Hirschen – Da machst was mit!

Es gibt Filme, da macht es durchaus Sinn, einen Satz oder zwei über die Hintergründe zu verlieren.
George Inici, der Autor, Regisseur, Produzent und auch einer der Protagonisten in seinem Film, ist von Hause aus Schauspieler. Seine Rollen laut IMDb waren unter anderem: Bodyguard, Dieb, Punk, Häftling, Türkischer Soldat, Türsteher und so weiter über 30 mal, die üblichen Typecasting-Geschichten einer vorgeblich professionellen Castingbranche. Welche Talentverschwendung kann man da nach „Hirschen“ nur sagen.

Inci war nicht glücklich über diese pseudoprofessionelle, vorurteilslastige Besetzungspoltik, fing selber an Filme zu machen. Und da ihn keiner fördern wollte, packte er es selber an, „Self-made“ statt zu jammern. Wobei für ihn das Wichtigste die Geschichte ist. Und dass er eine Geschichte entwickeln und inszenieren kann, das beweist er mit diesem Film.

Das Geschichtenerzählen ist einer der Kerne des Kinos und in Deutschland nach wie vor das schmerzhafteste Defizit. Worum geht es also in „Hirschen“, den Inci mit Beatrice von Moreau, die auch eine der Hauptrollen spielt, produziert hat?

Einem Tiroler Bergdorf bricht die wirtschaftliche Basis weg. Der Fabrikant Schlotter schließt seinen Betrieb und haut ab. Viele Bewohner machen es ihm nach. Einige wollen es sich nicht bieten lassen. Wie in „Ganz oder gar nicht“ suchen sie Ideen, wie sie gegen die sich ausbreitende Depression etwas unternehmen können. Die Antwort, die ist klamottenhaft wie das Hirschenkostüm, was eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der „Geschäftsidee“ spielen wird.

Ein Verkehrsunfall mit einem Hirsch bringt den Bewohnern die Erkenntnis, dass die Unfallopfer eine Zeit im Dorf verbringen, bis nämlich das Auto repariert ist. Das bringt Arbeit für die Werkstatt und Umsatz für das Gewerbe. Wenn es nun mehr solcher Unfälle gäbe, würden mehr Leute einige Zeit im Dorf verbringen und da auch Geld ausgeben, so die Spekulation.

Da Hirsche nicht dressierbar sind, müssen zwei Männer den Hirsch in diesen faschingshaften Woll-Kostümen spielen, um die Autofahrer von der abschüssigen Fahrbahn abzubringen; am Rand werden Strohballen zur Vermeidung von Totalschäden aufgebaut.

Die Zirkusnummer auf der Straße funktioniert so gut, dass das Dorf bald eine einzige Ansammlung von Patienten mit Kopfverbänden ist. Gleichzeitig ist der Geothermieexplorant Gandhi (dieses Namenspathos sei dem sympathischen Regisseur und Darsteller gegönnt) eingetroffen. Es geht um den Bau einer Forschungsstation und somit um Zukunftshoffnung.

Die auffällige Häufung von Wildunfällen in der Ortschaft „Hirschen“ bleibt jedoch andernorts nicht unbemerkt. Weitere Spieler tauchen auf und die Komplikationen können beginnen.

Was als starker Punkt keck von der Leinwand runterspringt, das ist das zweite Gewicht, das Inci im Kino sieht: Bewegung, movie kommt von to move, bewegen. Er lässt seine Darsteller mit großer Körperlichkeit und ebensolchem Spaß daran agieren in einer Art ursprünglicher Commedia-del-Arte, was viel komische Wirkungen erzielt und immer wieder unterhaltsam rüberkommt, im Sinne eines originären Volkstheaters, eine Wohltat gegen die vom Zaun gebrochene, meist alberne TV-Komik, die sich im dominierenden Pfründenkino breitmacht. Das Gros der Darsteller, so steht es im Presseheft, stammt aus der Volkstheatergruppe des Drehortes Außervillgraten in Österreich, ein Glücksfall von Cast, der die ganze Begeisterung und schön urigen Dialekt ungekünstelt rüberbringt.

Auch bei der Vertonung kennt Inci keine Hemmung, immer das Röhren der Hirsche im Hinterkopf und selbstverständlich im Fokloremusimodus. Und noch eine Stärke seiner Inszenierung: er lässt den Figuren Zeit, Zeit zum Nachdenken, Zeit für Entscheidungen und Unsicherheit, was immer spannend rüberkommt und den Zuschauer ungehindert teilhaben lässt.

Im Hinblick auf einen allfälligen Verkaufserfolg wäre Inci allerdings zu raten, mithilfe eines professionellen Cutters noch eine etwas gestraftere Fassung des Filmes herzustellen.

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