Toleranz (TV ARD alpha Bildungskanal, Freitag, 21. November 2014, 20.15 Uhr)

Dieser Film von Hans-Ulrich-Krause (Drehbuch) und Marc-Andreas Bochert (Regie) und unter den redaktionellen Auspizien von Ulrike Lovett und Werner Reuß betreibt Bibel-Exegese, setzt seiner Geschichte, besser: seiner Predigt Hiob 40.8 hintan „willst du wirklich mein Recht zerbrechen, mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?“.

Auf dieses Wort hin wurden offenbar der Fall konstruiert, dass eine prominente Sportlerin in die Schlagzeilen gerät, weil ihr Freund ein prominenter Neonazi ist. Krause und Bochert möchten in ihrer Predigt den Zuschauer davor warnen, die Sportlerin zu verurteilen, wie es in ihrem Film die Medien und die Massen mit einem Shitstorm tun, denn ihr Privatleben ist ihr Privatleben und sie selber versuche ja, ihren Freund vom Neonazismus wegzubringen. Wenn ich das richtig abgelesen habe, dürfte das die Moral von der Geschichte sein, die ihren Mahnfinger gegen Selbstgerechtigkeitsapostel erhebt. Wobei sie in der Tat ein verbreitetes Phänomen trifft, gleichzeitig aber selbst wohlfeiles, nicht gerade couragiertes, allgemeines Medienbashing betreibt.

Allerdings ist es so eine Sache, das beweist der Film auch, wenn ein Drehbuch auf eine derart vorgefasste, aus der Bibel geholte Moral hin konstruiert wird. Da muss passsend gemacht werden, was nicht passt. Da werden Figuren im Hinblick auf die Moral erfunden und nicht nach dem Leben gebaut. Was sie ziemlich schief aussehen lassen kann vor dem Hintergrund von Lebenserfahrung. Weshalb der geneigte Zuschauer am Schluss sich fragt, ist an dieser Moral etwas faul, selbst wenn sie aus der Bibel stammt oder ist nicht viel mehr an der Geschichte, die auf diese Moral hin getrimmt wurde, etwas faul?

Leistet der Film mit diesem Geschichts-Moral-Konstrukt einen sachdienlichen Beitrag zur Bekämpfung der Unmoraliät von Shitstorm und Medienhetze? Wohl kaum. Denn das hierzu bemühte Konstrukt hat ein grundsätzliches Glaubwürdigkeitsproblem. Das ist zuallererst die Figur der Sportlerin (Jennifer Ulrich als ewig smilende Karoline Benzko). Der Film unterlässt es, zu zeigen, wie groß und bedingungslos ihre Liebe zu Martin (Martin Laue als Neonazigröße) ist. Davon ist jedenfalls bei den Begegnungen nichts zu spüren, das mag am Buch, an der Inszenierung oder an der mangelnden Chemie der Schauspieler liegen. Die Glaubwürdigkeit dieser Liebe wäre jedoch das A und das O, um dem Fall – und damit auch der beabsichtigten Moral – Brisanz und Glaubwürdigkeit zu verschaffen, damit auch der Berechtigung der Verwendung öffentlich erzwungener Gebührengelder.

So wie das hier von Hans-Ulrich Krause als Autor fabriziert wurde, ist es allerdings kaum glaubwürdig. Das wäre die Geschichte nur, wenn die Liebe von der Sportlerin zum Nazi eine absolute, blinde Liebe wäre. Die wird so jedoch nicht beschrieben und inszeniert. Deshalb wirkt das gute Mädchen leider politisch vollkommen blind und dumm (was bei Sportlern andererseits wiederum nicht verwundert, wenn man von Franz Beckenbauer hört, dass er in Katar keine Sklaverei gesehen habe). Dass sie nicht mitgekriegt haben will, dass ihr Freund eine bekannte Größe in der Neonazi-Szene ist, das lässt sie als ein ganz besonders naives Dummchen erscheinen. Mit Dummchen eine reelle Moral zu predigen, ist ein Ding, das zumindest auf recht laxen Beinen steht.

Statt sich darauf zu konzentrieren, eine glaubwürdige Grundlage herzustellen, kapriziert sich der Film ellenlang auf Vorgeplänkel. In den ersten zehn Minuten erhält der Zuschauer lediglich die Info, dass die Protagonistin ihre Mannschaft in die Qualifikation für den Europacup in Amsterdam geschossen hat, und dass der Sponsor auf sie als Werbeträgerin setzt (das neue Gesicht zum Slogan „Fairness und Toleranz zum Erfolg“). Ferner, dass sie einen Freund hat, der spielt bis dahin so gut wie keine Rolle, außer dass er Martin heißt und dass er in die Disco, in welcher die Mannschaft den Erfolg feiern will, nicht eingelassen wird mit dem Argument „Nazis sind hier nicht erwünscht“. 10 Minuten für das bisschen Info, das ist Zwangsgebührengeldverschleuderei.

Statt also eine glaubwürdige Basis für den Konflikt zu bauen, wird lieber die Info über den Sporterfolg gedehnt und gleich doppelt gebracht, nämlich zuhause auch nochmal erzählt. Das ist keine gute Erzählökonomie. Das wirkt wie Zeit und Sendeminuten schinden, weil man offenbar nichts Wichtigeres zu erzählen hat.

Der Film geheimnisst den Nazi so lange wie möglich weg, schenkt den Zuschauern nicht reinen Wein ein, gewährt uns keinen Einblick ins Innere der Protagonisten. Die Produktion glaubt offenbar, wenn sie die Rolle mit einer Smile-Schauspielerin besetzt, alle diese Glaubwürdigkeitsprobleme gelöst zu haben. Nix da. Der Film plänkelt dahin. Wie dumm muss diese Frau sein, dass sie nicht merkt, was längst in allen Zeitungen zu lesen war, welch hohes Tier ihr Freund bei den Nazis ist.

Immerhin. Jetzt gibt’s Gespräche mit dem Trainer. Es geht um das Image und den Werbefaktor und ob es nichts gebe, was diesen gefährden könne. Nein, Dummchen denkt nicht daran. Hat kein politisches Bewusstsein.

Stattdessen hat Martin eine Wohnung für sie beide organisiert. Auch damit wird viel Zeit verplempert, die zum Konflikt, den der Film entwickeln will, gar nichts beiträgt. Auch mit dieser privaten Szene wird dem Zuschauer die Info, wie wichtig Martin in der Nazi-Szene sei, vorenthalten, noch zeigt sie, dass Protagonistin ihn wahnsinnig liebt.

Es folgt die längst bekannte Info, zeitschinderisch, dass Protagonistin demnächst in der Nationalmannschaft spiele.

Nach einer endlos langen Trödelhalbstunde fragt man sich genervt, wann kommt der Film endlich auf den Punkt, wann plappert er nicht mehr nur rum. Sportstarlet verbreitet in totaler Naivität, Martin sein dabei, auszusteigen. Nur ist dieser Fakt dem Zuschauer nicht zugänglich gemacht worden. Ein weiterer Punkt, der die abgrundtiefe Dummheit dieser Lächelprotagonistin bestätigt.

Nach einer halben Stunde langweilig nacherfundener Realität und breitgetretener Ausgangssituation, in der man kaum etwas von Belang über die eh schon dünne Info aus den ersten zehn Minuten hinaus erfahren hat, hat der Pressefotograf das prominente Foto von Martin als Nazi-Rädelsführer gefunden. Und nach 31 Minuten fährt der Bus mit der Mannschaft endlich nach Amsterdam los, wo es dann, und das zieht sich wieder, zu dem lang und filmschwatzhaft vorbereiteten Eklat kommt, dem moralischen Exemplum, das der Film vorsätzlich statuieren möchte.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers. Durch diesen Film wird kein Zwangsgebührenzahler toleranter, im Gegenteil.

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