Bridge of Spies – Der Unterhändler

Ganz so brutal und vergiftet wie der Ost-West-Konflik im Kalten Krieg wirklich war, ist er bei Steven Spielberg, der nach einem Drehbuch von Ethan und Joel Coen und Matt Charman gearbeitet hat, nicht. Denn primär macht Spielberg Family-Entertainment und will sanft an die Grundwerte der amerikanischen Demokratie erinnern mit einer anrührenden Hommage an einen brillanten Rechtsanwalt, Tom Hanks als James D. Donovan, der vom Gericht bestallt wurde zum Verteidiger des mutmaßlichen Russenspions Rudolf Abel, lakonisch bis abgebrüht und fern der Welt und durchaus der Paraderolle von Hanks ebenbürtig dargestellt von Mark Rylance.

Family-Entertainment, das enthält wohlvorbereitete, nette Pointen, der Bub von Donovan, der in der Schule Selbstschutz vorm herbeigeunkten, baldigen Atomangriff der Russen lernt und diesen Schutz tatsächlich musterschülerhaft für sich selbst umsetzen kann, wie anonyme Schüsse auf die Wohnung von Donovans abgegeben werden, weil, und dies ein kleiner historischer Hinweis auf den Hass, der im Amerika der 50er Jahre gegen Russland bestanden hat, weil er einen Russen verteidigt. Oder die kleine Nummer mit der Marmelade. Weil Hanks seiner Frau, da der Auftrag top-geheim ist, vorlügt, er sei in London, und sie ihn um eine bestimmte Marmelade als Mitbringsel bittet. Er bringt die Marmelade aus dem Supermarkt ums Eck mit, was seiner Frau sofort auffällt, womit die London-Lüge auffliegt.

Donovan war in Berlin. Das gleich aus mehreren Gründen. Rein produktionstechnisch dürfte sich Spielberg für einen Stoff entschieden haben, der in Deutschland spielt wegen offensichtlichen Schielens auf deutsche Fördergelder und auch auf nicht so teure und gewerkschaftlich nicht so strikt organisierte Schauspieler wie in Hollywood. Deutschland macht lieber für Hollywood den Billig Jakob statt eine eigenständige Filmkultur zu entwickeln. Wobei es eine uralte Politik Hollywoods ist im Hinblick auf die internationale Vermarktbarkeit seiner Produkte ab und an Stars aus wichtigen Konsumentenländern zu engagieren, um den dortigen Verkauf anzukurbeln.

Den Part durfte hier Sebastian Koch übernehmen. Er war sichtlich aufgeregt, wie er die erste Szene mit Tom Hanks zu spielen hatte; als Indiz dafür mag der zweimalig ausgestreckte Zeigefinger gelten, ein Gestiklapsus, der üblicherweise Laien unterläuft. Es ist auch kaum zu erwarten, dass Koch in den amerikanischen Kopien so prominent im Abspann erwähnt wird wie hier mit einem speziellen „und“ direkt nach den Stars. In den USA wird er tief unten unter „ferner liefen“ zu finden sein. Die deutschen Schauspieler sind meist so dumm, zu glauben, Steven Spielberg hätte sie engagiert, weil er sie für so super gut hält. Gut, das Gegenteil würde einem feinen Herren wie Spielberg auch nie über die Lippen kommen.

Aus der Verteidigung von Abel, bei dem zum Vornherein klar war, dass er aus Gründen des Lynchdrangs des Publikums verurteilt wewrden muss und da Hanks, der als der positive amerikanische Held schlechthin mit kaum Charaktermacken außer dem Ding mit der Marmelade darauf pocht, dass die USA im Gegensatz zu Russland eine Verfassung haben und dass die darin geregelten Rechte nach amerikanischem Selbstverständnis genauso einem russischen Spione zustehen, so erreicht er mit Raffinesse, dass der Spion am Leben bleibt. Donovan führt als Argument das Faustpfand an, das Abel lebend abgeben würde. Bald schon stürzt Gerry Powers in Russland bei einem geheimen Spionageflug ab; auch die Geschichte fädelt Spielberg zeitig ein. Den Absturz gestaltet er familientauglich, ganz offensichtlich ist das im Studio, wenn Powers trudelt im Cockpit oder am Fallschirm hängt.

Beide Seiten haben jetzt einen gefangenen Spion. Keiner gibt es zu. Offiziell kann nicht darüber verhandelt werden. So soll Donovan nach Ostberlin fahren und den Austausch organisieren. In seiner Durchtriebenheit gelingt es ihm, und da ist er ein gewiefter Taktiker, dem die Machtverhältnisse in der Sowjetunion glasklar durchschaubar sind, noch einen harmlosen Studenten, den die DDR vorsichtshalber gefangen hat, mit zurückzutauschen; ein Verhandlungs- und Taktikmeisterstück, bis zur letzten Minute spannend, denn auch diese kleine, wichtige Nebengeschichte wurde entsprechend und rechtzeitig eingeführt.

Spielberg inszeniert extrem sorgfältig wie ein pinggeliger Buchhalter, damit kein Sachverhalt, keine Entwicklung, kein Vorgang dem Zuschauer rätselhaft oder nicht begreifbar bleibt. Da kann jeder deutsche Filmemacher sich eine dicke Scheibe abschneiden davon.

Andererseits traut Spielberg sich in cineastischer Hinsicht grad so rein gar nichts, setzt konsequent auf Nummer Sicher und auf Nummer Bewährt, das wirkt direkt ängstlich, schullehrerhaft. Dem kann man mit Achtung begegnen und dankbar sein für das kleine Stück Geschichte, das er auf diese Weise seinem Familienpublikum als Demokratielektion näher bringen und gleichzeitig Amerika ermahnen will, in Krisensituationen nicht seine Grundsätze, die es groß und begehrenswert gemacht haben, preiszugeben, wie es beim Antiterrorkrieg handfest und schauderhaft passiert ist und immer noch passiert – Guantanamo ist noch nicht geschlossen und der den Terrorismus befeuernde Drohnenkrieg geht auch unter Obama unverdrossen weiter. Ein sacht staatbürgerlicher Film auch.

Eine kleine Meistersequenz seiner Regiekunst liefert Spielberg gleich zu Beginn. Wie das FBI im größten Gewusel der New Yorker U-Bahn in Brooklyn Abel beschattet und verfolgt. Nicht zufällig sind Hunderte von Komparsen zum Verwechseln ähnlich gekleidet und mit ähnlichem Gang und Tempo zugange wie der Verfolgte als auch die Verfolger. Ein faszinierendes, Rebus zu nennendes Figurenspiel.

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