Familienfieber

Vorgestellt im Kinoprogramm hat sich der Berliner Nico Sommer vor etwa einem Jahr mit dem Film Silvi. Dort ist mir die Workshophaftigkeit aufgefallen, sympathisch war mir, dass er ohne Förderung arbeitet und gestört hat mich, dass er zu sehr an einer hypothetischen Realität klebte.

Jetzt legt Sommer seinen zweiten Langfilm vor. Die Workshophaftigkeit hat er perfektioniert, die Schauspieler selber ausgewählt, dem Prinzip ohne Förderung ist er treu geblieben und einer vermeintlichen Realität ist er immer noch so nah, dass sie kaum Kinokontur gewinnen kann.

Allerdings gibt es Momente, wo die Darsteller sympathisch natürlich rüberkommen, es ergeben sich komische Situationen und auch ein paar Bonmots.

Die Konzentration auf wenige Darsteller behält er bei. Der Clou ist der Hauptdrehort, ein Schloss in Brandenburg, was offenbar gerne für Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt wird, das beweist der Satz des einen Protagonisten, Stefan, des Schlosshern, dass hier schon Helen Mirren gedreht habe, wobei die Imitation ihres Ganges die Treppe runter noch ausbaufähig wäre. Auch dass eine Bücherwand nur Deko ist, wie das gezeigt wird, ist ein schöner Gag.

Oder beeindruckendes Kinobild, zwar kurz nur, aber irgendwie auch sinnfällig für die Orientierungslosigkeit der beiden Paare, auf die noch zu sprechen zu kommen ist, die sonnendurchflutete Allee in Brandenburg und der Traktor mit den zwei Anhängerwagen, der einmal in die eine Richtung und dann wieder in die andere Richtung fährt.

Immerhin waren Regisseur und Filmteam bereit, auch spontan Dinge aufzunehmen, die sich ergeben haben.

Zwei Paare treffen aufeinander. Die Eltern von Alina sind zu Besuch bei den Eltern von Nico. Nico und Alina lieben sich. Dummerweise hat die Mutter von Alina eine Liaison mit dem Vater von Nico, immer freitags treffen sie sich. Die wissen aber von der Beziehung der Kinder nichts.

Der erste Schock ist, dass es sich bei dem Anwesen der möglicherweise künftigen Schwiegereltern um ein Schloss handelt. Davon hat Alina nichts erzählt zu Hause. Die noch größere Überraschung ist allerdings, wie Maja Stefan ansichtig wird. Das führt nun zu vielen Situationen im Schloss. Roths können nicht mehr nach Hause fahren, weil der Motor ihres Familienwagens kaputt ist. So müssen sie über Nacht bleiben. Am nächsten Morgen outet Maja in einer längeren Viererszene auf Liegestühlen vor dem Schloss ihr Verhältnis zu Stefan.

Immer wieder gibt es gute Momente. Unseligerweise schneidet Sommer Beziehungsgespräche, die Uwe spät im Film vorschlägt und die mit der Kamera protokolliert werden, dazwischen. Selbstäußerungen der Protagonisten. Die sind nun allerdings grad gar nicht ergiebig, weil – das ist ein Problem des Buches – sie sich überhaupt nicht von den Handlungen unterscheiden, weil sie kein Bewusstsein für das Bewusstsein der Figuren zeichnen, weil sie nicht den Lebenslügen auf den Grund gehen. Das sind höchstproblematische Schwachstellen im Buch, dem man manchmal zurufen möchte, trauts Euch, das Leben ist verrückter als ein braver Workshop glauben machen möchte.

Die Kehrseite monomanischer Filmemacher ist gerne, dass sie einen Hang zum Sektiererischen haben, und dadurch wenig aussagekräftig für ein kommerzielles Publikum sind, das mit den Filmemachern nicht verwandt oder verschwägert ist.

Der Film köchelt im Untertext von „wir machen hier jetzt Kino und zwar ganz frei“.
Dialogabfolge: „Du hast eine Frau zuhause und fickst meine“. „Holt doch den ADAC“.
Ein kinematographischer Pannendienstleister à la ADAC täte Nico Sommer vielleicht ganz gut.

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