Ein Hells Angel unter Brüdern

Ein kinophiles, malerisches Thema hat sich Marcel Wehn hier vorgenommen und verschenkt es total bis auf die Eingangssequenz einer Beerdigung eines Hells Angels. Die ist richtig kinoschön aufgenommen und weckt den Hunger auf mehr Bilder aus dem Innenleben dieses Vereins.

Aber ach, wie enttäuscht ist man schon bald, wie klar wird, dass wir es hier wieder mit einer dieser üblichen Fernseh-Kurzatmig-Mixtur aus Statements (von Mitgliedern, Familienmitgliedern, von Kriminalkommissaren und Journalisten, Polizisten und Anwälten) und gesellschaftlichen Vorgängen des Vereins zu tun bekommen.

Immer spießiger wird der Film. Er versucht gegen Windmühlen zu kämpfen, versucht händeringend die Hells Angels gegen Vorurteile, die ich so nicht habe und die so im Film nicht bestätigt werden, zu verteidigen. Sie seien kriminell, sie seien Vergewaltiger, Mörder und Drogendealer. Für seine Verteidigung hat sich Marcel Wehn unter der schützenden Hand der Redakteurinnen von SWR und arte ein Vorzeigemodell eines Hells Angels vorgenommen, den „President“ des Charters (so heißen die Vereinseinheiten bei den Hells Angels) Stuttgart, eines lieben und liebenden Familienvaters und Fotografen, der seinen Verein mehr wie einen Schrebergarten- oder Schützenverein führt, ganz familiär und auch seine beiden Kinder loben den Vater und das Familiäre.

Aber statt sich auf dieses Vereinsleben zu fokussieren und es miterleben zu lassen, bis auf immer wieder dazwischengeschnittene, imposante Ausfahrten von Massen an Motorrädern in Zweierkolonnen auf Autobahnen, hupft der Film in der Bundesrepublik umher nach Berlin (hier werden die Stuttgarter peinlich und bescheuert von der Polizei gefilzt), nach Hamburg (hier geht es um den Fall von Kalli, der durch die Tür einen Polizisten erschossen hat, weil er nicht wusste, wer sich daran zu schaffen machte) oder Frankfurt und Kassel (hier geht um die Verhandlung zum Verbot der beiden Frankfurter Vereine und um eine Art Sippenhaft für zwei Ausreißer), um bei der 30-Jahr-Feier in Stuttgart und der Vernissage des Fotobandes von „President“ Lutz Schelhorn zu landen, auch das eine biedere Veranstaltung. Im Abspann gibt es noch ein paar Super-8-Ausschnitte von vergnügtem Feiern und Saufen.

Schelhorn versucht, mittels dieses Filmes oder der Autor versucht es, dem Club ein Gesicht zu geben. Fotosession, wenn Schelhorn bei der Arbeit ist, auch die Berliner fotografiert er.

Fazit: Objekt spannend, Film öde.
Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

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