The Salvation

Das Öl ist an allem schuld, so mag die filminterne Erklärung für die altbiblischen Grausamkeiten gelesen werden. Oder eine schwächere Interpretation des Schlussbildes: auch wenn alle Menschen tot sind oder wegreiten, die Ölpumpen fördern weiter. Dass man auf solche simplizistischen Gedanken kommt, hat sich der Film, diese Dreiländer-Produktion Dänemark/England/Südafrika selber zuzuschreiben, haben sich Regisseur Kristian Levring, der mit Anders Thomas Jensen auch das Buch geschrieben hat, selber zuzuschreiben.

Der Film fängt verheißungsvoll an, fängt hoch-westernatmosphärisch brillant an. Teils verschwommen, als ob die Kamera die Erinnerung suche, aber offiziell wegen dem vielen Staub, wegen der flirrenden Atmosphäre, wegen der Trockenheit auf einer Eisenbahnstation im Wilden Westen anno 1871.

Jon, Mad Mikkelsen mit dem eindrucksvollen, schmerzerfahrenen Gesicht, ist schon 7 Jahre allein hier gewesen. Er hat ein Haus gebaut für seine Frau und seinen Sohn, die er so lange nicht mehr gesehen hat, die ihm jetzt nachreisen und gleich ankommen werden mit dem Zug. Levring inszeniert das mit großer Stimmigkeit und dichter, bannender Atmosphäre. Wie alles Weitere auch.

Im Fortgang der Exposition, die schnell mit unerwarteten, schauderhaften Zivilisationsbrüchen aufwartet, greift er sogar zu Stimmungsmitteln, düsteren Nachtbildern von der Kutschenfahrt, auch als Bild für menschliche Fremdheit in der Kutsche, die durchaus an Carl Thedor Dreyer erinnern, die die inhaltliche Erwartung in enorme Höhe schrauben.

Was Jon in der ersten Viertelstunde alles verliert, das grenzt an ein Hiobsschicksal. Und was später folgen wird, die Forderung nach menschlichen Opfern des Ungesetzlichen dieser Gegend, des Terroristen Delarue, Jeffrey Dean Morgan, den man nur sehr schwer versteht, gemahnt an die Dimension von Abrahams Menschenopfer. Was kommt da alles noch auf uns zu, fragt man sich.

Der Film ist nah am Puls der Zeit. Der Einbruch des Unzivilisatorischen in unserer Welt, von dem wir täglich lesen, grausame Details über fanatische Tötungen, ja Enthauptungen im Irak, in Syrien, in der Ukraine, im Palästina/Israel-Konflikt. Wird sich der Film mit diesem Thema beschäftigen, wird er sich fragen, wie einen Ungesetzlichen wieder zur Raison zu bringen? Auf diese Frage folgt leider alsbald die bittere Enttäuschung, dass nach der Exposition und den ersten grausamen Tötungen der Wilde Westen sich absehbar ungesetzlich abspult wie eh und je. Es ist ein Fangenspiel und ein Abknallspiel. Wer kann entkommen? Wer kann sich wieder aufrappeln?

Eva Green ist als Madelaine in das Spiel involviert und bewunderungswürdig dafür, dass sie bereit ist, eine Rolle mit einer entstellten Mundpartie zu spielen. Schade, dass Levring mit dem Buch, das sparsam mit den Dialogen umgeht, so schnell zufrieden war, ohne ein Ohr an der heutigen Zeit zu haben. So wird wohl auch seine Inszenierungskunst, die bewunderungswürdig ist, vergebliche Mühe bleiben. Nicht anders wird es mit der erstklassigen Musik von Kasper Winding ergehen; wenn überhaupt, dann viel subtile Klangmusik. Auch die krackeligen Wildwestfiguren, die das Städtchen bevölkern, geben einen bemerkenswerten Cast ab. Thema Bruderliebe in zwei Ausführungen, aber nicht weiter vertieft, sondern als eine übermaßen bedingungslose Liebe eingesetzt.
Abrechnungsdrama statt Seelendrama. Innovativ? Leider nein.

Die Musik gibt zuverläßig den Bedrohungsbarometer, den Aufregungsbarometer.

Das Wunder (the salvation), was dieser Film beschreibt, weshalb er wahrscheinlich auch in einer Ecke von Wunderfilmen anlanden wird, ist, wie aus dem braven dänischen Auswanderer und Bauersmann, der zwar Bären schießt, wie er behauptet, und der hier großartig wie ein Indianer aussieht, ganz einfach so zum üblichen Selbstjustizwesternhelden sich wandelt, zwar mit Anlass, aber ohne innere Veränderung, als hätte er nie etwas anderes getan, als müsse er keine Tötschranken überwinden. Die Verpuppung eines Mannes, die aber nicht zum Thema gemacht wird. Diese Wandlung von Mikkelsen reflektiert der Film nicht; enthält dem Zuschauer also eine wichtige Angelegenheit vor. Es passiert einfach. Es läuft selbstverständlich ab. Aber es ist nicht selbstverständlich. Den Titel kann man nur als vorgeschobene Erklärung benutzen: dieses Wunder, diese Verwandlung des dänischen Biedermannes zum Westernheld, das ist seine Rettung. Der Held mit dem tragischen Gesicht.

Vom Bild her: großes, episches Kino, da haben die Macher ihre Hausaufgaben erledigt. Aber zur Erneuerung des Westerngenres dürfte es wegen des Drehbuches und der nicht dezidierten Entwicklung des Helden nicht reichen.

Außerdem: er mutiert zu diesem Westernheld, ohne je einen Westernfilm gesehen haben zu können, denn das Kino war zu seiner Zeit noch gar nicht erfunden. Also irgendwie hätte das Thema schon bewusst behandelt werden müssen, hätte so ein kleines Rähmchen verdient. Hier wird wie bei einer Fleiß- und Korrektheitsarbeit beeindruckend sorgfältig gearbeitet aber dann doch nur epigonal repetiert.

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