Learning to drive – Fahrstunden fürs Leben (Filmfest München)

Ein hochkultivierter, angenehm unaufdringlicher Mutmacherfilm, ein Lebenshilfefilm für Frauen. Wenn der Ehemann alle sieben Jahre den Rappel kriegt und fremd geht, so ist das dreimal in 21 Jahren, und wenn er dann noch die Scheidung einreicht, weil ihm eine Studentin den Kopf verdreht hat, kein Problem, die Gattin Wendy, die zierliche Schauspielerin Patricia Clarkson, lässt den Kopf nicht hängen.

Wenn Wendy später eine Nacht mit einem Banker verbringt, der sich auf tantrischen Sex ohne Ejakulation spezialisiert hat, so kann auch das geändert werden, am Donnerstag schafft er es.

Wenn im Supermarkt eine fette, arrogante Verkäuferin sich weigert, der indischen Kundin zu sagen, wo sich die Damenbinden befinden, so muss man nur etwas laut werden und dann erfährt man es ganz schnell.

Das Thema Wohnungseinrichtung wird gestreift, ob hell, ob dunkel, das ist so eine Grundsatzfrage. Sowieso ist es vielleicht gscheiter Autofahren zu lernen, auch wenn man schon in vorgerücktem Alter ist, auch das ist bewältigbar, so könnte Wendy ihre Schwester, die die Natur liebt und ein bäuerliches Leben in Connecticut führt, von New York aus besuchen.

New York ist nicht von allen guten Geistern verlassen, selbst wenn der Gatte ein Trottel ist. Aber es gibt den Taxifahrer und Fahrlehrer Darwan, Ben Kingsley, der einen proletarischen Seelenmasseur und Über-Gandhi spielt („Gott will, dass niemand allein ist“).

Der Hormon-Upgrade ist ein weiteres Thema, der Ratschlag stammt von der Schwester aus Connecticut. Auch die „arranged marriage“ wird diskutiert am Beispiel Darwan, dumm nur, wenn die Frau ungebildet ist, die aus Indien geschickt wird, das illustriert eine schöne Vorleseszene; aus dem TV lernt sie beim Wäschebügeln Englisch, glaubt sie, doch Pe – li – Gro ist Spanisch. Aber für Wendy hat Darwan die richtigen Sätze parat, damit sie ihr Leben wieder in Griff kriegt. Und die Bindengeschichte im Supermarkt bringt die ungebildete Gattin von Darwan in Kontakt mit anderen Frauen und löst sie aus ihrer Isolation.

Isabel Coixet hat nach einem Drehbuch von Sarah Kernochan in feiner Staatstheatermanier inszeniert, jedes Wort ist zu verstehen und als Würze gibt es Einsprengsel von indischer Religionsfolklore oder die Rede von der „nostalgie de la bou“, der Sehnsucht nach dem Schmutz.

Die Zupfmusik unter dem Film singt im Kanon: „es ist zu schaffen“.

Wie die Stecknadel in diesem Heuhaufen aus Lebensproblemchen findet sich ganz versteckt eine hübsche Definition von Literaturkritik, denn Wendy ist Literaturkritikerin. Ein Bewunderer meint, wenn er eine ihrer Kritiken gelesen habe, dann habe er das Gefühl, er habe das Buch gelesen.

Wunderschöne Szene wie Wendy zum zweiten Mal zur Fahrprüfung antritt, als ob das „ridicule“ sei, legt sie einen einmalig beschwingten Zwiespalt in ihrem Gang.

Die Moral von der Geschichte, von Wendy zu Darwan: „don’t fuck with me, the trouble is, you’re a good man.“

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