welt und sie macht sich auf die Suche nach 6 Aposteln, um die Mannschaft zu vervollständigen; jeder muss Zeugnis ablegen mit einem Text für „das brandneue Testament“.

Die Gestaltung dieser Suche und auch die Charakterisierung der verschiedenen Apostel gerät bunt, skurril, widerwitzig, aberwitzig, ein Müsterchen am anderen von Unglück und Eheproblemen und Pannen.

Ein Kapitel bestreitet Catherine Deneuve, die mit schauspielerischem Ernst ein Verhältnis zu einem wundervoll animierten, riesigen Gorilla anfängt. Es kann das Thema dieser Suche, die Gestaltung der Vielfalt nicht leicht über einen Kamm geschoren werden, was da alles kreucht und fleucht und keucht.

Eine belgische, religionssurrealistiche Variante des Tüftlers Roy Anderson (Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben).

The Perfect Guy

Wer sich den perfekten Mann aussuchen möchte zum Heiraten, den kann es brutal treffen.

Als Hochzeitsfilm, als Beziehungsknatschgeschichte fängt es an. Leah ist unzufrieden mit ihrem Freund Dave. Seit zwei Jahren treffen sie sich. Er will nicht heiraten. Er will keine Kinder. Er fühlt sich nicht so weit.

Es ist auch ein Bungalow-Film, denn der Haupthorror, der folgen wird, findet in einem schönen Glas-Beton-Flachbau-Bungalow in L.A. unweit des berühmten Schriftzuges „Hollywood“ statt. (Das ist nur einer von drei herausragenden Bungalow-Filmen aus L.A. und dieser Zeit im Kino, The Gift ist schon angelaufen, „Knock Knock“ steht noch aus).

Leah hat einen Spitzenjob und kann sich das luxuriöse Haus leisten. Leichtsinnig versteckt sie einen Hausschlüssel unter ein paar Steinen vor der Tür, aber auch die ältere Nachbarin McCarthy hat ein Auge drauf. Leah lebt allein mit ihrer Katze.

Wie Dave nicht heiraten will, gibt sie ihm den Laufpass. Nicht näher untersucht wird, wie sie sich das vorstellt mit Kind und Karrierejob.

Jetzt ist sie frei. Sie lernt Carter kennen. Der kann charmant sein, verführerisch. Allzu genau schaut sie allerdings nicht hin, ihr scheint es doch primär um den Mann als solchen zu gehen, darum, einen solchen zu haben. Bald schon will sie ihn ihren Eltern vorstellen. Man fährt hin. Bei einem Tankstellenhalt rastet Carter kurzfristig vollkommen aus, weil ein fremder Mann Leah anspricht, er drangsaliert ihn und schlägt und tritt ihn – es ist kein schönes Zuschauen. Allzuviel denkt sich Leah nicht dabei. Sie ist mit ihren Zielen beschäftigt. Diese Unachtsamkeit wird sie teuer zu stehen kommen.

Wie sie jetzt Carter den Laufpass gibt, kann der sich nicht damit abfinden. Er fängt an, sie zu verfolgen, sie zu stalken. Richtig bösartig, richtig hinterhältig, ein böser Mensch in Reinnatur, der Leah’s Leben zerstört.

Schön B-movie-mäßig erzählt das David M. Rosenthal nach einem Drehbuch von Tyger Williams nach der Geschichte von Alan B. McElroy bis Leah ruiniert ist und ihr noch bis zum Filmende die Zeit bleibt, zum Genre des Revenge-Films zu wechseln. Ein Polizist gibt ihr dazu hilfreiche, nützliche, praktische Tipps, den mit dem Warnschuss. Leah beherzigt den Tipp und bringt damit den gestörten Bösewicht zur Strecke.

Das hat nicht unbedingt mit bürgerlicher Logik zu tun, nach der sie sich doch am Anfang des Filmes verhalten hat. Auch entwickelt sie Fähigkeiten, die nicht zwingend zu einer aufstrebenden Karrierefrau passen, wie die, dass sie seine Behausung demoliert und einen Text an die Wand sprayt. Trotzdem freut man sich, dass sie, das arme Opfer, nicht ganz wehrlos bleibt. Die Musik gibt voluminös zu verstehen, dass es sich hierbei um ein großes Seelendrama handelt. Charmant. Charmant. Charmante Actors. Und zwischendrin dick symbolisch ein Wolf eingeblendet, der durch die Villenvororte von Hollywood streift. Horrorstalkerfilm. Bahnhofskinomovie. Fasziniert vom hoffnungslos und rettungslos Bösen – aber auch von der Blindheit des Menschen, die dadurch entsteht, dass die Welt in seinen Willen und seine Vorstellung hineinzupassen habe.

Wie auf Erden

Das wäre just der richtige Film für die pessimistischen Deutschen, die angesichts des Flüchtlingsandranges sagen „wir schaffen das nicht“. Sie wären repräsentiert durch den Alkoholiker und Pfarrer Stig (Niklas Falk) und wenn man den Vergleich, der nicht ganz naheliegend ist, mit dem pessimistischen Deutschen fortführen wollte, so passt diese enorm überrissene Spielweise, die fast nur aus Brüllen besteht, ganz gut.

Die Frau, die für die positive Message dieser heftigen Lektion in angewandter, praktischer Theologie von Kay Pollak, der mit Carin Pollak auch das Drehbuch geschrieben hat, steht, ist Lena (Frida Hallgren).

Hochdramatisch fängt der Film damit an, dass sie hochschwanger ist, dass die Geburt ihres Kindes kurz bevor steht, dass es harter Winter ist und das nächste Krankenhaus 180 Kilometer weit entfernt.

Dann liegt der stockbesoffene Pfarrer auf der Fahrbahn, droht zu erfrieren. Mehr Dramatik lässt sich, und sie spielen es wie aus einer anderen Welt auch so, kaum in einen Filmanfang packen.

Der dramatische Level sackt über die nächsten zwei Stunden keineswegs ab, macht hin und wieder eine Verschnaufpause, wird nie gemütlich oder träge. Denn es gibt viele Probleme. Dass Lena von Männern im Dorf blöd angemacht wird, weil ihr Sohn Jakob von einem Auswärtigen, einem Stardirigenten, gezeugt worden ist, das wäre noch unterm Thema des üblichen Neides und auch der Fremdenfeindlichkeit zu subsumieren.

Es geht um die Kirche, durchaus als Bild für die Gemeinschaft. Die wird renoviert. Aber die Bänke werden sonntags grade mal noch, wie ein Blick in das Kirchenbuch zeigt, von einem oder zwei Besuchern bevölkert. Die Kirche soll mit einer großen Aufführung von Händels Halleluja aus dem Messias wieder eröffnet werden mit Übertragung im Rundfunk.

Aber der Dirigent ist tot. Lena ist der Meinung, wir schaffen das! Sie setzt alle Hebel über regelmäßig dramatische Auseinandersetzungen in Gang, um die Gemeindeglieder zum Mitsingen und Mitmusizieren zu engagieren. Sie probt mit ihnen. Sie lässt, um mehr Raum entstehen zu lassen, die hinderlichen Bänke aus der Kirche räumen, sie organisiert eine Tanzveranstaltung, damit die Leute überhaupt wieder herkommen, sie erregt mit diesen Aktionen Aufsehen, die Presse berichtet, die Kirchenoberen und Berufspessimisten regen sich auf. Es ist etwas los im abgelegenen Dorf in Schweden.

Und dann ist da noch der wunderhübsche Kirchenmaler Alex (Jakob Oftebro), den Altmeister Pollak einsetzt, um eine nicht minder dramatische Liebesgeschichte in Gang zu setzen und um ganz geschickt einzuführen, dass selbst die Attraktivsten Schicksalsschläge hinter sich haben können.

So zieht der Regisseur wie bei einer Orgel immer mehr und immer heftigere Register der Emotionen, um sein Werk, mit geschickten Widerhaken alles andere als gradlinig zum Abschluss zu bringen, ein Werk, das den unbedingten Glauben und Elan und Enthusiasmus mit expressivem Spiel ohne jedes Understatement, ohne jede Reduktion oder Diskretion predigt, was uns heutigen Nörglern, Skeptikern, Abwieglern, Bedenkenträgern, prinzipiell Reservierten und Berufspessimisten ganz merkwürdig anschaut.

Wie auf Erden schildert die Erde jedenfalls nicht, wie das Kino es doch gerne mal tut, als Himmel, auch nicht als Himmel der Kunst.

Im Rausch der Sterne

Das prosperierende Sternekochwesen schlägt sich immer häufiger in Filmen nieder. Von der Animation „Ratatouille“ über El Bulli, Kiss the Cook, Madame Mallory und der Duft von Curry und mit Abstrichen Der Koch.

Trotzdem würde ich lieber von einem Kreuz mit den Kochfilmen denn von einem Kinosternenhimel sprechen, wobei die erwähnten Filme alle durchaus genießbar sind mit beachtlichen Qualitäten.

Das Kreuz ist vielleicht das, dass es immer nur darum geht, die Sterne fürs Kochen zu bekommen oder mit diesem Ehrgeiz umzugehen und einerseits viel appetitliches Geköch schön angerichtet zu fotografieren und dazwischen eine Prise Menschlichkeit beizumischen wie das Salz oder Gewürze zum Essen. Mit Variationen sind die Rezpete immer dieselben und nie so richtig in Kongruenz mit Spitzenkino zu bringen.

Hier stammt das Rezept, sprich Drehbuch, von Steven Knight nach einer Geschichte von Michael Kalesniko. Und just über das Rezept könnte man streiten, ob das so spannend ist, wenn man gleich weiß, wie es ausgehen wird, dass der Sternekoch Adam Jones, Bradley Cooper, nach einem rasanten Start in Paris den Totalabsturz in Alkohol und Drogen erlebt, um in London und clean im Restaurant eines Freundes, Daniel Brühl spielt diesen Tony (der das Hotel mit dem Lokal nie führen würde, wenn es nicht dem Vater gehörte) verkniffen gut inklusive unterdrückter Schwulität, erneut durchzustarten mit seinem Dream-Team, der Familie wie es heißt, um nach dem dritten Michelinstern zu greifen.

Der Start ist holprig, ist von schlimmen Pannen begleitet und es gibt offene Rechnungen. Aber nachdem das Team nach irre lauten Krächen und Geschirr-durch-die Luft und viel Delikatessen im Müll sich endlich zusammenfindet, können auch die geheimen Tester von Michelin in der Küche kein Chaos mehr anrichten.

Regisseur John Wells jedenfalls fugt die Szenen drehbuchgemäß perfekt ineinander, hält die Schauspieler zu kollegialem Spiel mit den entsprechenden Reaktionen auf das Spiel der anderen an, hat seinen Spaß am schnellen Zusammenschnitt des Tumultes und der harten Bandagen in so einer Sterneküche und bewirkt mit dieser straffen Zügelführung, auch der Beachtung der Knappheit der Dialoge, dass der Film mehr wie ein Protokoll rüberkommt, das man nicht ohne Lust aber sicher nicht mit viel Empathie aufnimmt.

Auch null Empathie für den Protagonisten, aber Achtung vor seiner Performance inmitten von einer feinen Auswahl an Castingzutaten, an Darstellern, die Nina Gold geschmackvoll und nach 1a-Qualität ausgesucht hat.

Dazu gibt es genügend fertig zubereitete Sterneteller sowie Blicke in die Küche und kleinere Frauengeschichten von Adam als Beilage.

Ein schönes Inszenierungsbeispiel: wie Adam vom Tod eines Kumpels erfährt und vor sich einen Teller Spaghetti hat, ist sehr schön der innere Monolog, der offen lässt, ob er dieser Todesnachricht oder der Zubereitung der Spaghettis so versonnen nachhängt. Sprich: vorzügliche Figurregie. Bildlich schön der Essaal des Konkurrenten Reece (Molekularküche), zu dem der Kommentar fällt, man könne ihn sich als islamistischen Steinigungssaal vorstellen. Vielleicht auch zu nennen: instruktives Kino.

Alle Jahre wieder – Weihnachten mit den Coopers

Weinhachtsgeschichte als Familienaufstellung in der weißen, amerikanischen Middle-Class, die einmal mehr beweist, dass Familie zusammenbringt, was nicht zusammen passt, aber irgendwie genetisch wohl zusammengehört, die Erzählung platziert mitten in den dichtesten amerikanischen Weihnachts- und Vorweihnachtsfirlefanz überladen durch und durch, nie gibt es nur einen Weihnachtsmann, immer sind von jeder Dekorationseinheit Dutzende vorhanden, ein Lücke in diesem Rahmen, der musikalisch vor weihnachtlicher Fröhlichkeit überbordert, gibt es nicht.

Der Erzähler hat ein ganz besonderes Auge auf diese Familie. Vielleicht ist er der wahre Familienpsychologe oder zeigt sarkastisch, wohin oder wie weit es mit dieser Familie gekommen ist.

Der Zuschauer muss sich diese Familie allerdings, das ist eine seiner Aufgaben im Kino, erst mal selber zusammenreimen. Am Schluss wird er mit einer familiären Auflösung konfrontiert, die zeigt, was für ein Schauspielerschmaus Steven Rogers nach dem Drehbuch von Jessie Nelson angerichtet hat. Es spielen mit Diane Keaton, John Goodman, Amanda Seyrfried, Olivia Wilde, Anthony Mackie, Marisa Tomei, Ed Helms und was sonst noch an Erlauchtem unter den Weihnachtsbaum passt. Wer jetzt wie mit den Coopers verbandelt, verschwägert oder verwandt ist, das soll hier nicht im Einzelnen aufgefädelt werden, des Zuschauer Geist soll sich selber regen.

Es fehlt bei diesem christlichen Fest das jüdische Element nicht. Es kommt hier sowieso unter den familiären Hut, was sonst unter keinen Hut passt, von der Autorin, von der die Familie erwartet, dass sie endlich einen Mann nach Hause bringt, vom Teen, der den ersten Zungenkuss erlebt, vom alten Ehepaar im Großelternstatus, die sich nicht sicher sind, ob sie jetzt endlich mal weg von allem nach Afrika fahren wollen, von zwei Schwestern, von denen die eine immer noch unter dem Gefühl der Benachteiligung lebt, Kindheitstrauma, vom Polizisten, der abstreitet, dass er schwul sei, um im kleinen Nebensatz anzufügen, unter der Bettdecke schon, vom Uropa, der manch weises Wort für den Nachwuchs parat hat. Verkaufsmotto und -hoffnung der Produzente: wer vieles bringt, wird vielen etwas bringen.

Für die Familienaufstellung sind Rückblenden in die Kindheit hilfreich. Nach all dem vorweihnachtlichen Beziehungsstress ist nach dem Dinner, noch bevor klar wird, dass der Nachtisch nicht mehr vollständig da ist, Platz für die Erkenntnis, dass vor allem das Jetzt wichtig sei. Das ist doch immerhin etwas, was man nach so einem lebhaften Konversationsstück direkt mit nach Hause nehmen kann. Ironisch ist, dass der Sänger im Hintergrund gerne etwas von einem sauren Kuchen singt. Hava Nagila.

4 Könige

Die Stärke an diesem Film von Theresa von Eltz, die auch beim Drehbuch von Esther Bernstorff mitgewirkt hat, ist die Performance, ist die Hingabe von Regie und Darstellern an die einzelnen Szenen.

Das gemeinsame Interesse aller Beteiligten, schöne Szenen zu formen, überträgt sich durchaus, und zwar so, als würde ein Team gemeinsam Ziegelsteine herstellen. Auch die Dialoge sind entsprechend so, als würde man sie in Ton brennen wollen („Ich würde vielleicht sagen, dass man gleichzeitig ein guter Psychiater und ein schlechter Vater sein kann“), als dass man sie im Alltag sagte.

Dieser Haltung kommt das Thema des Filmes zugute, denn um einen typisch deutschen Themenfilm handelt es sich, der glaubt ohne Hauptfigur auskommen zu können, es geht um traumatisierte, verhaltensgestörte Jugendliche, suizidgefährdet, Opfertyp, in geschlossener Anstalt oder muttergestört.

Unterdrückte Aggression (Jannis Niewöhner als Timo) zu zeigen, oder Schuldgefühle (Moritz Leu als Fedja) sind dankbare und essentiell schauspielerische Grundübungen. Die beiden Jungs machen das hochkonzentriert. Bei den beiden Mädels, Paula Beer als Alex und Jella Haase als Lara, liegen die Verhältnisse etwas komplizierter.

Die Schwäche dieses Filmes liegt im Narrativen. Einen establishing Shot halten die Filmemacher für überflüssig. Das Buch ist typisch themenorientiert, macht es sich also schwer mit gleich vier Fällen neurotischer, posttraumatischer Störungen und einem ebenso gestörten Therapeuten, Clemens Schick als Dr. Wolff; statt dass es sich zum Beispiel Tom vorgenommen hätte, was die andern Figuren ja nicht ausschlösse, aber sein Problem nicht erst am Schluss vorbringt, nämlich dass es für ihn eine Chance und ein Need sei, aus der geschlossenen Anstalt in eine offene zu wechseln, dass also diese offene Gruppe für ihn eine Art Bewährungprobe ist. Das erfährt man erst ganz spät, wenn das Kollegium darüber berät, also bar jeglichen Faktors der Spannungserzeugung.

Die Filmemacherinnen und die Produzenten und auch die koproduzierenden Fernsehredaktionen, Lucia Haslauer vom ZDF-Kleines Fernsehspiel und Olaf Grunert von arte werden sich verwundert geben, dass sich das kaum jemand im Kino anschauen wird – oder sie schützen sich mit Behauptungen davor, es sei halt arthouse oder so ein Quatsch. Denn wir haben hier zwar eine Auslegeordnung wunderschön und mit Bedacht inszenierte Szenen, Ziegelsteine, wenn wir so wollen, aber es fehlt an jeglichem Plan für das Haus, das Bernstorff/Eltz damit bauen wollen, sprich, die Geschichte, die sie damit erzählen wollen.

Bibelstundenimpetus: was ist schön an Weihnachten; oder wichteln: der Person, die man zieht, muss man etwas über Weihnachten erzählen

Inszenierung: die Regisseurin weiß, dass Pausen tragen können, verlangt von den Darstellern inneren Monolog, verlangt kurze, knappe Sprechweise; das kann bis ins Theater-Gestelzte gehen, wenn Tom und Dr. Wolff eine Auseinandersetzung Nase an Nase führen (erzählen dadurch immerhin vom Stilwillen der Regisseurin). Daher der lautestes Untertext der Szenen: wir kommen jetzt zusammen und spielen Irrenhaus, Mama und Papa.

Tyipsches Kopfkino: hochtrabend ein schwieriges Thema sich vornehmend, dieses auch exzessiv in einer Szenensammlung durchbuchstabieren, dabei hoch über den Niederungen des Alltags stehend, akademische Hybris, elementare Dinge wie Gelenke einer Geschichte, wie funktioniert der Alltag in so einer Anstalt, wie wird so eine Gruppe organisiert, wie lange trägt man nach dem Krippenspiel die Kronen der titelgebenden Könige, wir wirkt ein Wassersturz bei winterlicher Kälte – die zu erzählen fühlt man sich nicht bemüßigt, alles kopfig, kopfig; gefühlsmäßig wirkt der Film verkrampft.

Und die Moral von der Geschicht: „Ich glaub nicht, dass alles nur Heuchelei ist mit Weihnachten“.