Unknown User – Unfriended

Dieser internationale Koproduktionsmischling aus USA, Russland, Polen, Deutschland und Puerto Rico, der laut IMDB geschätzte 1 Million Dollar gekostet hat, soll bereits über 30 Millionen eingespielt haben; wobei die Produktionskosten mir noch hoch gegriffen scheinen, denn der Film hat nur eine einzige Einstellung und die ist auf einen Computerbildschirm gerichtet. Die Leinwand als Computerbildschirm – der Bildschirm als Leinwand.

Das ist ein Experiment und ich empfinde es als anstrengend, muss ich im Kino auch noch das haben, was ich eh zuhause schon habe? Wobei ich zuhause ja eingreifen kann, während ich im Kino tatenlos zusehen muss, wie eine Gruppe junger Leute über Skype miteinander redet und durch einen Hacker und einen angeblichen Selbstmord in Aufruhr versetzt werden.

Viel Arbeit muss es für die Übersetzer gegeben haben, denn der Bildschirm ist ständig voll mit Texten, wie sie auf so einem Bildschirm zu finden sind, wenn denn noch Facebook aufgemacht wird oder ein Begriff gegoogelt, so stehen auch all die Randbemerkungen da und frisch gechattete Texte dazu. Immerhin fehlt hier die ekelhafte, algorithmenbedingte Eigenenart des Internets, die dem User noch ständig mit gezielten Anzeigen sein eigenes, individuelles Surfverhalten spiegelt.

Wenn das Kino im Idealfall den Menschen vor die Leinwand setzt, ihm aber durch die Bilder Freiheit und geistigen Abflug ermöglicht, so komme ich mir hier vor, wie in einem Schulungsraum oder vor eine Power-Point-Wand, Kino zum Mitschreiben gewissermaßen, das mich an die schlimmsten Schulzeiten erinnert und mir das Gefühl eines Gefangenen vermittelt, der die Augen überanstrengt.

Immerhin könnte man von Nelson Greaves, der das Buch geschrieben hat und Levan Gabriadze, der die Regie geführt hat, trotzdem den Hut ziehen, dass sie sich auf so ein Experiment eingelassen haben und nicht irgendwie auf Nummer sicher gegangen sind, dass sie sich dieses Stück Alltgagsrealität von Milliarden Menschen vorgenommen haben, wenn auch mich nicht der geringste Grusel überkommen hat, so macht der Film doch auf spezifische Möglichkeiten des Internets aufmerksam.

Das Internet wird hier in seiner ganzen Enge und Fixierung vorgeführt. Und macht bewusst, wie schmerzlich im Kino tote Leinwand, also einfach weiße, statische Fläche ist und der Zuschauer mit seinen Augen wie auf einer Anzeigentafel seine Orientierung sucht. Augengymnastik.

Auch die Tonspur haben sich die Macher billig gemacht, oft nur das Klicken der Tastatur bei der Herstellung von Chat-Texten und gelegentlich etwas Donnergrollen.

Die Wahrhaftigkeit eines solchen Kinos liegt vielleicht darin, dass es ein grausamer Spiegel einer häufigen, realen Lebensituation vieler Menschen inzwischen ist, privat wie am Arbeitsplatz. Eine schmerzhafte Realität, deren Nachvollzug im Kino nicht weniger weh tut; einen gewissen Masochismus im Publikum voraussetzend.

Wobei das Netz nicht der brisanten, interessanten Topoi entbehrt: Versetzen eines Kanals in den Gedenkzustand. Wer hat nicht Facebook-Kontakte, die bereits tot sind?

Eine harte Doku aus dem virtuellen Leben unserer Jugend, wie sie sich im Labyrinth der virtuellen Netzwerke verläuft und verirrt und so eine verzweifelte, virtuelle Gruppendynamik auslöst. Vermittelt im Negativeffekt das Gefühl, als bitte einen ein Bekannter vor seinen Bildschirm und wolle einen mit seinen Problemen belabern.

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