Er ist wieder da

Ok, Hitler geht immer, Hitler ist ein seine Zeit weit überstrahlender Show-Star, einen größeren hat Deutschland lange nicht gehabt, mit ihm haben Unzahlen von Verlegern, Produzenten, Galeristen, Autoren, Satirikern, Malern, Zeichnern, Filmemachern, Comedians, Schauspielern ihr einträgliches Exploitation-Geschäft gemacht. Die Faszination nehmen konnte ihm keiner.

Auch Oliver Masucci nicht, der vom Burgtheater jetzt vor die Leinwand gezerrt wurde, um eine individuelle Lösung in einem Gemisch aus Autorität, schauspielerischem Können, Albernheit und rollendem R vorzutragen und damit auf die Menschen in Deutschland losgelassen zu werden und zwar sowohl in Spielszenen als auch in Fake-Doku-Szenen mit unvorbereiteten Zeitgenossen, die der Magie des Massenmörders nicht widerstehen können.

Geld zu verdienen mit der Faszination Hitler beabsichtigen die Executive Producer Oliver Berben und Martin Moszkowicz, die Produzenten Christoph Müller und Lars Dittrich, die Drehbuchautoren David Wnendt, Johannes Boss, Timur Vermes und Minna Fischgartl sowie David Wnendt auch in seiner Funktion als Regisseur.

Auf den Hitlerzug aufgesprungen sind auch die Filmförderer Medienboard Berlin-Brandenburg (Geschäftsführung Kirsten Niehuus), die Filmförderungsanstalt (Vorstand Peter Dinges), die Film- und Medienstiftung NRW (Geschäftsführerin Petra Müller, Aufsichtsratsvorsitzender Prof. Dr. Werner Schwaderlapp) und der DFFF (Staatsministerin für Medien und Kultur Monika Grütters). Sie alle wollen vom Glanze des Hitlerrenommees etwas abbekommen.

Bei all dem Support und bei einem so außerordentlichen Darsteller von Hitler hätte man also durchaus was machen können fürs Kino. Es gibt als Grundlage ja auch den Bestseller von Timur Vermes. Vielleicht wäre daraus ein taugliches Drehbuch zu machen gewesen. Scheint mir allerdings nicht der Fall zu sein.

Hitler taucht wieder auf in Deutschland. Er wird von einem windigen, freien Mitarbeiter eines Privatsenders entdeckt. Dieser möchte mit dem Bösewicht seine Karriere retten. Und tut es dann auch. Weil, wie gesagt, Hitler geht immer. So wildert und schwurbelt denn der Film mit diesem dünnen Plot in den Milieus der versteckten Kamera, der provokativen Doku-Kamera, die die Menschen mit Hitler konfrontiert und wenig Überraschendes inklusive Selfiesucht zutage fördert, in mehreren Fernseh-Show- und Talkformaten, durch die der neue/altbackene Mega-Star geschleust wird, in Privat-TV-Mobbing- und Karrieregeschichten sowie in wenig kreativem TV-Politikerbashing. Das dürfte allenfalls Kichern bei einem TV-gebrainwashten Publikum auslösen.

Da dieser Hitler auf soziale Themen hinweist, bei denen man ihm recht geben muss und er zudem eine schöne Medienschelte hinlegt, der man leicht beipflichten kann und sie auch gleich auf den Film selber anwenden kann, wirkt das alles gar nicht so schlimm – und mit den hinterhergeschobenen aktuellen Aufnahmen zum von Tag zu Tag dramatischer werdenden Flüchtlingsproblem, hm, nun, was wollen uns die Filmemacher damit sagen? Wollen sie sich damit von ihrem eigenen Werk distanzieren oder wie oder was? Wollen Sie uns damit sagen, dass sie wenn sie wirklich die Welt von heute anschauen täten, vielleicht doch besser einen anderen, einen gscheiteren Film hätten machen sollen? Um uns das zu erzählen, haben sie einen beachtlich großen Aufwand betrieben.

Landraub

Wer möchte das nicht: eine Investition mit 70 Prozent Fremdkapital, die sich in 7 Jahren amortisiert und von der ab da gilt: „die nächsten 20 Jahren werden Sie jedesmal mit einem Lächeln zur Bank gehen“. Der durch die Niedrigzinspolitik gebeutelte Sparer würde sagen, das kann nicht mit rechten Dingen zu und her gehen – geht es auch nicht so ganz: das zeigt dieser Film von Kurt Langbein, der mit Christian Büser auch das Drehbuch geschrieben hat.

In diesem ersten Beispiel geht es um Investitionen in Palmöl-Plantagen (Hybride), die einer der attraktivsten Investitionen im Agrarbereich und in der Zukunft darstellen. Palmöl ist für die Haltbarkeit von Lebensmitteln ein einzigartiges Produkt. Wir, die Supermarktkunden honorieren die Investition, indem wir noch und nöcher in den Regalen zu mit Palmöl haltbar gemachten Produkten greifen (einen Hinweis auf solche Produkte findet sich hier). Die Agrarinvestoren freuen sich darüber. Stündlich wird weltweit allein für Palmöl-Plantagen eine Fläche von 300 Fußballfeldern Regenwald abgeholzt. Ein Sprecher des Palmölproduzenten Cargill in Indonesien plappert von Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Ertragssteigerung, obwohl das selbst erfundene Gütesiegel RSPO Urwaldrodung und die Verwendung von Kunstdünger und Pestiziden erlaubt. Wie der Konzern an die Rechte am Boden kommt, das steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Da kommt ganz schnell das Titelthema des Filmes ins Spiel.

In wachen, aufmerksamen Kinobildern erzählen uns die österreichischen Filmemacher anhand einiger Produkte, wie unsere industrielle Welt, EU-Subventionsprogramme und unser Konsumverhalten beitragen zur Abholzung von Urwald und zum Landgrabbing, ein Begriff wie Landnahme. Der bekannte deutsche Ökobauer Löwenstein spricht von einer neuen Welle der Kolonialisierung, Durchgang 2.0, denn das große Kapital habe den Hunger als interessante Kapitalanlage entdeckt. Wir erhalten Einblick in eine Konferenz zum Thema Agrarinvestitionen in London; hier wird Landwirtschaft nur gesehen unterm Aspekt von Investitionen, Renditen und der möglichst längjährigen Zuverlässigkeit solcher Renditen, die Konferenz schätzt ein jährliches Investitionsvolumen von 80 Milliarden Euro; die Preise werden hoch bleiben; Afrika ist das letzte zu erschließende Potential („Africa: this is the place where, geografically, the opportunity lies“). Kollateralschäden, wie die, dass Tausende und Hundertausende von Bauern enteignet oder gar, wie in Kambdoscha zu sehen, ihres Landes beraubt werden, spielen bei der Konferenz keine Rolle.

Wobei Langbein/Büser nicht die einfache Keule gegen das Kapital schwingen. Sie lassen beide Seiten zu Wort kommen und da gibt es durchaus unterschiedliche Grade von Verantwortungsbewusstsein. ADDAX zum Beispiel hat in Sierra Leone mit den Dorfvorstehern gesprochen, bevor die Firma große Zuckerrohplantagen zur Herstellung von Ethanol anlegte. Das Land wurde für 50 Jahre verpachtet mit einer Option auf weitere 25 Jahre. Die ärmlichen, ungebildeten Bewohner und ihr Dorfvorsteher hatten kaum eine andere Wahl als den Verträgen zuzustimmen. Nun klagen die Bauern, dass die Firma viele Versprechungen nicht einhält, keine Brunnen bohrt oder dass sie jetzt kein Holz mehr sammeln dürfen. Dieser Fall erinnert an denjenigen aus La buena Vida von Jens Schanze.

Der Fall Kambodscha ist eine eigene Geschichte. Durch diese führt ein buddhistischer Mönch, der die besonders brutale Landnahme durch den vietnamesischen Konzern Pnom Penh Sugar fürs Internet dokumentiert, da die anderen Medien nicht darüber berichten. Sein Kloster hat viele Opfer-Familien aufgenommen, nachdem ihre einfachen Hütten mit Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht oder angezündet worden sind, nicht mal einen Kochtopf durfte eine Frau retten. Mithilfe eines europäischen Förderprogramms produziert der vietnamesische Konzern Zucker für den zollfreien Import in die EU. Waren die Bauern früher Selbstversorger mit Reis, müssen sie diesen jetzt kaufen, was nicht leicht ist bei einem Tagelöhnereinkommen von 2.50 Euro am Tag. Der Satz einer Frau über den Investor Senator Ly Yong Phat: der Zucker ist süß, aber sein Herz ist bitter. Die Konzerne wollen sich das Förderprogramm der EU „Everything but Arms“ nicht verderben lassen. In diesem einen Falle gab es allerdings ein halbwegs glückliches Ende: 405 Familien durften nach den Protesten wieder auf ihr niedergewalztes Land und in die verbrannten Hütten zurück. Trotzdem: allein in Kambdoscha wurden 600’000 Bauern von 100’000 Hektar Land vertrieben; die Regierung hat 65% der Ackerböden an Investoren vergeben.

Rumänien, riesige Erntemaschinen; ein Agrarinvestor aus Österreich sieht im Banat viel brachliegendes Land und wird mit offenen Armen aufgenommen; er installiert industriellen Weizenanbau – die gewaltigen Erntemaschinen liefern ergiebige Kinobilder, nicht weniger als der naturgeprägt traditionelle Bauer, der ein effizienter Direktvermarkter ist; ja der beobachtet hat, dass die Hühner den indigenen Mais dem genmanipulierten vorziehen und er wundert sich, wie das möglich war, dass ein dänischer Investor so viel Grund vom Staat habe kaufen können und fühlt sich als Bauer übergangen. Fakt: seit 1990 haben ausländische Investoren 700’000 Hektar Land in Rumänien gekauft, 50% der EU-Agrarförderung gehen in Rumänien an 1 Prozent der Betriebe. 70% der Bauern bekommen gar keine Förderung. Das erklärt ein EU-Abgeordneter in Brüssel so: die EU fördert Flächen und damit die Großstrukturen, arbeitet also gegen die Diversität und gegen effiziente Selbstvermarkter.

Auch aus Äthiopien bringt der Film je ein Beispiel industrieller und eines individueller Argrarproduktion: ein Einwanderer-Gemüseproduzent, der in Gewächshäusern Gemüse von Topqualität heranzieht, welches umgehend mit dem Flugzeug in die Emirate exportiert wird; dort gibt’s einen Blick in die Küche des Burj al Arab, dessen Chefkoch über die frischen Produkte glücklich ist. Äthiopien bietet Millionen Hektar Land für 5 Euro pro Jahr an die Agrarindustrie. Und wir sehen einen äthiopischen Bauern beim Eggen. Er versucht sein Produktionssystem zu stabilisieren und nebst Deckung des Eigenbedarfs auch noch den Markt zu beliefern. Dieses amibitonierte Unternehmen gelingt dank Bodenverbesserung mit Biodünger und mit 3 Bepflanzungen pro Jahr, Kraut, Tomaten und Mais. In Afrika könnten so 400 Millionen Bauern sich selbst und dazu noch andere versorgen ganz ohne die desaströsen Nebeneffekte der Agrargroßindustrie.

Von einem Eu-Parlamentarier erfahren wir, dass Landgrabbing in Außereuropa kein Problem sei dank korrupter Regimes; EU-Politik schaut zu, statt zu sagen: wir importieren solche Nahrungsmittel nicht mehr und dass es inzwischen eine Zertifizierungsindustrie gebe, die ihren ganz eigenen Begriff im konträren Sinn von Nachhaltigkeit verwendet und auch, dass der überwiegende Anteil der EU-Agrarsubventionen an Großbetriebe geht, während der weit überwiegende Anteil der Nahrungserzeugung noch von Kleinbetrieben geleistet wird (70 Prozent, wobei diese Kleinbauern 10 mal mehr Energie produzieren als sie verbrauchen, während die Agrarindustrie 10 mal mehr Energie verbraucht, als sie produziert; diese Info von Löwenstein).

The Program – Um jeden Preis

Stephen Frears erzählt hier nach einem Drehbuch von John Hodge informativ und in zügig-protokollarischer Abreißkalendermanier mit einer pointierten Auswahl signifikanter Szenen anhand der Karriere von Lance Armstrong, wie der Radsport sich mit Doping und Lügen ruiniert hat.

„Das Programm“ wurde das ausgeklügelte System des Blutdopings (Frears zeichnet das erschreckend minutiös nach) genannt, das ein italienischer Schlawiner-Doktor ersonnen und praktiziert hat, und welches raffinierterweise bei Dopingtests gerade nicht mehr nachzuweisen war (hat sich VW vielleicht davon für sein defeat switch inspirieren lassen?).

So konnte der 7-fache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong – diesen undankbaren Part eines miesen Charakters ohne jeden Sympathiezipfel mutet sich Ben Foster zu – mit ehrlich aufgesetzter und eingeübter Miene bei Interviews und Pressekonferenzen behaupten, er sei nie positiv getestet worden. Deswegen hat es auch so lange gedauert, bis der Betrug aufgegeflogen ist. Gerüchte hat es immer gegeben, aber der britische Journalist David Walsh konnte nie den „rauchenden Colt“ als Beweisstück auffahren. Insofern stand die Presse, die solche Verdächtigungen ausstieß, lange Zeit als Spielverderber da, ja die Zeitung von Walsh musste sogar eine erkleckliche Summe Schadenersatz für Rufschädigung bezahlen, gerichtlich verordnet.

Aber wie es mit dem Erfolg so ist, er macht narrisch, er verlangt nach mehr. Nachdem Armstrong nach dem siebten Tour-Sieg seine Karriere offiziell und unbeschadet beendet hat, juckt es ihn, reizt es ihn. Er will wieder siegen. Allerdings will er Floyd Landis, ohne den er die Siege vermutlich nicht in dieser Zahl erreicht hätte, er war der Mann, der ihn im Team am stärksten und bedingungslosesten unterstützte, Jesse Plemons spielt ihn, diesen treuen Sidekick will Armstrong bei seinem Comeback nicht mehr im Team haben, weil der inzwischen in einer Talkshow Doping zugegeben hatte.

Das enttäuscht den immer loyalen Floyd Landis maßlos, so dass er anfängt zu plaudern und alles offenzulegen. Die Eigenschaft der Treue von Landis illustriert Frears mit ein paar wenigen, klaren Bildern, Telefonate mit seinem Vater, der ihn an den Glauben erinnert und später Bilder eines Besuches von Landis in der väterlichen, ländlichen Glaubensgemeinschaft. Es gibt Horte der Ehrlichkeit.

Den Samen für den „Verrat“ von Floyd an Lance legt Frears mit einer kleinen Geschichte, kurzgetaktet erzählt, schon früher. Floyd wundert sich, dass so viele Fahrräder aus dem Fundus des Teams verschwunden sind. Er erfährt, die seien verkauft worden, um das Blutdoping zu finanzieren. Stirnrunzelnd setzt Floyd diesem Geld den aufwändigen Lebensstil, der für Lance finanziert wird, gegenüber. Eine Gleichung, die nicht aufgeht.

Auch die Mischung von nachgestellten Touraufnahmen mit den Doubles und echtem Tour-Doku-Material bewältigt Frears mit Meisterhand links.

Den Zusammenbruch von Armstrongs Lügenwelt zeigt Frears ganz ohne Schadenfreude, er bringt lediglich Armstrong im Bild, der zu allen Vorwürfen „ja“ sagt, ein umfassendes Geständnis ablegt. Das wirkt wie eine Pflichtübung, rettet allerdings imagemäßig für den Zuschauer nichts mehr: dieser Armstrong ist so eine mickrige Figur, so ein Arschloch und konnte im Fahrradzirkus munter gedeihen, und hat nun auch den ganzen Sport in den Abgrund gerissen. Wollen wir Filme über solch armseligen Arschlöcher sehen?

Auf dieser Täuschung hat Armstrong eine Riesengeschichte aufgebaut, ist sehr reich geworden, hat sich für den Kampf gegen den Krebs eingesetzt. Denn seine Geschichte besteht auch aus einem Kampf gegen den Krebs, Hodenkrebs, den er erfolgreich bekämpft hat. Vielleicht hat dies in ihm diesen unbedingten Siegerwillen noch verstärkt.

Armstrongs Heirat hackt Frears mit einer kleinen Kennenlernszene ab, Lance frägt sie, ob sie Pizza mag, sie himmelt ihn an, und schon ist Hochzeit; sich nicht mit unnötigen Details aufhalten, es geht schließlich um eine ganz große Betrugsgeschichte.

Zur Methode Frears scheint allerdings auch zu gehören, dass immer klar ist, dass es Schauspieler sind, die in einem eher theatralischen Duktus und nicht method-acting-haft die Story nachstellen, sie wird so noch deutlicher, plakativ deutlich, macht klar, was für ein Trash, was für eine anwidernde Angelegenheit der Radsport ist.

Hier bleibt nichts mehr übrig an Sympathie für den Radrennsport wie noch in Hugo Koblet – Pedaleur de Charme von Daniel von Aarburg oder in Tour du Faso von Wilm Huygen; hier bleibt nur wie mit dem Skalpell freigelegt das bucklige Skelett des kaputten Charakters des Radsports.

Der Marsianer – Rettet Mark Watney

Ein Zwitter aus Robinsonade und No-man-left-behind-Film.

Filmisch mag Ridley Scott dieses Drehbuch von Drew Goddard nach dem Roman von Andy Weir nach allen Regeln der Kunst und mit viel technischem Detailkram nach bestem Wissen und Gewissen auf die Leinwand gehievt haben; am Ende bleibt es doch ein „get-him-home“ / „bring him home alive“-Story im Sinne der No-man-Left-Doktrin. Der Mann muss vom Mars zurückgeholt werden.

Der Home-Teil des Filmes, der NASA-Teil, die Hurras und die gebannten Blicke auf die Bildschirme in den gigantischen Kommandozentralen, die Notfalleinsatzplan-Besprechungen, ja sogar die Kooperation mit dem Feind China, bleiben Stereotypien bis zum Geht-nicht-mehr, erwartbar und voraussehbar in allen Ausformungen.

Matt Damon ist der Held des Filmes mit dem Namen Mark Watney. Er ist beim panikartigen Aufbrauch seines Teams wegen eines mörderischen Marssturmes zurückgelassen und für tot gehalten worden. Im Hauptteil des Filmes dürfen wir ihm zuschauen, wie er sich pudelwohl wie in seinem Schrebergarten fühlt und den Marsrobinson spielt, bis er – das ist von Ridley Scott wirklich schön gefilmt – mit einer von ihm ruppig umgebauten Raumkapsel vom Mars abhebt und sich in die Nähe der rettend herbeigeilten Raumfähre katapultiert, um in der Luft von seiner Chefin aufgefangen zu werden. Das ist der Gravity-Moment des Filmes, der die biedere Drehbuch-Struktur und die teils einfältigen Texte und den Mangel jeden Ernstes und somit auch jeglichen Humors besonders schmerzlich spürbar macht.

Das Hauptkorpus des Filmes muss Damon allein auf dem Mars bewältigen. Er schafft es, nicht einen Augenblick das Gefühl von gewaltiger Einsamkeit und Weite aufkommen zu lassen, gar die Nähe des Todes, die existentielle Ausgesetztheit wie Robert Redford in All is Lost sie grandios verkörpert – freundlicherweise würde ich von einer Fehlbesetzung sprechen.

Denn Matt Damon ist just nicht der Typ des Grenzen testenden Wissenschaftlers, da ist er mir viel zu bequem, zu statisch, in sich selbst ruhend, vor allem fehlt das Abenteurerhafte, die wissenschaftliche Neugier und da kommt der dritte Vergleichsfilm ins Spiel „Zwischen Himmel und Eis“ von Luc Jacquet, der später dieses Jahr in die Kinos kommen soll, ein Portrait des Antarktisforscher Claude Lorius, gut bestückt mit Super-8-Originalaufnahmen von extrem waghalsigen Antarktisexpeditionen; wie Lorius bei zweistelligen Minusgraden einen umgeknickten Eisenmasten von Hand repariert, wie die eisigkalten Schrauben sich bei jeder Berührung fast an die Finger schweißen: dagegen ist das, was Matt Damon hier bastelt, eine niedliche Jugendfreizeitübung, nicht weiter von Belang. Bei ihm sieht man in jeder Sekunde im Hintergrund seinen Wohnwagen, in dem er pausieren, relaxen und sich umziehen kann – selig in diesem Film, wer den Jacquet-Film nicht kennt, gegen Lorius wirkt Dammon wie eine Dumpfbacke.

Wie ein Kind quietscht Damon, I am not here to die. Aber die vielen, dämlichen Texte hat nicht er geschrieben. Vor lauter Detailversessenheit wirkt Ridley Scotts Film besonders anfangs, als ob er dazu diene, das Funktionieren einer hochtechnisierten Marsstation zu demonstrieren, Schulungsfilm, Werbeprospekt oder eine Anleitung für Selbstversorger auf dem Mars. Wobei mir der Zugang zum Gefühl der Schwierigkeitsgrade mangels technischem Wissen über die einzelnen Vorgänge und Zusammenhänge abgeht.

Angesichts der Dimensionen einer solchen Expedition und der Gefahr wirkt ein salopper Satz wie „and we are in business“ nur lächerlich, fehlt nur noch die Fortsetzung „as usual“; tja, wo bleibt da noch der Abenteuerfaktor?

3D ist einmal mehr nur lichtschluckend, bei dem eh wenigen inhaltlichen Geist und ist vollkommen überflüssig, reine Geldmacherei.

Selbstmitleidig hört sich der Satz an: I am looking forward to not dying – aber man hört ihm an, dass er das Drehbuch zu Ende gelesen hat und aus der Misere lebendig herauskommen wird. So wirkt der Satz mehr wie aus einem Überlebenscamp.

Sowieso wirkt die Erzählhaltung, wie das Drehbuch sie bestimmt, anbiedernd, ha ha, jetzt mach ich ein Witzchen, nach dem gelungenen Kartoffelanbau mit Dung aus den verschweißten Exkrementen meiner abgeflogenen Teammitglieder: technically, I colonize Mars.

Nach dem toten Punkt nach einer Stunde wird klar, dass jetzt ein Unglück passieren muss. Tut es zuverlässig. Oder auch lächerlich, besonders im Vergleich zum Jacquet-Film, wie Dammon sich den gesprungenen Helm mit Klebeband repariert.

Zum Thema Robinsonade gibt es einen wunderschönen Hollywood-Vergleich, aus dem ersichtlich wird, wie spannend und grandios so etwas gemacht werden könnte: Robinson Crusoe von Luis Bunuel.