Der Koch

Die erste Erwartung, die geweckt wird, ist die: ein Willkommensfilm für Flüchtlinge. Jugenderlebnisse des Protagonisten Maravan in Sri Lanka. Die Befreiungskämpfe der tamilischen Tiger, Waffen, Militär, eine Leichenverbrennung, ein Junge rennt weinend zur Oma. Schnitt.

Zürich ohne Jahresangabe, ist insofern von Bedeutung, als neusten News zufolge der Krieg auf Sri Lanka beendet ist, denn vor kurzem wurde eine Eisenbahnlinie zwischen den einst verfeindeten Teilen Sri Lankas eröffnet. Aber im Film geht die Auseinandersetzung weiter und wurstelt etwas eigenwillig im Drehbuch von Ruth Toma (Einmal Hans mit scharfer Sosse) nach dem Roman von Martin Suter weiter.

Maravan, Hamza Jeetooa, ist jetzt ein erwachsener junger Mann, konnte in die Schweiz fliehen. Er hat einen Job als Küchengehilfe in einem exklusiven Restaurant, wo die „feine“ Schweizer Society, Waffenhändler, Politiker verkehren. Maravan wird verspottet, wenn er eine Idee zum Essen hat, denn er kannte sehr gut die Küche von zuhause. Sein Talent wird ignoriert. Das wird die Motivation für die weitere Story, aber auch, um zu zeigen, wie Flüchtlinge im Gastland zur Kulturbereicherung beitragen können, so die Erwartung, aber so wird es nicht enden.

Die Bedienung Andrea, Jessica Schwarz, schnappt eine Bemerkung von Maravan auf, er könne eine Zabaione herstellen, die nicht zusammenbricht. Er studiert eifrig die Molekularküche seines angesagten Restaurants. Andrea nimmt ihm beim Wort. Er lädt sie zu sich zu seiner Zabaione ein; er „entlehnt“ die Molekulartöpfe von seinem Arbeitsplatz und bereitet ihr zuhause, wo er mit seinem Bruder in einer unansehnlichen Hintergassengegend in Zürich wohnt, ein traumhaftes Menü.

Auf den Glanz von Zürich verzichtet dieser Film, bei dem Ralf Huettner behutsam die Regie geführt hat. Um desto mehr das Essen in bestem Lichte erscheinen zu lassen. Maravan bereitet Andrea ein aphrodisierendes Mahl, so dass sie, die sich für lesbisch hält, ganz rallig wird und ihn besteigen möchte.

Wegen des „Entleihens“ der Molekulargeräte wird Maravan aus dem Restaurant entlassen. Jetzt könnte der Film zu Ende sein. Denn der vielleicht naive Traum, er würde ihm Restaurant seine Anerkennnung finden, der ist vorbei. Um zu Reputation zu gelangen, muss die Story weite Kurven machen, muss einen neuen Anlauf nehmen, denn Maravan arbeitet jetzt in einer Autowerkstätte. Erst nach einer halben Filmstunde taucht unvermutet Andrea bei ihm auf. Ihr Angebot: ein Liebesessen für ein Ehepaar von Paartherapeuten zuzubereiten.

Dieses private Essen wird ein Riesenerfolg und eröffnet Maravan und Andrea eine Latte von Kunden. Maravan rutscht jetzt in eine Karriere hinein, die er so gar nicht geplant hatte. Der Selbständigkeit und großem Geschäft steht nichts mehr im Wege. Wobei der Film sich hier aus Details und Scharnieren weitgehend raushält, wodurch die Story flattrig wirkt.

Die Geschichte, wie das unterdrückte, verkannte Kochgenie doch zum Tragen kommt, wird verschenkt und jetzt wird die Idee auch noch beschmutzt, dadurch nämlich, dass die Kundschaft immer zwielichtiger wird. Eine Nutte aus Kuba, die bald ein Verhältnis mit Andrea anfangen wird, will das Essen haben. Die Gewissensbisse von Maravan halten sich in Grenzen.

Urplötzlich haben sich neue Needs für Maravan in den Film eingeschlichen. Einerseits ist sein Bruder nach Sri Lanka zurückgekehrt und kämpft bei den tamilischen Tigern. So braucht Maravan Geld, um die Vertreter der Organisation in Zürich mit Spenden zu erfreuen, um Infos über den Aufenthalt des Bruders zu erhalten, andererseits ist die Oma von Maravan in Zürich eingetroffen für eine Bypass-Operation. Die reicht aber nicht aus, so braucht Maravan noch mehr Geld für weitere Operationen. Dieser Zusammenhang gibt Anlass für innerfamiliäre Auseinandersetzungen, auch über die Ethik und vor allem über das Heiraten vorbestimmter Frauen.

Am Schluss erst kommt das Kochbuch der Oma, das der Grund für alles war, in den Film, aber Maravan verbrennt es sogleich. Hier wird besonders schmerzlich die handwerkliche Differenz zum Film Miss Malory und der Duft von Curry bewusst, wenn man dort allein den Weg des Büchleins und dessen erzählerische Funktion verfolgt, so ist das hier doch Mampf-Stampf-Storytelling für die Armenverköstigung.

Über die Verbindung zur oft blondperückten Kubanerin kommt die Schweizer Politik in Form der konturlosen Figur Dalmann, Hanspeter Müller-Dorssat, ins Spiel, der ein großer Waffenschieber und offenbar Politiker ist. So fehlt dem Film der Kontrapunkt, der Widerhaken.

Das Buch von Ruth Thoma mäandert ziel- und orientierungslos durch die Themen, düstere Hintergassen in Zürich, Puff, Waffenhandel, Politik, Immigranten, Sri-Lanka-Familienstorys, Rassismus von Dalmann und weiß nicht recht, wohin es steuert, genau so wie die Waffenlieferung vor Sri Lanka, die schließlich nicht abgeliefert wird, weil die Kubanerin, die das Geld abholen sollte, bessere Verwendung dafür hat. Damit ist leider jetzt auch eine der Schlusspointen bereits gespoilert.

Dem Input, dass das verkannte Gute sich durchsetzt, ist nach einer halben Stunde der Schnauf ausgegangen. Dafür kommt es zu einer Art Ersatzlösung.
Die deutsche Synchro, speziell der indischen Figuren, ist unsensibel grell.
Die Therapeuten sind weitere Knallchargen von Figuren.

Es fehlt an Konflikten; Defizit bei Frau Toma, die vermutlich zu gedankenlos die Vorlage von Suter in der Romanbabfolge zum Illustrieren benutzt hat.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert