Still Alice – Mein Leben ohne Gestern

Ein weiterer Krankheitsfilm. Ein weiterer Alzheimerfilm. Ein Film, der vielleicht mehr über das Verhältnis der amerikanischen Kultur und Kinokultur zu Kranheit und Tod erzählt, als dass er Dokument über einen Krankheitsverlauf sein will; was er selbstverständlich auch ist; aber das wird durch die Art, wie die Krankheit und die Patientin amerikanisch mit viel Gefühl umfangen, fast gefeiert, zelebriert wird, weitgehend neutralisiert. So dass keine Sekunde lang das leiseste, unangenehme Betroffenheitsgefühl aufkommen kann. Ein Film von Richard Glatzer und Wash Westmorland nach dem Roman von Lisa Genova.

Diese Überfülle an Gefühl und Hingabe, mit der sich die Amis so ein Schicksal vornehmen, wirkt, als ob sie es gleichzeitig von sich wegschieben wollen. Erinnert daran, wie sie mit ihren Toten umgehen, wie die noch geschminkt und hergerichtet werden, wie zu einem großen Abschiedsfest.

Und so eine Art Fest scheint mir dieser Film zu sein. Getragen wird er vom nicht kleinzukriegenden Charme von Julianne Moore. Sie spielt hier die Patientin. Sie ist eine erfolgreiche Dozentin in Linguistik. Sie wohnt mit ihrem Mann, auch er ein Professor, in New York. Sie haben drei Kinder. Familie ist wichtig. Mit 50 machen sich bei ihr die ersten Aussetzer bemerkbar. Die Krankheit bahnt sich ihren Weg und allmählich müssen Familie und Öffentlichkeit eingeweiht werden.

Frühzeitig will Alice Howland, so heißt Julianne Moore hier, einem endlosen Siechtum den Riegel vorschieben. Sie will auf Nummer sicher gehen. Mit einer im Laptop gespeicherten Anleitung, wie aus welcher Schublade welche Pillen nehmen und wie diese schlucken, um ihrem fortschreitenden Siechtum rechtzeitig den Riegel mit dem Freitod vorzuschieben.

Krankheitsgeschichte in amerkanische Emotionalität verpackt und mit einem Musiksound begleitet, der das Thema ernst anspricht. Der bitterste Satz in all der Watte ist vielleicht der von Alice, sie wünschte, sie hätte Krebs. Das ist der Vorgang, der doch deutlich zum Ausdruck bringt und den Zuschauer beschäftigen dürfte, wie es ist, wenn ein Mensch seine Erinnerung verliert, die doch seine Geschichte und seine Identität ausmacht.

Wie Alice in einem fortgeschrittenen Zustand der Krankheit vor der Alzheimer-Gesellschaft ein Referat hält mit ganz speziellen Tricks, und mit dem Kernsatz, dass sie nicht leide, sondern kämpfe, das zeigt am deutlichsten, wie Amerika und wie dieser Film mit so einer traurigen Realität hingebungsvoll emotional umgeht. Da ist kein weiter Weg zum Zeremoniell einer Oskarverleihung.

Zur Weichheit des Films trägt auch fortdauerndes Geplaudere und Geplappere bei, als wolle sich der Film versichern, dass er noch lebt, dass er noch da sei, dass es Alice noch gebe. Ein später Schmerzmoment im Film, wie sie als frische Oma die neugeborenen Enkelkinder in der Klinik besucht. Da ist die Sorge der Eltern, ob Oma noch imstande ist, so ein Neugeborenes in Händen zu halten. Knifflig. Anrührender Abschiedstext von Tochter Lydia, Kristen Stewart, über das Fliegen, die Tropopause und die Seelen, denen sie dort begegnet sei.

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