Becks letzter Sommer (Filmfest München)

Nicht unsympathisch, was sich die Mannschaft um den Regisseur Frieder Wittich vorgenommen hat, den Roman gleichen Titels von Benedict Wells zu verfilmen, Drehbuch von Frieder Wittich und Oliver Ziegenbalg. Es geht um einen Lehrer in der Krise. Er stand am Anfang einer verheißungsvollen Musikerkarriere, die jedoch zerbrochen ist; so hat er denn das Los eines Schullehrers gezogen. Bis er einen Schüler mit Talenten entdeckt und für den die Karriere schmieden will. Auf jeden Fall der Stoff für einen Kinofilm.

Budapest und Bukarest sind gefährliche Städte, Istanbul hat gepflegte Krankenhäuser, Schwarze tendieren zum Drogenhandel, ein Drogenrausch kann zu Erkenntnissen führen und die Musikindustrie ist nicht fair, der Lehrerjob frustrierend, Songs schreiben und in einer Band spielen macht glücklich. So könnte man das Fazit aus diesem Film auch beschreiben und der pädagogische Eros muss auch kein Glück bringen.

Das alles und noch mehr, wie die irrsinnig schnell passierende Liebe zu einer Frau bei gleichzeitiger Abwehr gegen die Anmache einer Schülerin, das muss Christian Ulmen als Titelfigur Robert Beck spielen, der doch viel lieber Robert genannt würde als Herr Beck.

Es kann durchaus als Gewinn für den Film betrachtet werden, dass Ulmen als Lösung für die Anfangsphase des Filmes die Ruhe, das unbewegte Gesicht wählt. So sitzt er oft da, spielt vielleicht mit einem Finger mit einem Kugelschreiber, signalisiert eine gewisse Nervosität, was aber gar nicht nötig wäre. So weckt er jedenfalls gleich das Zuschauerinteresse, was ist los mit dieser Figur, der hinten in der Klasse sitzt, sich ab und an eine Notiz zu einem Schüler macht.

Für seine Struktur greift der Film auf das Bild einer Schallplatte zurück, Seite A und Seite B sind die beiden Kapitel, das wird in der Zwischentitelung graphisch eindeutig verdeutlicht.

So könnte man von zwei Filmen sprechen. Im ersten entdeckt Beck den Schüler Rauli Kantas; der Este Nahuel Pérez Biscayart hat ein markantes Filmgesicht und auch eine mindestens passable Gesangsstimme. An ihn knüpft der Lehrer seine Hoffnung, will mit ihm eine Schallplatte heausbringen, er selber will die Songs dazu schreiben und bei Universal rauskommen, denn er kennt den Manager Holger Gersch (Fabian Hinrichs verzichtet darauf, diese Figur mit darstellerisch ergiebigen Schikanen auszustatten) von früher her. Doch der will nur das Talent und nicht den Lehrer. Becks große Pläne sind gefährdet. Auf Seite B erzählt der Film von einer Türkeireise, wandelt sich zum Road-Movie. Denn der dritte im Bunde der Hauptfiguren, Eugene Boateng als Charlie Aguobe, möchte nach Istanbul. Er ist auch so ein Schützling von Beck und bringt super darstellerischen Power und Leben in die sonst eher behagliche Film-Bude.

Romanadaption fü einen Film hat den Vorteil, dass der Stoff schon vorgeknetet ist, verführt aber zu der Bequemlichkeit, diesen nicht radikal genug unterm Gesichtspunkt des Funktionierens im Kino weiterzukneten. Sich gründlich zu fragen, wie der Zuschauer, der anfangs als leeres Blatt anzuznehmen ist, mit Informationen gefüttert wird, die geeignet sind, einen Spannungsobgen zu erzeugen. Was hier anfangs durchaus gegeben ist.

Aber dann schneit Rauli rein und entwickelt, das ist ja prima, Eigenleben. Und dann Charlie. Und auch der verdient Subjekt-Interesse. Und wie er dann im zweiten Teil den Gang der Dinge bestimmt, da droht dem Zuschauer der Faden verloren zu gehen. Beck ist unterwegs plötzlich zum alten Christian Ulmen geworden. Es ist auch nicht ganz klar, wieso er diese Null-Komma-plötzlich-Reise überhaupt mitmacht und wieso Rauli auch mitfährt. Charlie hat ja nur erzählt, seiner Mutter würde es schlecht gehen. Der Film wechselt jetzt ständig den Hauptrollenprimat, was den Genuss merklich erschwert, trotz cooler Professionalität und Enthusiasmus auf den überwiegenden Zahl der Positionen der Gewerke. Das führt zu Rucklichkeiten im Erzählverlauf, kaum ist der Plan mit dem Konzert besprochen, schon findet es statt. Liebesgeschichten, die kaum anskizziert werden. Für den großen Erfolg im Kino müsste die Beckfigur deutlich gründlicher studiert werden, sowohl vom Drehbuch als auch vom Darsteller her.

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