Der Faltenwurf des gelben Seidenkleides über weichem Damenpo ist der Blickfang in diesem Film, wenn besagte Dame, von hinten aus tiefer Perspektive aufgenommen, zielbewusst und gravitätisch die Stufen zur Wiener Staatsoper erklimmt, dann aber nicht im Zuschauerraum, sondern mitten im Bühnenbild landet und gut gedeckt in der Kulisse einen gefährlichen Gegenstand in der Hand hält, der auf den prominentesten Besucher von Turandot, den österreichischen Präsidenten gerichtet ist, diesen mit einem roten Zielfernrohrpunkt markiert. Der Faltenwurf ist der Clou, er hätte Maler wie Matthias Grünewald bestimmt zu weiteren Meisterwerken animiert. Die Trägerin des gelben Kleides, das den Wiener Akt dieses Geheimdienstthrillers von Christopher McQuarrie prägt, ist Rebecca Ferguson als Ilsa Faust und britische Agentin. Der Faltenwurf ihres Seidenkleides ist der Schmetterling, das Furioso in diesem eher von Erdenschwere geprägten Agententhriller.
Ilsa wird uns mit einem Faltenwurf ganz in Schwarz wie ein Scherenschnittspiel nochmal betören, wenn sie im Messer- und Endkampf im flatternden, kleinen Schwarzen einen Muskeltypen anfliegend überwältigt.
Faltenwurf auch bei Tom Cruise als Ethan Hunt, einem weiteren Protagonisten, er vom CIA. Sein Faltenwurf ist weit weniger spektakulär, eher wie ein Postkartengruss aus Marokko an den Faltenwurf aus Wien. Es ist das Flattern seines rot gemusterten Haiwaihemdes auf einer endlosen Motorradverfolgungsfahrt entlang der marokkanischen Küste, nachdem er zusammen mit Simon Pegg als Benji und mit Ilsa die titelgebende Kernaktion, das theoretisch unmögliche Eindringen in ein Höchstsicherheitssystem und den Datenklau erfolgreich zu Ende gebracht hat. Aber selbstverständlich ist es ihm dicht auf den Fersen, das weltumspannende Syndikat, von dessen Existenz bis in die höchsten britisch-amerikanischen Geheimdienstkreise – und seit der NSA-Affäre wissen wir, was die alles wissen wollen und können – keiner so recht eine Kenntnis haben will.
Faltenwurfreminiszenz gegen Ende. Die Giftpfeile, die für den Count-Down von Nutzen sind, sie sehen mit ihren kleinen, flauschigen Fadenbuschköpfen aus wie rote Nelken im Revers, wenn sie in Herzhöhe in die Zielpersonen eingedrungen und dort im Textilen steckengeblieben sind.
Der Film spielt, so viel ist bei aller Faltenwurfbegeisterung bereits klar geworden, im total verseuchten Geheimdienstmilieu. Und natürlich ist die Frage, wer hier wem trauen kann, je länger der Film dauert – und er dauert – und je stärker manche Verbandelungen werden, immer brisanter.
Mit regelmäßigen kleinen Tonfolgen möchte die Tonspur an die Erkennungsmelodie der James-Bond-Filme erinnern, auch die weltweit wechselnden Orte der Handlung von Casablanca über Wien, Langley, London, Kuba geben einen Hinweis. Im Vergleich zu 007 allerdings wirkt dieser Film eher wie Bodenturnen mit Klimmzug-Tom (und entsprechend die Assoziation zum beworbenen Auto aus München), gerade auch in seinem redlichen Bemühen, glaubwürdige, gut-bürgerliche Action aufzufahren, die mehr mit den Muskeln und Kräften der Darsteller oder ihrer Doubles als mit dem Computer angerichtet wird. Wobei Cruise nun nicht gerade ein Agent ist, der einem Anzug Charme verleiht, dagegen arbeiten schon seine Markenzeichen der aufgerissenen Augen und des fast dauerhaft halboffenen Mundes; die sind weder für Humor, für Esprit noch für Eleganz geschaffen.