Nur eine Stunde Ruhe

Und wieder eine Kinoblüte, wie eine Königin der Nacht, die so nur in der französischen Filmkultur gedeihen kann. Ein eher seltenes Genre mit Einsprengseln à la Gott des Gemetzels, vor allem jedoch der Flash auf eine kleine Alltags-Situation eines Menschen.

Der vielbeschäftigte Zahnarzt Michel, Christian Clavier, findet im Trubel der Stadt eine Schallplatte, die er lang gesucht hat, eine nostalgische, die er jetzt in Ruhe anhören möchte. Er wird nicht dazu kommen. Ständig passieren Störungen.

Die exaltierte Spanierin Marie will staubsaugen. Ein vermeintlich polnischer Arbeiter soll eine Zimmerwand im ehemaligen Kinderzimmer von Sohn Sebastian niederreißen. Über der Wohnung hat der Sohn in seiner aktuellen Mansardenwohnung eine lärmige, asiatische Flüchtlingsfamilie aufgenommen. Einem Nachbarn ist die Mikrowelle ausgefallen, für ihn soll Michel den Babybrei aufwärmen. Ständig will seine beste Freundin ihn anrufen, mit der er ein Verhältnis hat. Schon in der Stadt ist er nicht zur Ruhe gekommen vor Anrufen und Begegnungen. Ein Patient ist unzufrieden mit einem Implantat. Der Sohn kommt nach Hause, will die Wäsche gewaschen haben. Seine Frau will ein Bad nehmen. Die Bauarbeiten führen zu einem Rohrbruch. Da die Wettervorhersage schlecht ist, verlegt der Nachbar die Hausparty in seine Wohnung und wie es von der Decke anfängt zu tropfen, entscheiden sich die Gäste für die darüber liegende Wohnung; jetzt hat Michel die Bude voll und auch die Geliebte steht vor der Tür. Ihm bricht seine Welt zusammen wie in No Turning Back, hier aber in einem riesigen Chaos und einer überbordenden, rauschhaften Gemengelage, denn auch seine Frau hat noch ein Geständnis zu machen.

79 turbulente Minuten voller Charme und Pointen, Tempo, Temperament und Humor und trotzdem Katastrophe über Katastrophe. Dabei ist Monsieur Leproux, wie Michel zum Familiennamen heißt, doch so voller Freude und Begeisterung und Pep, wie er sich auf das Einrichten seiner Ruhestunde freut und vorbereitet.

Die Schallplatte, die soviel Ruhe bräuchte, heißt neckischerweise „Me, Myself and I“, die ihm „the verge of a golden moment“, so der englische Untertitel des Satzes, gönnen und ermöglichen soll. Als ob sie es spüre, bricht wie ein Tsunami die Umwelt über den Armen herein und vermiest ihm seine Genusstunde. Das ist nicht die große, tiefe Geschichte, hier ist aus einer kleinen Alltäglichkeit ein perlender Cocktail gemixt.

Michel ist smart, temperamentvoll, jovial, er lächelt, er sieht souverän aus und er möchte nur eine Stunde Ruhe genießen. Ist das so schwer, die einem Zahnarzt zu gönnen?

Dessau Dancers

Dieser Film von Jan Martin Scharf, zu dem die Vielschreiberin Ruth Thoma das Drehbuch nach Ideen der Produzentin Jana Velber und des Regisseurs Jan Martin Scharf beigesteuert hat, dokumentiert mehr die Schnellkochtopf-Drehbuch-Rezepturen der Autorin Ruth Thoma denn das vorgebliche Thema „Breakdance und die DDR“; der Infogehalt darüber beschränkt sich darauf, dass die Jugend der DDR sich aus dem amerikanischen Kino und dem Fernsehen von dem Tanz mit seinen fließenden und ebenso hackigen Bewegungen hat anstecken lassen (Film „Beat Street“) und ihn auf den Straßen praktiziert.

Der Staat will nicht ohnmächtig einer unabhängigen Jugendbewegung zuschauen, sondern möchte den Tanz in die SDJ integrieren und dadurch kontrollieren. Einen solchen Vorgang in der DDR hat 2012 der Dokumentarfilm This Ain’t California eindrücklich über das Skateboarden informativ geschildert.

Hier erfindet die Autorin Thoma eine Gruppe von 3 Jungs und einem Mädchen, die den Weg von der Straße unter die Auspzien der Staatspartei bis in die berühmte Sendung „Ein Kessel Buntes“ schafft. Sie schreibt ihnen so viel Zivilcourage bis Wahnsinn zu, dass sie in der Live-Sendung die goldenen Show-Jacketts ausziehen, Strip machen und den Tanz in Unterhosen bis zur Abschaltung der Sendung und unter johlendem Applaus des Publikums durchziehen.

Weil sie ihr Missbehagen an der Glitzerschow so zum Ausdruck gebracht haben, ist Schluss mit der Karriere, aber bei Frau Thoma werden sie, weil sie ehrlich und widerständig waren, alle glücklich. Andererseits ist die Zivilcourage, die sie aufbringen in der Thoma-weichgekochten DDR keine besondere Mutprobe.

Kein Thomafilm ohne klischeehafte Liebesgeschichte. Die zwei Freunde Alex und Frank erblicken beim Turntraining in der gleichen Sekunde den Neuzugang einer Blondine ohne weitere Charakterisierung, außer dass sie selbstverständlich eine Spitzensportlerin ist, und verlieben sich augenblicks. Der Zuschauer soll jetzt gefesselt werden durch die Frage, welcher von beiden die Klischeefrau als erster oder gar als einziger ins Bett kriegt. Dem wollen die beiden Freunde einen Riegel vorschieben, indem sie sich schwören, die Finger von der Vorzeigeblondine zu lassen, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden.

Von Frank haben wir bis dahin immerhin erfahren, dass er allein mit seinem DDR-Klischee-Vater („Du musst erwachsen werden“) zusammenlebt, dass die Mutter vor einigen Jahren gestorben ist und er einen Bedarf an Frauen hat, nicht differenziert, nur so als Klischee.

Noch weniger erfahren wir von Alex: über ihn und seinen Background und seinen Charakter: gar nichts. Deshalb darf er, wenn nach einer Stunde im 90-Minüter gut gesetzt die große Krise kommt, als Anpasser die Geschichte wieder in Fahrt bringen.

Von Martina erfahren wir, dass sie in der DDR-Nationalmannschaft im Olmypiateam in Moskau war, dass sie aber rausgeschmißen worden ist, weil sie keine Anpasserin ist; blonde Heldin. Es gibt noch einen vierten, etwas kleineren in der Gruppe. Der scheint reines Füllmaterial zu sein, aber ein guter Tänzer ist er, der Vollständigkeit halber hinzugenommen, ohne Background und Charakterisierung, ohne Grundkonflikt.

Dieser Film ist so süß und nahrhaft wie der gebackene Apfelkuchen von Franks Nachbarin Frau Fuchs.

Zum Schnellkochrezept von Frau Thomas Liebesstory gehört selbstverständlich, dass kaum haben sich die beiden Freunde in die Blondine verliebt, diese inniglich einen Volksarmisten begrüßt und den beiden als ihren Freund Sebastian vorstellt. Klischee ohne weitere Bedeutung. Ohne Differenzierung, nichtssagend, Filmzeit neben dem Thema vergeudend. Immerhin ist der trostolose Charme des DDR-Settings in der Szene, in der die Truppe vor den karikaturhaften Parteibonzen vortanzen muss, zum Heulen schön.

Frau Thoma will, so scheint es, dem Publikum keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der DDR zumuten. Irgendwie scheint sie dem Publikum ständig zuzuzwinkern, das ist alles nicht so tragisch, es wird alles gut. Fast hätten wirs vergessen: die Tanznummern sind durchaus ansehnlich. Aber die Musik dröhnt manchmal mit zu viel Überhall drauf.

Menschen also solche Klischeefiguren zu zeichnen dürfte genau konträr zum demokratischen Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes stehen, für den hier Stefanie Groß für den SWR und Andrea Hanke für den WDR redaktionelle Verantwortung tragen.

Filme mit Drehbuch von Ruth Thoma:
Der Koch
Einmal Hans mit scharfer Sauce
3096 Tage

A Blast – Ausbruch

Widerborstiges aus Hellas. Mit Leck-Mich-Stimmung, übertrieben hysterisch, mit Fluchen und Bashing der ökonomischen Scheiße und der Familie dem Mann den Abschied geben und nach actionhafter Flucht im SUV vor Polizeiverfolgung inklusive Beinah-Frontal-Crash als gemütlicher Wandervogel der Küste entlang wandern, wohin auch immer. So löst die griechische Frau heutzutage ihre Probleme.

Die Hellenen hat der Galgenhumor gepackt. Genießbar und verdaulich ist das nicht unbedingt.

Syllas Tzoumerkas will mit diesem Film, in den auch deutsches Geld eingeflossen ist, zeigen, wie sich eine Frau aus der Misere, aus der Kacke, der griechischen, befreit.

Schuld ist die Gesamtlage in Griechenland, dass diese Frau nicht zurecht kommt. In einer wilden Autofahrt flieht sie vor dem Elend, der Familie. Das ist die aktuelle Story. Dazwischen schneidet der Regisseur ganz wild durcheinander als eine Art Stream-of-Consciousness Episoden aus dem Leben der Hauptdarstellerin Maria, um zu begründen, wie es zu diesem Verzweiflungs- und Befreiungsakt kam. Der passiert andererseits wiederum sehr kalkuliert.

Maria schmeißt das Handy, das die Verbindung zu ihrem Mann, Yannis dem Schiffskapitän, noch hätte halten können, aus dem Auto auf die Autobahn. Dann liefert sie die Kinder bei ihrer Schwester Gogo ab und verdrischt deren Mann, einen dicklichen Müllarbeiter, platziert ihm ein Veilchen unterm Auge. Ja, ja die Sitten sind rau im von Europa vernachlässigten Griechenland und überhaupt ist das Volk, was Tzoumerkas zeigt, vor allem grob, schlägert und flucht ständig und sonst noch sexbesessen und sie machen Schulden und zünden Wälder an, um legal in Verbotsgebieten bauen zu können, also der Schwager soll die Finger von den Kindern lassen, auch darauf muss extra hingewiesen werden. Derweil verlustiert Marias Mann sich mit seinem Kabinengenossen auf Hoher See.

Die Sexszenen zwischen Maria und ihrem Mann aus dem Strom der Erinnerungen sind inszeniert wie in einem billigen Sexfilm.

Maria hatte ein Studium begonnen, dies aber abgebrochen, ihre Eltern haben einen kleinen Laden betrieben, für den sie unentbehrlich war. Zu ihrer Schwester hat sie ein grob, kaltschnäuzig-fluchendes Verhältnis. Überhaupt agiert Maria generell overacted und genervt.

Der Film belegt überdeutlich, dass es um Griechenland beschissen steht, und dass Geld in griechische Filme zu stecken, noch dazu von deutschen Zwangsgebührenentrichtern, so viel wie Eulen nach Athen tragen heißt, verlorenes Kapital. Dank dem deutschen Geld musste eine völlig sinnfreie Szene in Hamburg gedreht werden.

Wir dürfen in diesem Film einer schlägernden, fluchenden Frau zu schauen, wie sie im Leben nicht zurecht kommt. Und schuld sind die Verhältnisse.

Das Glück an meiner Seite

Das amerikanische Kino als hochmoralische Anstalt zelebriert gekonnt eine Liturgie zum Thema ALS.

In der bewährten und bekannten Art des amerikanischen Moralkinos haben hier die Autoren Shana Feste und Jordan Roberts den Stoff aus dem Roman von Michelle Wildgen zu einer Art Filmliturgie designt, die mehr einer bebildertenl, ethischen Lehrstunde mit Figuren von ganz klar und simpel definierten Positionen gleicht als einem Bericht aus dem Leben oder einer Abenteuergeschichte, aber immer wieder mit ziemlichem Schlenker in Richtung Romantic-Comedy und des Feelgoodmovies als Anbiederung ans Publikum und Erträglichmachung der Moral mit der entsprechenden Musik dazu, welche ansonsten angenehm dezent eingesetzt wird.

Die Regie von George C. Wolfe trägt das ihre bei zur Schablonenhaftigkeit und dem stylish gepflegten Design, mit der die Menschen sich anhand der Diagnose ALS verhalten. Diese Diagnose wird gestellt bei der bekannten Pianistin Kate, Hilary Swank, bald nach ihrem 35. Geburtstag. Sie ist das Opfer. Ihr Mann ist das geleckte Weichei und ein Fremdgänger dazu.

Mit Bec, Emmy Rossum, als Pflegerin, tritt ein lebenspraktisches Luder in ihren Dienst, das den Job ganz pragmatisch angeht und das Leiden der Pianistin erträglich macht. Erwartbar, dass die beiden dicke Freundinnen werden. Während die übrige Verwandtschaft von Kate, superreiche Verhältnisse wie es scheint, sie erst spät im Film wie einen Einrichtungsgegenstand in ihr Haus aufnehmen und innigste Mutterschaft und Verantwortung simulieren, die so nie da gewesen sind und nie da sein werden. Wie das Klischee es so will.

Mit ihrer Darstellung dieser Patientin hat sich Hilary Swank der schweren Konkurrenz von Eddie Redmayne als Stephen Hawking in Die Entdeckung der Unendlichkeit und der von Julianne Morre in Still Alice (hier geht es allerdings um Alzheimer) gestellt. Hierbei scheint Hillary Swank nicht ganz die Konsequenz der Krankheitsentwicklung durchzuziehen; noch im fortgeschrittenen Zustand der Krankheit verfügt sie über erstaunlich viel Artikulationsvermögen und Mimik und auch im übrigen Körper ist noch viel Bewegung drin.

Das Design des Filmes wirkt grobschlächtig, geleckt das Haus von Kate und ihrem Mann, wie für eine Inneneinrichtungswerbung.

Graphische Entwicklung der Story.
Überdeutlichkeit: wie verlottert Bec, Abkürzung für Rebecca, ist, zeigt das verschrumpelte Curriculum Vitae, das sie beim Vorstellungsgespräch aus ihrer Tasche zieht. Vorbereitung für die spätere Moral: das Nicht-Geleckte muss nicht das Schlechte sein. Das kommt mir so graphisch vor, weil sich die Story nicht für die Charaktere der Figuren interessiert, sondern nur darum, ihre moralische Position und Wertigkeit zu definieren, was sie zwar schnell, schmerzlos, gründlich und gekonnt durchzieht; nur kann dadurch kein Interesse für die Figuren entstehen.

Als Beispielschilderung das Funk-Fan-Paar, mit der Frau Marilyn und ihr Gatte John bei ihrer Beerdigung das Schlusswort, das Schlussgebet, das für den ganzen Film und seine Moral gilt, sprechen wird. Bec wird als ein Musterbeispiel dafür hergenommen, dass formales Scheitern bei Schul- und Lehrabschlüssen noch lange nicht Scheitern im Leben heißt. Während das Geleckte der Pianistenfamilie noch lange nicht Glück bedeutet. Ganz nebenbei wird, als fachlicher Beitrag, auch noch das Thema Patientenverfügung verhandelt.

So zelebrieren die Amis ihr Unglück, sie ist meine Tochter, hochmelodramatisch. Der Abschied vom Film und vom Leben fällt so schwer und zieht sich und zieht sich. Das amerikanische Kino als Kirche, als moralische Heilanstalt. Schematismus gleich Liturgie.

Top Five

So richtig glücklich ist auf dieser herzlich und temperamentvoll gut bevölkerten Leinwand keiner.

Obwohl oder vielleicht gerade weil es sich um einen weiteren Film handelt, der aus dem Nähkästchen des Films, des Showbusiness erzählt. Er ist aber nicht zynisch, wie David Cronenberg mit seinen Maps to the Stars oder so hochgebürstet wie Birdman von Inarritu, dieser Film betreibt nicht Branchenbashing, kommt aufrichtig daher wie ein ehrlich gemeinter Bericht, gar wie eine Beichte.

Christ Rock, der auch das Buch geschrieben hat und die Regie führt, spielt den Comedian und Filmstar Andre Allen. Er ist unglücklich, weil er immer nur als Comedian gefragt ist. Glücklich ist er vielleicht insoweit, als er nach Exzessen vom Alkohol losgekommen ist. Dafür ist ausgerechnet sein Braut zuständig, nimmt es für sich in Anspruch, die sich später als richtiges Dummchen-Weibchen outen wird.

Als großer PR-Event wird gerade die Hochzeit geplant. Ehrlichkeit: seine Braut, Erica Long als Gabrielle, legt an einer Stelle ein Geständnis ab, das jedes Klischee von der Frau, die als Frau Karriere machen möchte, als Ehefrau eines Promis, bestätigt: sie sei doch nichts, sie könne nichts, keine Jokes machen, keine Rollen spielen, das einzige was sie könne, sei, ihrem Mann einen zu blasen. So banal wie wahr möglicherweise.

Parallel zur Vorbereitung auf die Hochzeit möchte eine Journalistin der New York Times, Rosario Dawsen als Chelsea Brown (die bitterböse Variante von Filmkritikerin war im „Birdman“ zu sichten) möchte einen Bericht über Allen anfertigen, ein Interview über Tage, die sie mit ihm verbringt, einen grundehrlichen Bericht, der radikal offen ist.

Dabei droht an einer Stelle das aufdringliche Interviewer-Recherche-Verhältnis zu kippen, übermannt die Journalistin das weinende Elend, wie sie im Kino ihren vermeintlichen Freund, Ex-Freund trifft, und sich herauststellt, dass er wohl gay ist. Dem will jetzt plötzlich Allen auf den Grund gehen und bekommt tiefe Einblicke in das Unglück der Pressedame.

Er selber fabriziert einen Skandal, nachdem er nach einer intimen Annäherung an die Journalistin auf einer Toilette entedeckt hat, dass sie jener James Nielson was, der ihn gestalkt und bedroht hat. Daraufhin ist er geknickt, wird in einem Supermarkt vor dem Bierregal erst rückfällig und wie er an der Kasse einer mexikanischen Bierwerbung ansichtig wird, die auf seine Hammy-Beer Figur Bezug nimmt, bekommt er einen Tobsuchtsanfall, landet im Knast und erhält gewaltige Publicity.

Chris Rock möchte sich hier als ernsthaften Künstler präsentieren, wobei sein Comedy-Talent, wie es in der ersten langen Szene auf einem Spaziergang durch New York mit der Journalistin vor Jokes nur so sprüht, also sein Comedy-Talent scheint doch sein einmaliges Talent zu sein. Da ist er faszinierend.

Chris Rock haben Prominente von Adam Sandler bis Whoopi Goldberg bei diesem Autorenprojekt mit kleinen Auftritten unterstützt. Allerdings gilt wohl: Ehrlichkeit zündet weniger als spritzige Comedy. So einen Auftritt liefert er uns noch im Comedy Cellar, wo er mit Chelsea in der Mercedes-Limousine vorfährt und er spontan einen Auftritt wie in früheren Zeiten liefert, ein Joke folgt nahtlos auf den nächsten und die Gürtellinie wird auch bald von unten betrachtet. Ist sicher unterhaltsamer als die Selbstbespiegelung von Wim Wenders in Everything will be fine. Andererseits hat solche Bemühung um ehrlich gemeinte Selbstoffenbarung immer auch etwas Anrührendes, fast etwas Niedliches; stellt die Frage nach der Möglichkeit von Wahrhaftigkeit im ShowBiz.

The Pyramid – Grab des Grauens

Vielleicht muss man sich das so vorstellen: Daniel Meersand und Nick Simon, die Drehbuchautoren dieses amerikanischen Horrostreifens, saßen eines Tages gelangweilt da und dachten sich, sie möchten das Buch zu einem Horrorfilm schreiben, der auf den Klaustrophobie-Nerv zielt. Einen Film wie Buried – Lebendig begraben, den gibt es schon und der war so gut, der ist so nicht zu toppen, ein ganzer Film nur über einen Menschen in einem Sarg, der nicht erlöst wird.

Aber die Pyramiden, wer schon mal in einer drin gewesen ist und dann von einem Führer noch haarklein den Mechanismus erklärt bekommen hat, der hinter den Dienern, die den Sarg bewachen sollten, einen Felsblock auslöste, der den Eingang, der der einzige Ausgang wäre, verriegelte, und wer zudem noch über das Belüftungssystem informiert worden ist und also weiß, die werden nicht so schnell mangels Sauerstoff sterben, denn Essenvorräte sind ihnen auch mitgegeben worden, der kann sich vorstellen, dass so ein Pyramideninneres nichts für schwache Nerven ist.

Darauf müssen unsere Drehbuchautoren abgezielt haben, auf so einen Kitzel. Sie entscheiden sich für eine kleine Gruppe von Archäologen, die in der Nähe von Kairo in der Wüste eine unbekannte, dreiseitige Pyramide entdeckt hat.

Das spielt im August 2013. Das ist ganz wichtig, denn dadurch kann mit einem Schwenk über Kairo, wo gerade schlimme Unruhen wüten und schwarze Wolken zum Himmel steigen, eine zeitgeschichtliche Verankerung stattfinden, die die Glaubwürdigkeit der Geschichte insinuieren soll.

Die Figuren, die nicht näher charakterisiert werden, am ehesten durch das Feeling von Urlaub und Leichtigkeit, das sie verbreiten, werden in ihrer gemütlichen Graberei unterbrochen, weil ein Soldat wie ein Schrank mit gestrecktem Zeigefinger auf arabisch rumfuchtelt, sie müssten bis morgen Abend die Grabungsstätte verlassen wegen der Unruhen in Ägypten.

Das wollen die Archäologen auch tun. Allerdings fährt ein Kameraroboter noch schnell in eine begehbare Kammer ein, die sie eben noch gefunden haben. Plötzlich bricht die Verbindung ab. Jetzt gehen die Archäologengrupe in diese unbekannte, unerforschte Pyramide, in der seit Tausenden von Jahren kein Mensch gewesen ist, um den Kameraroboter zu suchen.

Nach dem langen Vorspiel haben die Autoren ihre Protagonisten endlich da, wo sie sie haben wollen und Grégory Levasseur kann seine Regie in diesem Pyramideninneren fortführen, in dem nun Überaschungen auf die Akteure warten, die aber leider alle in keiner Weise eingeführt oder nachvollziehbar sind. Der Zuschauer weiß genau so wenig wie die schreibenden und stolpernden und fallenden und kriechenden Darsteller und muss sich aus den Wackelbildern der fakedokumentarischen Kamera seinen eigenen Reim draus machen.

Abspannsong singt etwas von „prepare my grave“ und „no way out“.

10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?

Wie soll dieser Planet in absehbarer Zeit 10 Milliarden Menschen ernähren?
Das fragt sich der Dokumentarist Valentin Thurn, der mit Sebastian Stobbe das Drehbuch geschrieben hat. Er gibt die Antwort gleich selbst, leicht verdaulich und schmackhaft angerichtet: nur durch nachhaltige, solidarische Landwirtschaft, die sich von der industriellen Nahrungsmittelerzeugung abkoppelt.

Für die beiden im Nahrungswettbewerb widersprüchlichen Positionen hat Thurn weltweit einige Player aufgesucht und deren Bilder und Thesen in kurzweiliger Art einander gegenüber gestellt, ohne dass sich der Zuschauer mit einem Konflikt konfrontiert sähe.

Die Vertreter der Nahrungsmittelindustrie kommen nicht gut weg, obwohl Thurn sie nicht denunziert; sie desavouieren sich selbst mit ihren Statements. Denn wer, wie der weiße Sojagroßbauer in Afrika sagt, die Nachhaltigkeit zeige sich im Profit, der beweist seine Kurzsichtigkeit selbst.

Andererseits, wer industriell arbeitet, der will Profit. Und er sagt es vielleicht so, dass man ihn leichter moralisch ablehnen kann, als wenn der Ökobauer sagt, dass seine Landwirtschaft sich rechnen müsse.

Auf der Industrieseite gibt es Einblicke in die Nahrungsmittelforschung bei Bayer, die mehr Patente auf Leben besitze als der vielgescholtene Monsanto-Konzern, Einblick in eine japanische Nahrungsmittelproduktion, die unter Laborbedingungen, denn Erde ist schmutzig und voller Bakterien, Gemüse herstellt. Thurn lässt einen Forscher zu Wort kommen, der aus Stammzellen Fleisch züchtet. Er wird anschließend einen von ihm hergestellten Hamburger verzehren, der 250’000 Euro gekostet hat. Dafür scheint er ihm allerdings nicht sonderlich zu munden. Genveränderten Lachs bekommen wir zu sehen oder appetitabschreckende Einblicke in die größte Hühnerfabrik Indiens.

Die Guten, das sind in diesem Film ein Ökofarmer, Felix Prinz zu Löwenstein, der auf Öko umstellen konnte, weil er einen Stall nur für 50 Kühe hatte, der bekannte Ökolandwirt Schweisfurth aus Glonn, der mit Mischhaltung von Hühnern, Kühen und Schweinen auch versucht, seinen Ertrag zu maximieren, Mary Clear, eine Aktivistin, die in der Stadt überall Essbares anpflanzen will, Kusum Misra, eine indische Getreisamensammlerin, wovon es immer mehr gibt oder die Afrikanerin Katerina Alberto, die in ihrer Region den Gemüsbeau mit Nachahmungseffekten eingeführt hat.

Die These gegen die industrielle Landwirtschaft wird des weiteren gestützt mit dem Argument, dass der Abbau von Kali zur Herstellung von Dünger in absehbarer Zeit zu Ende sei.

Eine Frage, zu der mich der Film drängt: warum gibt es bei all den vielen Kennzeichnungspflichten auf unseren Nahrungsmitteln nicht auch eine, die darauf hinweist, dass das Fleisch aus industrieller Massentierhaltung komme? Gibt es noch keine Apps, die einem Betreten eines Ladens oder eines Restaurants ganz genau die Bilder liefern, die über die Herkunft der Produkte Bescheid geben?

Generell hat Thurn seine Interviewpartner prima ausgewählt, sie können mit wenigen Worten ihre Position klar vertreten. Ganz am Rande wird auf das Subventionsproblem in der Landwirtschaft hingewiesen.