The Equalizer

Dieser Film erzählt einmal mehr, dass die vollziehenden Organe von Justiz und Polizei in den USA nicht funktionieren, dass folglich ein jeder Justiz nach seinem Gusto zu vollziehen habe.

Das Prinzip zur Begründung ist immer dasselbe: ein unbescholtener Bürger, zumindest dem ersten Anschein nach wie hier Denzel Washington als Robert McCall, wird Zeuge einer brutalen Ungerechtigkeit und fühlt sich verpflichtet, ausgleichend (equalizing) einzuwirken. Auf die Idee, die Polizei zu alarmieren, käme niemand.

Die Untat wird gezielt so inszeniert und gezeigt, dass auch alle Zeugen und Umstehenden und selbstverständlich das Kinopublikum in seinen Sesseln ungefragt der Meinung ist, dass hier Gerechtigkeit geschaffen werden müsse. Dass an dieser Selbstjustizphilosophie auch nicht der geringste Zweifel aufkommt, dafür sorgt schon ein geschickter Drehbuchautor, wie Richard Wenk, der die Fernsehserie von Michael Sloan zur Grundlage hatte, und die entsprechend einleuchtende Regie von Antoine Fuqua.

So wird anfangs in langen, ruhigen Einstellungen die Behauptung von Robert McCall als eines braven Bürgers aufgestellt, der in einem Heimwerkergroßmarkt unauffällig und äußerst kollegial arbeitet und abends in der Eckkneipe „Bridge Dinner“ sich das heiße Wasser zum mitgebrachten Teebeutel bestellt. Gerade dieses Verfahren des eigenen Teebeutels wirkt als subtiler Beweis für seine angepasste, brave Bürgerlichkeit; kein böser Mensch würde so sorgfältig zuhause diesen Teebeutel in eine Serviette packen.

So ein Mensch kann nicht töten. Kann schon gar nicht brutal töten. Er legt in der Kneipe seine Lektüre auf den Tisch, Ernest Hemingway, „der alte Mann und das Meer“. Über so einem Buch lassen sich Gespräche entwickeln mit dem einzigen anderen Gast, einer jungen Frau aus Russland, Alina, die als Nutte arbeitet und sich wundert, ob der alte Mann den Fisch schon an der Angel habe. Robert McCall kann noch trefflich über die 100 Bücher, die man gelesen haben muss, plaudern und dass das in seiner Liste das 91ste. sei. Er strahlt bürgerliche Korrektheit, Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit vertrauenerweckend aus.

So ein Mensch kann nicht töten, kann nicht Selbstjustiz üben. Wie nun die junge Frau, nachdem sie tags zuvor schon von einem hässlichen Fettsack in eine Stretchlimousine gezerrt worden ist, am nächsten Abend mit blauen Flecken im Gesicht auftaucht, kann der unbescholtene Bürger das nicht akzeptieren. Er marschiert direkt bei ihrem Boss in den Hinterzimmern eines Lokals auf und richtet kaltblütig ein furchtbares Blutbad an, ärgert sich jedoch, dass er zwei Sekunden länger gebraucht hat als in seinen besten Zeiten. Wenn die Dämme des bürgerlichen Gesetzes einmal geborsten sind, gibt es kein Halten mehr.

McCall ist an einen russischen Oligarchen und seine korrupten Geschäfte auch mit der amerikanischen Polizei geraten. Er muss jetzt Übermenschliches leisten, um den Laden aufzuräumen. Den Verlauf kann man sich denken. Und wir finden das alles rechtens, denn er beseitigt schreiendes Unrecht (so lauten auch die Begründungen der Politik für die fatalen Kriegseinsätze gegen den Terror).

Den rundlichen Kollegen vom Arbeitsplatz entwickelt er zum postmodernen Helden, der der No-man-left-behind-Maxime der USA eine Illustration erteilen darf.

Ganz wichtig: McCall hat allen seinen Opfern eine Chance gegeben. Er hat sie gewarnt, aber sie wollten nicht hören. Außerordentlich fair ist sein Selbstjustizverfahren.

Wir Europäer glauben allerdings nach dem weiterhin floppenden Antiterrorkrieg an derlei Maximen nicht mehr so ganz. Leichen pflastern den Weg des Gerechten. Plus schmalzig-moralischer Imput: Alina kann jetzt alles sein, was sie will, wenn sie nur will und was sie will, auch Sängerin. Moralische Aufrüstung nach solchen Massakern: Change your thaughts, change your style.

Eine gute deutsche Pistole für den guten Zweck erfüllt auch ihre gerechte Funktion: eine Heckler & Koch – und sicher ganz legal exportiert.

5 Gedanken zu „The Equalizer“

  1. Aber jetzt mal ehrlich? Irgendwie hat der Gedanke, jemandem der einem Unrecht zugefügt hat, mal so richtig fett eins in die Fresse zu hauen, statt einen Anwalt auf den Weg zu schicken oder gar die Polizei zu behelligen, doch irgendwie auch was Tröstliches. Und wenn man vielleicht auch 5, 6, 10 oder 20 der wichtigsten 100 Bücher (keine Ahnung welche das nach Meinung der Filmemacher sein sollen) gelesen hat, dann hat man doch wohl auch die nötige Reife die bösen bösen Rachegedanken im Kino zu lassen.

  2. Das als Trostkino zu sehen, darauf wäre ich jetzt nicht unbedingt gekommen; aber wer nicht ganz bei Trost ist, dem mag es vielleicht helfen.

  3. Nehme an, wir sprechen hier aneinander vorbei. Was kein Wunder ist, denn schließlich bist du der, der hier namentlich ungenannt bleiben möchte. Ohne Gesicht, ohne Eier?

  4. „stefe“ ist ein Name und das bei filmjournalisten.de seit über 5 Jahren und nach inzwischen mehr als 1500 Reviews kann wohl von Gesichtslosigkeit auch nicht mehr gesprochen werden. Klar, ich könnte jetzt „stefe“ mit „Thomas Müller“ ersetzen, was spielt das noch für eine Rolle. Es geht hier um die Sache. Es geht ums Kino, um die Filme (inzwischen ab und an auch ums Fernsehen). Und wer hier mitdiskutieren will, dem steht es frei, sich mit Realnamen oder mit Pseudonym zu beteiligen. Wir brauchen keine Ausweis- und Personenkontrolle, wir brauchen Argumente, warum ein Film gefällt, warum er was taugt oder warum nicht. Darüber will ich mich unterhalten und nicht darüber, ob jemand Eier hat oder Eierstöcke oder was auch immer.

  5. Robert antwortet Alina zunächst mit weiser und vertrauenswürdiger Stimme über den Alten Mann 0:12 „Der Alte Mann ist nunmal ein Alter Mann und der Fisch ist ein Fisch. In dieser Welt muss man sein, wer man ist, egal, was passiert.“ Einen Abend später jedoch sagt er zu ihr 0:17 „Ich glaube, du kannst alles sein, was du sein willst. … ändere deine Welt.“ Mit auch mit diesen widersprüchlichen Aussagen zerplatzt der schöne Schein von Lebensweisheit zu weiterem sinnlosem Geschwätz einer überheblichen Filmindustrie. Ein weiterer flacher Film für flache Gemüter.

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