Gernstl in Israel, Teil 1 (BR, Montag, 5. Januar 2015, 19.00 Uhr)

Gernstls Erbauungsfernsehen, das Israel normal erscheinen lassen möchte, menschlich machen möchte, aber dann doch vor zu viel Solidarität zurückschreckt und sich nicht traut ein Poster, „Gernstl liebt Iran“ machen zu lassen, sondern wie untertänig lieber anfertigen lässt „Bavaria liebt Israel“, also deutlich weniger mutig ist als der porträtierte israelische Graphiker, den er besucht und der die Aktion „Ich liebe Iran“ ins Leben gerufen hat.

Oder auch: Gernstl wie immer. Hier hat er allerdings einen Reiseführer dabei, er selbst scheint weder arabisch noch hebräisch zu sprechen, wodurch sein Reiseprinzip durchs Land zu fahren und spontan da und dort Leute aufzusuchen und aus ihren Leben berichten zu lassen, erschwert wird. Aber der Kameramann aus dem ARD-Studio in Tel-Aviv, der mit einer Münchnerin verheiratet ist und der sowohl deutsch als auch hebräisch und arabisch (wie die Begegnung mit dem Nomaden zeigt) spricht, garantiert für einige Schmankerl über den Katalog- und Sehenswürdigkeiten-Tourismus hinaus.

Der deutsche, jüdische Automechaniker, der mit 59 Jahren Schmied geworden ist und der in Berlin Neonazis, die zu Mördern geworden sind, im Gefängnis das Schmiedehandwerk beigebracht hat; dafür hat er jetzt eine Ehrenurkunde des Bundespräsidenten in seinem Atelier hängen. Der Grafiker, der gegen die israelische Rachepolitik eine Internetbewegung auslöste mit einem Plakat, auf dem er ganz privat mit Tochter den Iranern zuruft, er liebe Iran (siehe Bemerkung im ersten Absatz). Die Deutsche, die sich für Pflege und Erhalt der Bauhauskultur eines Quartiers in Tel Aviv einsetzt. Der orthodoxe Jude, der in Amerika Rocker gewesen ist und sich jetzt der orthodoxen, aber lebensfreudigen und nicht allzu strengen Chabbat-Bewegung angeschlossen hat.

In Gernstls Israel gibt es keine Mauer, keine Apartheid gegen die Palästinenser, keine dritte Intifada, keine Unterdrückung von Menschen- und Völkerrecht, keine brachiale Siedlungspolitik, keine Netanjahu-Starrsinnspolitik. Bei Gernstl gibt’s lediglich einen Abstecher ans Tote Meer inklusive Schlammbad. Den kann man problemlos wieder wegduschen und die Haut ist nach dem Bad im Schlamm und im Meer geschmeidig wie nie.

Der Film wirkt so, als gönne der BR seinem langjährigen, treuen, beliebten Quoten-Zulieferer eine Art Incentive-Reise, eine Bonusreise oder eine beschauliche Dienstreise, immerhin fragt er gewohnheitsmäßig nach dem Glück und der Zufriedenheit und auch mal nach dem Tod. Vor dem Hintergrund, dass viele Einkommensschwache sich die Rundfunkzwangsgebühr vom Mund absparen müssen, ein fragwürdiges Unternehmen; abgesehen davon, dass ein so radikales Ausblenden der katastrophalen menschen- und völkerrechtlichen Situation der Palästinenser mit so einem netten Kaffefährtchen reiner Propaganda für das Unrechtsregime gleichkommt und dem öffentlich-rechtlichen Auftrag des deutschen Zwangsrundfunks Hohn spricht.

Mit diesem Beitrag versieht Gernstl seinen sonst so strahlenden Namen mit dem Makel grenzenloser, politischer Naivität und begibt sich in die Gesellschaft eines Beckenbauers, der in Katar keine ausgebeuteten Arbeiter gesehen hat.

Aktuell wirkt dieser Beitrag noch peinlicher, als Israel eben die Überweisung von Steuergeld an Palästina verweigert, weil die Palästinenser sich erlaubt haben, das demokratische Recht der Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofes in Anspruch zu nehmen.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.