Die Wellen, die Wasserstrudel, die undurchdringliche Oberfläche der Weichsel in der sich ein bleierner Himmel spiegelt, sind der Ausgangspunkt oder rahmendes Symbol für Pawel Siczeks Unternehmen im Trüben der Vergangenheit der polnischen Ortschaft Kozienice 100 Kilometer östlich von Warschau an der Weichsel zu „fischen“, zu forschen, zu recherchieren, zu vermuten, zu rekonstruieren.
Wobei der Filmemacher sich selbst raushält, kaum mal eine Frage an einen Interviewpartner vernehmbar stellt. Seine Familie kommte aus dieser polnischen Gegend, heißt es im Presseheft. Aber mit dem zweiten Weltkrieg sei nicht nur das friedliche Zusammenleben von Polen, Juden, Deutschen weggespült worden, auch die meisten Spuren davon seien „abgetaucht im Sog des Vergessens“.
In diesen Sog hat Siczek sich begeben, hat daraus einen Kinosog entwickelt. Seine Annäherung ist eine mehrfache. Zum einen sein familiengeschichtlicher Zugang, der im Film allerdings kaum spürbar wird, das kann teils sogar verwirrend werden, wenn das Interesse nicht ganz klar ist, wer ist der Erzähler und welche Position hat der Filmemacher?
Hauptaugenmerk des Filmes, sein Hauptzugang gilt einem der wenigen Fundstücke aus jener Vorkriegszeit, Glasnegative von Portraits, die der jüdische Fotograf Chaim Berman der Bewohner von Kozienice angefertigt hat. Ein passionierter Fotograf, der noch als schon die Nazis da waren, so erzählt es eine der vielen Animationen, die zur Rekonstruktion möglicher Geschichten dienen, noch Leute mit Hakenkreuz am Ärmel genauso wie solche mit Judenstern fotografiert hat. Auch solche Fotos sind zu sehen.
Ein Strang der Geschichte betrifft die Rekonstruktion des Lebens von Chaim Berman, den der Lehrer Antoni bei sich vor den Nazis im Keller versteckt hat. Dort wurde der Fotograf krank. Antoni riet ihm, sich nach Warschau durchzuschlagen, weil er dort sicherer wäre. Berman aber wurde verraten.
Für diese Geschichte hat Siczek, wie man das oft in solchen Dokumentationen sieht, die Tochter des Lehrers ausfindig gemacht, sie an den Ort ihrer Jugend zurückgeführt und dabei gefilmt und sie erzählen lassen. Sie hat das als Mädchen miterlebt.
Ein weiteres Bebilderungselement in dieser hochkünstlerischen, fotoaffinen Collage über die vermutete Vergangenheit dieser polnischen Ortschaft ist das uralte Ehepaar Mlastek, das in einem interessanten Bau mit einem hohen Torbogen mit Terrasse darüber wohnt und das die Glasnegative von Berman nach dem Krieg in den Trümmern gefunden und aufbewahrt hat. Wie diese alten Leute sich bewegen, vor allem sitzen sie, wie sie erzählen, das ist eine wunderbare Dokumentation auch über das hohe Alter – und uralte Liebe.
Ferner erfindet Sicez unabhängig von den anderen Strängen eine junges Paar, das versucht im heutigen Kozienice Fotos nach den Motiven von Berman zu schießen, die Kamerapositionen zu erurieren.
Außerdem gibt es ein kulturhistorisches Intermezzo mit Aufnahmen einer rekonstruktiv-theatralen Aufführung des Einmarsches der Nazis in der Ortschaft, die versucht, Geschichte lebendig zu machen.
Seinen künstlerischen Ansatz zum Film, der auch eine Hommage an die Kunst der Fotografie ist, unterstreicht der Filmemacher mit immer wieder dazwischen geschnittenen, ruhigen Aufnahmen von Feldern, Sträuchern, Häusern – als pointiert ausgewählten Standfotografien – wenn nicht gerade ein Sturm wütet.