Tatort – Das verkaufte Lächeln (ARD, Sonntag, 28. Dezember 2014, 2015. Uhr)

Dieser Tatort vermag sofort zu fesseln durch eine Exposition der leicht anderen Art, der Routine durch ruhige Stimmungsbilder und Verzicht auf unnötigen, hektischen Text ersetzt. Die Kommissare Batic und Leitmayr tanzen nicht zum Auftritt ihren Pas de Deux oder müssen abgegriffene Fragen stellen, sie sind zu sehen in inneren Monolog versunken. Sie lassen sich jedenfalls nicht anmerken, dass sie den Fall für Routine halten oder gar schon alles wissen, was im Drehbuch steht. So nehmen sie einen mit ihrem Nichtwissen mit ins zu erforschende Terrain, neugierig machender Stummfilm statt abtörnender Routineabfragerei.

Der Themenbereich ist diffizil: Teens, die sich mit Pornochat ein Geld verdienen. Den Eltern, die noch keine Native-Nerds sind, erzählen sie, sie hätten Äpps erfunden, was zu einer ausgewalzten Pointe der beiden Kommissare führt, der Erklärung, was ein App ist (auf Bayerisch hört sich das an wie das Wort für „etwas“, „eppas“..). Moralisch korrekt, wird auf die Gefahr hingewiesen, die aus solcher Chatterei entstehen kann. Hier wird daraus ein veritabler Mord an einem 14 jährigen.

Im Gegensatz zu den hochtoupierten Dominik-Graf Filmen mit ihrem Oberflächenglanz an Design-Schnickschnack kommt dieser Tatort von Holger Joos (Buch) und in der verhalten-zurückhaltenden Kino-Inszenierung von Andreas Senn (Regie) unter der redaktionellen Verantwortung von Stephanie Hecker wohltuend wenig aufgedreht, mit feiner Sprachregie und nah am Objekt daher. Senn scheint sich primär für die Menschen (das gut ausgewählte Ensemble) zu interessieren, entscheidet sich statt für Stil und Design, statt für Mode und Masche für die Aufrichtigkeit der Milieubetrachtung und -Schilderung, was allerdings hinten hinaus zu einem Überhang an Melodram führen wird. Dazu dürfte das Konstrukt der Geschichte mitverantwortlich sein. Das mit der falschen Fährte ist noch prima nachvollziehbar, aber mit dem wahren Täter gibt es insofern Probleme, als seine Reaktion darauf, dass er diesen Menschen umgebracht hat, sicher nicht zu einem Verhalten wie üblich führen dürfte. Da hapert es, rückblickend gesehen, dann doch an der Durchdringung des Stoffes und der Psychologie der Figuren. Wobei die Regie das bessere Händchen für die jungendlichen Darsteller zu haben scheint, während sie bei den Erwachsenen und den Routiniers in den ruhigeren Stellen auch viel Vérité herauskitzelt, sie aber in dramatischeren Momenten vor offensichtlicher Handwerksroutine nicht bewahren kann.

Viel Wahrhaftigkeit bei den Jungen, bei den Teens, die ihre eben entdeckte Sexualität und Körperlichkeit als reines Spielzeug, als etwas aufregend Neuentdecktes sehen, das Posieren empfinden sie als natürlich und spannend, wozu sie durchaus ein Bedürfnis haben ohne moralischen Bedenken, Entdeckung eines Spielzeugs – und wenn man dafür noch Geld erhält, tant pis!, das kommt glaubwürdig rüber, auch weil Kommissar Leitmayr selber an seine Zeit zurückdenkt, an die Englischlehrerin, und dass er da gar nicht so unschuldig gewesen sei. Insofern scheint mir hier ein Momentum gesellschaftlicher Realität sehr genau gezeichnet als ein ernsthaftes Argument gegen den gehässig-pauschalen Irrationalismus der leicht abrufbaren Hetze gegen möglicherweise harmlos Unschuldige wegen des kleinsten Verdachts von Kinderpornographie.