A Man Can Make a Difference

Biopic spannender als jeder Thriller. Kann ein Mann, ein kleingewachsener Mann dazu, etwas gegen die Kriege auf der Welt unternehmen? Ist die Gründung einer Internationalen Strafgerichtbarkeit auf den Weg zu bringen, die Kriegsverbrechen ahndet?

Hermann Göring habe gesagt, es sei nichts leichter als ein Land in einen Krieg zu führen, man müsse nur von der Bedrohung sprechen. Anfangs dieses Jahres haben wichtige deutsche Politiker (Bundespräsident, Außenminister und Verteidigungsministerin) verklausuliert von mehr internationaler Verantwortung, die Deutschland übernehmen müsse, gesprochen, sie meinten Kriegseinsätze.

Hier in diesem Film von Ullabritt Horn, die von Käthe Kratz dramaturgisch beraten wurde, geht es um die Jahrhundertpersönlichkeit Benjamin Ferencz. Zur Zeit der Dreharbeiten ist er 93 Jahre alt und voller Tatendrang. Wenn sie ihm die Türen der Gerichtssääle zu sperren, dann müsse man eben durch die Fenster eindringen, meint er. Und klar und deutlich machen, was Kriegsverbrechen sind und dass diese vor Gerichten verhandelt und geahndet werden müssen. Das geht bis zu den Kollateralschäden von Drohnenangriffen, die Präsident Obama so gerne befiehlt.

Ferencz ist 1920 in Rumänien geboren worden in einer Schusterfamilie, die bald schon nach New York ausgewandert ist und dort in der ärmlichen Bronx sich mit Hausmeisterjobs in einer fensterlosen Kellerwohnung durchbrachte. Die Straßen sind beherrscht von Gangs – die hatten damals noch keine Pistolen – schlagen sich mit Schlagstöcken, Iren gegen Italiener. Ferencz ist nie mit von der Partie. Er kennt nur dieses ärmliche Leben, wo die Kinder für 10 Cents im Kino geparkt werden und stumme Disneyfilme sehen. Er selber spricht nur Jiddisch.

In der Schule wird seine Intelligenz und Begabung entdeckt und der Junge wird gefördert, an ein College geschickt. Die Eltern ziehen nach Manhatten, wo es keine Straßengangs gibt, Mutter arbeitet als Hausmeisterin in einem feinen Haus. Bald folgt Harvard. Ferencz ist sich immer bewusst, dass er seine kleine körperliche Statur nur durch Bestleistungen kompensieren kann.

Es folgt der Krieg. Zuerst ist er in der Artillerie, die Landung in der Normandie steht bevor. Aber er ist bereits in die juristische Abteilung für Kriegsverbrechen beordert. Er schildert lebendig, wie sie nach Abschuss eines feindlichen Piloten, der dann gelyncht wurde, sofort nach Beweisen suchten, wie er nicht davor zurückschreckte, 20 Augenzeugen mit dem Tod zu bedrohen, wenn sie nicht die Wahrheit aufschreiben würden. So konnte er genügend handfeste Beweise für die Anklage sammeln.

Fenrencz zuzuhören, den die Dokumentaristin teils in den Nürnberger Gerichtssaal stellt, ist faszinierend, immer brillant, immer faktensicher, immmer mit dem Fokus auf der Gerechtigkeit und immer noch fassungslos über die Kriegsverbrechen und dass die Verbrecher sich selber nie schuldig fühlen. Denn Ferencz war es, der die Errichtung des Nürnberger Tribunals nach der Nazizeit betrieben hat und dort als 27jähriger Chefankläger 24 aus etwa 3000 Topnazis der Gerechtigkeit zuführte.

Parallel dazu hat er in Nürnberg eine wilde Zeit, jung verheiratet, gründet seine Familie, vier Kinder, die sollen aber nicht in Deutschland aufwachsen. So geht in die USA zurück. Verdingt sich erst mit Anwaltskleinkram, was ihm gar nicht behagt. Besinnt sich auf die Idee einer internationalen Gerichtbarkeit für Kriegsverbrechen, schreibt Standardwerke dazu.

Die Genozide in Jugoslawien und Ruanda lösen den nötigen politischen Druck aus, endlich den ICC, den Internationalen Gerichtshof zu gründen, 1998 in Rom mit dem Rom-Statut.

Ben ist ein Energiebündel ohne jede Theatralik, schon gar nicht in der Anklage, mit Wissen beschlagen aber auch nicht um eine Anekdote verlegen, zum Beispiel aus Nürnberg, wie ein anderer Ankläger meinte, Ferencz hätte einen Stuhl bekommen für sein Plädyoer, weil sein Kopf gerade über das Pult ragte, hinter dem er stand, und kompromisslos, wenn es um den Rechtsbegriff geht, zielbewusst, wenn er eine Vision gegen alle Bedenkenträgerei durchsetzt und hochempfindlich wenn es um die Glorifizierung von Krieg geht (mit seinen Helden und Auszeichnungen) – und der seit über 60 Jahren glücklich verheiratet ist.

Schlaglichtartig schneidet die Filmemacherin immer wieder eindrückliches, signifikantes Archivmaterial dazwischen. Angesichts der vielen Kriege, die immer noch toben auf der Welt, angesichts der immer sich wieder wie verquer sich äußernden Meinung, Deutschland müsse „mehr Verantwortung“ zeigen auf der Welt, die auf Kriegsbeteiligungen hinauslaufen soll, ist dieser Film ein nicht zu verachtendes Statement gegen den Krieg nebst einem aufregenden und sehr persönlichen Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Entstehung des Internationalen Strafgerichtshofes. Ein Film, der in seiner Vielfalt, Abwechslungsreichheit und Spannung geprägt ist von der Persönlichkeit Ferencz – bestens geeignet für eine interessante Kino- und Geschichtsstunde.

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