Landraub

Wer möchte das nicht: eine Investition mit 70 Prozent Fremdkapital, die sich in 7 Jahren amortisiert und von der ab da gilt: „die nächsten 20 Jahren werden Sie jedesmal mit einem Lächeln zur Bank gehen“. Der durch die Niedrigzinspolitik gebeutelte Sparer würde sagen, das kann nicht mit rechten Dingen zu und her gehen – geht es auch nicht so ganz: das zeigt dieser Film von Kurt Langbein, der mit Christian Büser auch das Drehbuch geschrieben hat.

In diesem ersten Beispiel geht es um Investitionen in Palmöl-Plantagen (Hybride), die einer der attraktivsten Investitionen im Agrarbereich und in der Zukunft darstellen. Palmöl ist für die Haltbarkeit von Lebensmitteln ein einzigartiges Produkt. Wir, die Supermarktkunden honorieren die Investition, indem wir noch und nöcher in den Regalen zu mit Palmöl haltbar gemachten Produkten greifen (einen Hinweis auf solche Produkte findet sich hier). Die Agrarinvestoren freuen sich darüber. Stündlich wird weltweit allein für Palmöl-Plantagen eine Fläche von 300 Fußballfeldern Regenwald abgeholzt. Ein Sprecher des Palmölproduzenten Cargill in Indonesien plappert von Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Ertragssteigerung, obwohl das selbst erfundene Gütesiegel RSPO Urwaldrodung und die Verwendung von Kunstdünger und Pestiziden erlaubt. Wie der Konzern an die Rechte am Boden kommt, das steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Da kommt ganz schnell das Titelthema des Filmes ins Spiel.

In wachen, aufmerksamen Kinobildern erzählen uns die österreichischen Filmemacher anhand einiger Produkte, wie unsere industrielle Welt, EU-Subventionsprogramme und unser Konsumverhalten beitragen zur Abholzung von Urwald und zum Landgrabbing, ein Begriff wie Landnahme. Der bekannte deutsche Ökobauer Löwenstein spricht von einer neuen Welle der Kolonialisierung, Durchgang 2.0, denn das große Kapital habe den Hunger als interessante Kapitalanlage entdeckt. Wir erhalten Einblick in eine Konferenz zum Thema Agrarinvestitionen in London; hier wird Landwirtschaft nur gesehen unterm Aspekt von Investitionen, Renditen und der möglichst längjährigen Zuverlässigkeit solcher Renditen, die Konferenz schätzt ein jährliches Investitionsvolumen von 80 Milliarden Euro; die Preise werden hoch bleiben; Afrika ist das letzte zu erschließende Potential („Africa: this is the place where, geografically, the opportunity lies“). Kollateralschäden, wie die, dass Tausende und Hundertausende von Bauern enteignet oder gar, wie in Kambdoscha zu sehen, ihres Landes beraubt werden, spielen bei der Konferenz keine Rolle.

Wobei Langbein/Büser nicht die einfache Keule gegen das Kapital schwingen. Sie lassen beide Seiten zu Wort kommen und da gibt es durchaus unterschiedliche Grade von Verantwortungsbewusstsein. ADDAX zum Beispiel hat in Sierra Leone mit den Dorfvorstehern gesprochen, bevor die Firma große Zuckerrohplantagen zur Herstellung von Ethanol anlegte. Das Land wurde für 50 Jahre verpachtet mit einer Option auf weitere 25 Jahre. Die ärmlichen, ungebildeten Bewohner und ihr Dorfvorsteher hatten kaum eine andere Wahl als den Verträgen zuzustimmen. Nun klagen die Bauern, dass die Firma viele Versprechungen nicht einhält, keine Brunnen bohrt oder dass sie jetzt kein Holz mehr sammeln dürfen. Dieser Fall erinnert an denjenigen aus La buena Vida von Jens Schanze.

Der Fall Kambodscha ist eine eigene Geschichte. Durch diese führt ein buddhistischer Mönch, der die besonders brutale Landnahme durch den vietnamesischen Konzern Pnom Penh Sugar fürs Internet dokumentiert, da die anderen Medien nicht darüber berichten. Sein Kloster hat viele Opfer-Familien aufgenommen, nachdem ihre einfachen Hütten mit Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht oder angezündet worden sind, nicht mal einen Kochtopf durfte eine Frau retten. Mithilfe eines europäischen Förderprogramms produziert der vietnamesische Konzern Zucker für den zollfreien Import in die EU. Waren die Bauern früher Selbstversorger mit Reis, müssen sie diesen jetzt kaufen, was nicht leicht ist bei einem Tagelöhnereinkommen von 2.50 Euro am Tag. Der Satz einer Frau über den Investor Senator Ly Yong Phat: der Zucker ist süß, aber sein Herz ist bitter. Die Konzerne wollen sich das Förderprogramm der EU „Everything but Arms“ nicht verderben lassen. In diesem einen Falle gab es allerdings ein halbwegs glückliches Ende: 405 Familien durften nach den Protesten wieder auf ihr niedergewalztes Land und in die verbrannten Hütten zurück. Trotzdem: allein in Kambdoscha wurden 600’000 Bauern von 100’000 Hektar Land vertrieben; die Regierung hat 65% der Ackerböden an Investoren vergeben.

Rumänien, riesige Erntemaschinen; ein Agrarinvestor aus Österreich sieht im Banat viel brachliegendes Land und wird mit offenen Armen aufgenommen; er installiert industriellen Weizenanbau – die gewaltigen Erntemaschinen liefern ergiebige Kinobilder, nicht weniger als der naturgeprägt traditionelle Bauer, der ein effizienter Direktvermarkter ist; ja der beobachtet hat, dass die Hühner den indigenen Mais dem genmanipulierten vorziehen und er wundert sich, wie das möglich war, dass ein dänischer Investor so viel Grund vom Staat habe kaufen können und fühlt sich als Bauer übergangen. Fakt: seit 1990 haben ausländische Investoren 700’000 Hektar Land in Rumänien gekauft, 50% der EU-Agrarförderung gehen in Rumänien an 1 Prozent der Betriebe. 70% der Bauern bekommen gar keine Förderung. Das erklärt ein EU-Abgeordneter in Brüssel so: die EU fördert Flächen und damit die Großstrukturen, arbeitet also gegen die Diversität und gegen effiziente Selbstvermarkter.

Auch aus Äthiopien bringt der Film je ein Beispiel industrieller und eines individueller Argrarproduktion: ein Einwanderer-Gemüseproduzent, der in Gewächshäusern Gemüse von Topqualität heranzieht, welches umgehend mit dem Flugzeug in die Emirate exportiert wird; dort gibt’s einen Blick in die Küche des Burj al Arab, dessen Chefkoch über die frischen Produkte glücklich ist. Äthiopien bietet Millionen Hektar Land für 5 Euro pro Jahr an die Agrarindustrie. Und wir sehen einen äthiopischen Bauern beim Eggen. Er versucht sein Produktionssystem zu stabilisieren und nebst Deckung des Eigenbedarfs auch noch den Markt zu beliefern. Dieses amibitonierte Unternehmen gelingt dank Bodenverbesserung mit Biodünger und mit 3 Bepflanzungen pro Jahr, Kraut, Tomaten und Mais. In Afrika könnten so 400 Millionen Bauern sich selbst und dazu noch andere versorgen ganz ohne die desaströsen Nebeneffekte der Agrargroßindustrie.

Von einem Eu-Parlamentarier erfahren wir, dass Landgrabbing in Außereuropa kein Problem sei dank korrupter Regimes; EU-Politik schaut zu, statt zu sagen: wir importieren solche Nahrungsmittel nicht mehr und dass es inzwischen eine Zertifizierungsindustrie gebe, die ihren ganz eigenen Begriff im konträren Sinn von Nachhaltigkeit verwendet und auch, dass der überwiegende Anteil der EU-Agrarsubventionen an Großbetriebe geht, während der weit überwiegende Anteil der Nahrungserzeugung noch von Kleinbetrieben geleistet wird (70 Prozent, wobei diese Kleinbauern 10 mal mehr Energie produzieren als sie verbrauchen, während die Agrarindustrie 10 mal mehr Energie verbraucht, als sie produziert; diese Info von Löwenstein).

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