Schwarzer Ozean (arte, 8. Oktober 2014, 22.40 Uhr)

Eine hochsensible, beklemmende Meditation zum Thema wissenschaftlich-militärische Hybris (die französischen Atomversuche auf dem Mururoa-Atoll 1972) und die Zukunft der Menschheit (dafür stehen drei blutjunge Marinesoldaten als Protagonisten), unterlegt mit einer eher pessimistischen Musik.

In diesem Film von Marion Hänsel von 2010 bleibt das wissenschaftlich-machtpolitische Experiment mit der Atomexplosion im Hintergrund. Es ist insofern vorhanden, als bekannt ist, um was es geht und es dann auch in einer kurzen Szene gezeigt wird. Dem Experiment stellt sie die Leben dreier Burschen gegenüber, Soldaten der Marine auf einem Beobachtungsschiff, Moriaty (Adrien Jolivet), Massina (Nicolas Robin) und Da Maggio (Romain David).

Moriaty wird im Anspann als zehnjähriger Junge vorgestellt mit einer kleinen Geschichte von Geheimnis und Mut. Er überwindet einen kalten Fluss, um an eine unter einem Baum vergrabene Dose zu gelangen, mit dem Kommentartext zu seiner Handlung, dass wer diesen Mut beweise, ein gutes Leben verdient habe. Eine zwiespältig interpretierbare Geschichte, wenn man den Mut auf das Atomexperiment überträgt, und ob das eine gute Zukunft verheiße.

Diese Geschichte scheint Moriatys Lebensmotto, aber auch sein Trauma zu sein. Er verkraftet den Atomversuch am schlechtesten. Sein ihm ähnlichster Kollege ist Massina. Der ist zwar ein nachdenklicher Mensch, der an einer Stelle auch bemerkt, dass er dabei sei, dumm zu werden wie die anderen. Massinas Spielkamerad auf dem Schiff ist der Hund Giovanni, der da eigentlich gar nicht sein dürfte. Moriaty und Massina sind Freunde auf ähnlicher Wellenlänge, so wie kommunizierende Röhren, aber sich Gefühle zu zeigen, das trauen sie sich nicht. Sie stehen für die Hoffnung auf eine Zukunft. Während der dritte im Bunde, der übergewichtige Da Maggio, ein Fotofreak ist, der immer etwas sieht und der noch im gefährlichsten Moment der Explosion seine Kamera zückt und offenbar weniger von Hoffnungen, Erwartungen oder Ängsten belastet wird.

Die Regisseurin schildert nun die Zeit vor dem Experiment. Das ist ganz normaler Alltag auf einem Marineschiff: Nachtwachen, Kartenspielen, Schiffspflege, Gasmaskenübungen, Fahne hissen, Drill, auch dumme Dinge, wie einem Oktopus aus den Tentakeln Zöpfe flechten, Landgänge (da gibt’s auch mal Frauen), auch eine gröbere Rempelei auf dem Clo, alles mehr signifikant als realismusnah. Die Zeit, die sehr lang werden kann auf See, die Nächte, der Ozean, der nächtens schwarz ist. Nähe und Gespräche, die sich ergeben, aber auch massiver Widerstand dagegen. Oder gar mal ein kleines Ausbüchsen nächtens auf den Ausguck mit einer „beschafften“ Flasche Sekt.

Es wird das Atom-Experiment gezeigt, man hält den Atem an, wie die in Sichtweite der Explosion lediglich mit Sonnenbrillen geschützt sich zur Seite drehen sollen, aber dann zum Teil lieber ohne Brille direkt hineinschauen in den sich entwickelnden Atompilz, dessen Bildmagie Marion Hänsel allerdings nicht erliegt.

Dass das Experiment eben doch ein Schock ist, das zeigt sich bei der darauf folgend eintretenden Ruhe, die bald in aufgeregtes, übertönendes Durcheinanderplappern ausartet – Übersprungshandlung. Nur Moriaty verkriecht sich nachdenklich gekrümmt in eine Ecke.

Auf den Schock folgt als letztes Kapitel des Filmes ein Tag und eine Nacht der Belanglosigkeit, teils Sprachlosigkeit, den die drei Freunde an einem paradiesischen Südsee-Palmenstrand verbringen (ihre Bierdosen werfen sie achtlos in die Brandung); die Sprachlosigkeit verläuft zwar nicht textlos, aber Moriatiy ist der erste, der überhaupt wieder und zwar heftige Worte zur Angelegenheit findet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert