In meinem Kopf ein Universum

Nach einer wahren Geschichte hat Maciej Pieprzyca diesen Film gedreht.
Mateus wurde mit einer zerebralen Bewegungsstörung geboren und galt über 20 Jahre lang als geistig behindert, weil er nicht sprechen kann. Selbständig fortbewegen konnte er sich nur über raupenhafte Bewegungen auf dem Rücken auf dem Boden liegend oder er musste im Rollstuhl geschoben werden oder mit den ganzen Kräften einer Begleitperson beim Gehen mehr getragen denn gestützt werden.

Mateus wächst mit Vater, Mutter, einer älteren Schwester und einem älteren Bruder auf. Sein großes Vorbild ist der Vater, den er für einen Zauberer hält, der sich ihm widmet und der allerlei handwerkliches Geschick zeigt. Der ihm Wahlsprüche fürs Leben mitgibt, wenn man was erreichen will, muss man gelegentlich mit der Faust auf den Tisch hauen.

Dass Mateus hellwach ist, beweisen die Voice-Over-Texte, die in der Ich-Person gesprochen werden. Der Zuschauer kann also erwarten, dass eines Tages die sprachliche Kommunikation zwischen Mateus und seiner Umwelt in Gang kommen wird, denn irgendwem muss er diese seine Eindrücke ja geschildert haben.

Was seine Lektionen sind, dafür gibt der Film schöne Beispiele, die Handwerkskiste seines Vaters ist eine Offenbarung genauso wie ein Geschenkpaket aus einem anderen Land, das eröffnet die Geographie oder wenn Mutter einer Kundin ein Kleid absteckt, so studiert Mateus wachen Auges die weibliche Anatomie oder er beobachtet genau das Leben seiner Nachbarn.

Am liebsten träumt Mateus von den Sternen. Deshalb schneidet der Filmemacher immer wieder das Sternenzelt zwischen verschiedene Kapitel dieses chronologischen Lebensberichtes, der am meisten erschüttert, wie Mateus nach einem Sturz der Mutter in eine Anstalt für Behinderte verbracht wird, wo er sich gar nicht wohl fühlt, wo er unqualifiziertem Personal ausgesetzt ist und das auch hellwach mitkriegt, die ihn im Liegen füttern, so dass er sich immer auf die Lippen beißt oder ihn sogar mit nach Hause nehmen in eine feine Familie, um dort mit ihm als Behinderten zu protzen und das Image des Schwarzen Schafes zu pflegen, ein schlimmer Missbrauch von Mateus.

Eines Tages kommt eine Sprachlehrerin in die Anstalt. Nicht für Mateus. Aber er kriegt alles mit, kann sich bemerkbar machen und wird schließlich „entdeckt“ von der Lehrerin Jola, was den Anfang seiner Möglichkeit zur sprachlichen Kommunikation bedeutet.

Ein Film aus einem tiefhumanem Geist heraus, ein cinéma humain, zu vergleichen am ehesten mit dem französischen Die Sprache des Herzens, wobei dieser polnische Film deutlich schmerzhafter, erschütternder ist, weil er viel Zeit darauf verwendet, die Unsensibiliät und Ignoranz zu zeigen, die die tumbe Umwelt dem scheinbar behindertem Mitmenschen gegenüber an den Tag legt, bloss weil er seinen Bewegungs- und Sprechapparat nicht beherrschen kann; weil der Zuschauer bald über seine Intelligenz Bescheid weiß, darüber, dass sein Gehirn „kein Gemüse“ sei und dabei in keiner Weise sich verständlich machen oder eingreifen kann. Ganz am Rande, vor allem um 1989 herum, spielt auch die politische Entwicklung Polens eine Rolle, der Weg weg von der Diktatur, die ersten freien Wahlen.

Wie Mateus durch den Zugang zur Kommunikation als Mensch Akzeptanz findet, das ist ergreifend.

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