Alles ist Liebe

„Liebe“ bedeutet hier das kleine menschlich-menschelnde Glück mit Gefühl nach Ansage. Das deutsche Kino traut sich das Gefühl. Oder: Omas menschelndes Plätzchenkino an viel musikalisch-süßer Sauce.

Jane Ainscough, die Autorin des Menschelns, die das Drehbuch nach einem Originaldrehbuch von Kim van Kooten, geschrieben hat, kennt sich aus mit dem Menscheln. Jeder will nur sein kleines Glück, ist ihre Grundaussage und für diesen Film kommt hinzu: Weihnachten ist das Projekt der Versöhnung, da muss alles gut ausgehen, ob Seitensprung, ob „Nein“ bei der Trauung; Familien und Paare finden wieder zusammen. Filme nach Drehbüchern von Jane Aiscough: Coming In, Miss Sixty, Der fast perfekte Mann, Eltern, Omamamia, Hanni & Nanni 2.

Auch der Tod ist überwindbar und kann Leute wieder zusammenbringen. Der Tod spielt in diesem Weihnachtsgetümmelfilm mit Unmengen knalliger Vorweihnachtsaktivitäten, wie Geschäfte und Privatsender sie initiieren mit Nikolaus und Engeln und Wunschzetteln und Weihnachtsschiff und Weihnachtszwergen und Weihnachtsmärkten gleich zu Beginn eine wichtige Rolle. Der Weihnachtsmann sollte für die TV-Show auftreten und die alte Primadonna von Schauspieler, der den Kaffee nur aus der eigenen Tasse trinkt, bricht noch in der Garderobe zusammen. Zum Glück tapst Elmar Wepper als Obdachloser mitten in das Chaos und in die Krise hinein und wird stehenden Fußes für die Rolle engagiert.

Wie ein Kind bei der Anfahrt des Weihnachtsschiffes ins Wasser fällt, stürzt sich der frisch gebackene Weihnachtsmann todesmutig in die Fluten des Main, denn der Film spielt in Frankfurt. So landet auch er mitten im Trubel der Torschlusshektik vor Weihnachten, im Strudel verschiedener kleiner Familientragödien, die sich abwechseln und berühren (Datumsakkordgeber: 21., Dezember, 22. Dezember, 23. Dezember..).

Gefühl ist das Thema. Und mit Gefühl spielen die Darsteller. Emrah Ertem hat eine Darstellerriege an jungen und jüngeren, selbstbewussten Schauspielern zusammengestellt, die vor Gefühl nicht zurückschrecken und mit denen man auch große Filme machen könnte, wenn denn die Drehbuchkultur das in unserem Subventionsfilmlande hergeben täte. Inzwischen dürfte Ertem hinsichtlich Kinocasting in Deutschland die mit Abstand beste Adresse sein. Allen schaut man gerne zu, nicht nur weil sie sich das Gefühl trauen, sondern auch weil sie von Regisseur Markus Goller (Friendship!, Eine ganz heiße Nummer, Frau Ella) sanft geführt werden, trotz vorweihnachtlicher Betriebsamkeit, bunter Klamotten und Kuddelmuddelverschnitt der Szenen.

Der Film ist vom Thema her begrenzt, er will mit Alltäglichkeiten, die jeder nachvollziehen kann, berühren. Gefühl vor begrenztem Horizont.

Aus der Besetzungsliste: Nora Tschirner, Tom Beck, Heike Makatsch, Wotan Wilke Möhring, Katharina Schüttler, Fahri Yardim, Christian Ulmen, Friedrich Mücke, Inez Bjorg David.

Wobei der Film sich selber nicht im großen Kino sieht, sondern sich, wenn man folgendes Zitat nimmt, im Fernsehen ansiedelt: „das sind Emotionen, das ist Fernsehen, deshalb machen wir das“.

Menschelnd, eine Spanne menscheln, zwei Stunden menscheln, die Menschen nicht als Charaktere unter die Lupe genommen, sondern in ihren kleinen Nöten des Alltags und der Liebe: das Menschelnde als der Grundstoff für dezidierte Rührgeschichten. Schön, wenn alles gut ausgeht. Menschelnde Probleme mit dem Handy, dem Wunschzettel, mit Seitensprung, Jobverlust, Tod, Wohnungsssuche. Politisches Bewusstsein und größere Zusammenhänge und Zwänge, auch charakterliche, müssen ausgeblendet werden.

Wir haben gestern lecker chinesisch Nudeln gegesssen.
Ich hasse es, es war das Lieblingslied von meinem Vater (Thema Hass und Liebe)
Mein Vater, der war nicht so gut mit Kindern, und jetzt der Weihnachtsmann, das ist ein Witz.
Wissen Sie, es gibt eine Zeit, da möchte man etwas zurückgeben, besonders Kindern.

Alles selber gestrickt, mit Rentier drauf und einmal auch mit Pinguin.
Ich wollte eine perfekte Mutter sein.
Wir versuchen, uns wie Erwachsene zu benehmen.
Feiert Ihr Weihnachten zusammen?
Ich liebe meinen Job, aber eigentlich hasse ich ihn.
Na ja, es ist Weihnachten, vergebungstechnisch schon mal Hauptsaison.
Ich bin eher so Fraktion Dosenravioli.
Schön, dass du da bist.

Zum Menscheln gehört der stete Wechsel im TV-Hackfleisch-Rhythmus zwischen Weihnachtsrummel, TV-Remmidemmi und intimen Szenen zu Hause im Bett, unter der Dusche, beim Frühstücken und Anziehen.

Menschelnd: die Trauringe mit dem Ketchup, welches vor dem Pfarrer noch weggeschleckt werden muss. In so einer menschlich-anrührenden Zeit und mit solchen Scheuklappen versehen leben wir; so glauben es zumindest die staatlichen Subventionsgeber und Zwangsgebührengeldtreuhänder.

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