Herr von Bohlen privat

Dieses filmische Portrait von André Schäfer über den Krupp-Erben und Liebling der Gesellschaft in den 60ern, den reichen Lebemann und Milliardär Baron Arndt von Bohlen und Halbach, setzt sich zusammen aus einer kleinen Castingszene für den Darsteller des Barons, in der der Zuschauer erfährt, dass die Texte des Reenactments aus Originalzitaten des Krupp-Erben bestehen, was sich als ein Qualitätsmerkmal des Filmes erweisen wird, dazu mischt der Filmemacher Archivfootage, Fotos, Filme, Klatschberichte, Sternreportagen und er interviewt Zeitzeugen wie den Klatschreporter Michael Graeter, die Betreiber des Restaurants Grüne Gans in München, den Maler Mathias Waske oder einen ehemaligen kaufmännischen Angestellten des Krupp-Konzerns, Holger Lippert.

Für die Nachspielszenen wählt Schäfer Originallocations aus Marokko, Sylt, München, Österreich; nur in der Villa Hügel in Essen, dem früheren Familiensitz, in dem zuletzt Berthold Beitz gewohnt hat, da war das Drehteam nicht willkommen; aber man kann auch am Zaun drehen, einen herrschaftlichen Mercedes davor parken und auf das Anwesen und seinen großzügigen Umschwung schauen.

In Arnd Klawitter hat Schäfer einen hervorragenden Protagonisten gefunden, den schon die Maske äußerlich nach einem Waske-Gemälde perfekt doubelt. Klawitter beschränkt sich in seiner knapp sprechenden Darstellung jedoch auf den schwulen Habitus – ihm wurde noch ein großäugig erotolechzend schauender Lover zur Seite gestellt, Arne Gottschling.

Wobei es immer riskant ist, in dieser Art von Biopic Originalaufnahmen reinzusetzen. Man sieht Aufnahmen von Arndts Hochzeit, von Parties, von Auftritten mit dem Familienclan. Da fällt, je länger der Film dauert und wie geschildert wird, dass auch seine Schönheit leidet, die Differenz zwischen Original und Nachspiel stärker auf. Auch fehlt bei diesem Nachspiel dieses merkwürdige, weltabgehobene Lächeln einer Figur, die in einem Sonderuniversum aufgewachsen ist, als ob das Leben nur aus Ironie bestehe, als könne es gar nicht richtig ernst genommen werden.

Wer sichs merken kann, erfährt einiges an Zahlenmaterial und über die Besitztümer der Krupps. Aber auch, dass Beitz den geschäftlich als nicht begabt angesehenen Nachfolger schlau wie ein Fuchs enterbt hat, so dass dem feinen Kerl nur noch zwei Millionen Mark pro Jahr geblieben sind; wodurch er sich schnell verschuldete, denn Besitzungen und Personal schlucken diese wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Der Film ist allerdings mehr als nur das Portrait eines reichen Snobs, mehr als nur Gay-Anekdote. Er wirft einen grellen Blick auf ein Stück Geschichte der Bundesrepublik, auf die Verwicklung der Großindustrie mit der Politik, egal, ob Kaiser, Führer oder Bundeskanzler.

Es kommt eine Szene aus den Nürnberger Prozessen vor, in dem kurz Benjmin Ferencz zu sehen ist, über den gerade das eindrückliche filmische Biopic A Man Can Make a Difference in die Kinos gekommen ist, denn der Vater von Arndt gehörte nach Ferencz‘ Kriterien zu jenen Top Nazi-Verbrechern, aus denen er 24 für die Nürnberger Prozesse ausgewählt und zur Verurteilung gebracht hat.

Ein Leben auf den Schaumkrönchen der Gesellschaft des Wirtschaftswunders eines Menschen, der erkannte hat, dass er nicht zum Arbeiten geboren ist, der gegen Mittag erst aufsteht, dann einige Martinis braucht, bis das Leben los geht. Wobei nebenbei zu erfahren ist, dass so großzügig er gelebt hat, immer enorm viel Personal auch, besonders in dem riesigen österreichischen Schloss, er ebenso großzügig (und über seine Verhältnisse hinaus) gespendet hat an eine Kinderorganisation in Thailand, an Mönche.

Knallig der imposante, extravagante der Mutter mit germanisch-heldischem Kopfputz bei des Sohnes Hochzeit, die wie eine Farce wirkt.

Ein Mensch, zur Privatheit verdonnert.

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