Niemand weiß davon (TV, arte)

Zwei Comiczeichner, einer davon Protagonist JB, wollen in der Buchhandlung ihr erstes Heft verkaufen.
Sie lernen Alexia kennen. Die lädt sie auf die Sylvesterparty ein von Leuten, die ein
ComicKollektiv gründen wollen.
Minute 5: üblicher Künstler-Milieu-Saft.
Sparkling-Effects initiieren Liebesgeschichte zwischen Laura und JB.
Sie hat Kind, Oskar. Lässt sich gerade scheiden. Sie ist HIV-positiv.

Ein weiterer HIV-Film. Das Problem hierbei scheint mir, dass der Autor und Regisseur Jean-Philippe Amar das gezielt als Problemfilm aufgebaut hat. Nach zehn Minuten schon hat der Comiczeichner und Hauptdarsteller sich in Laura verliebt und von ihr erfahren, dass sie HIV-positiv ist. Wer jetzt wissen will, wie schwierig das Leben damit ist, der kann das in den weiteren 90 Minuten miterleben. Und sich zusätzlich von der indifferenten, deutschen Synchro abtörnen lassen.

Es gibt ein paar Spielereien, „ich verurteile Sie zu lebenslänglichem Präservativ als Comic“. Und graphische Spielereien dazu. „Geh und wasch dir den Schwanz schnell“. Hygieneanleitungs-, Aufklärungsfilm für Sex mit HIV-infizierter Frau. Das könnte man witziger machen, gerade wenn man eine Comiczeichnerfigur als Protagonist hat.
Ansteckungschance wie die, gleich einem weißen Nashorn zu begegnen. Gezeichnetes Nashorn erscheint sofort auf Mauer.

Vor allem wirkt die Liebe zwischen den beiden nicht besonders glaubwürdig. Die Liebesszenen wirken angestrengt.

„Manchmal schläft die Krankheit, manchmal ist sie wach“.
Nach 45 Minuten kommt es zum Familienknatsch, weil Oskar die Pillen nicht nehmen will.

Nach 50 Minuten: Aufklärung Eltern von JB.
Statt das künstlerische Element in die Figur zu nehmen und sie dadurch interessant und spannungserzeugend zu nutzen, werden Comics eingeblendet; der Filmemacher spielt den Zeichner.

„Sie müssten selbstverständlich immer sehr aufmerksam Ihr Glied kontrollieren“.
Nach etwas über einer Stunde: ein Kind ist unterwegs; es wird ein Mädchen, Elise.

Kaiserschnittproblematik. Und dann noch blöde Verwechslungsszene im Spital, frische Eltern halten ihn für den Doktor.
Nach drei Monaten: „Mach, dass sie (Elise) nicht krank ist“.

Ausdauernd ausgewalzte Autogrammstunde für JBs Comicbuch, wie um Zeit zu schinden.

Schließlich die komplizierte Freude, dass Elise negativ ist.
Und schon setzt Oskar zum Sprung in die Pubertät und zum ersten Sex an.

Hide and Seek – Kein Entkommen (DVD)

Brutalster Härtetest für eine koreanische Idealfamilie gehobenen Lebenstandards.
Sie wohnen in einem eleganten, hochgesicherten Wohnhochhaus, Vater Sung Soo, seine Frau, ein Mädchen und ein Junge. Er betreibt ein kleines Restaurant. Alles läuft bestens, alles ist durchorganisiert. Da bricht ein uralter, beinah arachaisch zu nennender Bruderzwist aus der Vergangenheit in dieses glückliche, familiäre Leben hinein.

Die Familie, die Sung Soo mit sechs Jahren aus dem Waisenhaus adoptiert hatte, hatte bereits einen leiblichen Sohn. Sung Soo aber wurde von den Adoptiveltern zum Alleinerben bestimmt. Die Brüder hatten lange keinen Kontakt mehr. Jetzt wird nach diesem Bruder geforscht. Das zieht Sung Soo aus dem feinen Milieu in ein prekäres Milieu hinein, denn der Bruder soll in einem heruntergekommenen, vermüllten, verwinkelten Wohnblock gelebt haben oder noch leben.

Mit dem Thema des Gegensatzes der Milieus treten im Film vermehrt Männer auf, die Ganzgesichtsmotorradhelme aufhaben und gerne einen Schirm in der Hand oder gar ein blutiges Messer, gerne stehen sie wie Säulen still und bedrohlich da. Sie werden sich schnell als bedrohliche Stalker entpuppen. Sie sind ein Element, was die Ängste und Angstträume der Protagonisten schon nach wenigen Begegnungen in Hochform bringt.

Eine so hochgesicherte Wohnanlage ist sowieso ein süperber Ort für das Gedeihen von Ängsten. Jedenfalls wird durch den Gegensatz der Wohnstandards ein erstaunlich realistische Grundlage für eine Geschichte behauptet, die nach etwa einer Stunde für eine Weile aus dem Ruder zu laufen droht, fast wirkt wie Horror um des Horrors willen, Geisterbahn-Spuk. Aber dann wird klar, dass das Bruderproblem ein zweites Handicap in den Film einziehen lässt: der Gegensatz Prekariat und wohlhabende Klasse, der Kampf um den Wohnraum.

Im Sog der Suche nach dem Bruder bäumt sich nämlich das Prekariat gegen die Wohlhabenden auf, gegen die gut Versorgten, gegen die vornehm Eingerichteten. Das Prekariat fürchtet (in der Person der Nachbarin des gesuchten Bruders), dass ihm auch noch seine armselige Bleibe genommen wird („Das ist keine gute Gegend hier. Man muss ständig auf alles gefasst sein“). Denn im Zuge der Recherche nach dem Bruder stößt Sung Soo auf diese Nachbarin. Die wird immer merkwürdiger. Hält Sung Soo zuerst für den neuen Besitzer der Wohnanlage, die abgerissen werden soll.

Diese Nachbarin wird sich zum wahren Biest entwickelt, das sich gewaltsam zur noblen Hochsicherheitswohnung Zutritt verschafft. Hier wird es jetzt definitiv blutig, und das im inimsten Bereiche einer so ordentlichen Familie mit Kindern. Die Parameter sind so krass, dass dafür keine aufwändige Computeranimationen nötig sind. Wie die Menschen sich suchen, sich blutig oder bewusstlos schlagen, sich am Boden in einander verkeilen, Überlebenskampf pur. Da ist der Eindruck von Horror um des Horrors willen längst verschwunden. Ja, der Film könnte selbst zum Alptraum für Besitzende und Vermögende und nobel Wohnende werden.

Wer diesen koreanischen Horror-Film gesehen, wird künftig einen Bogen um dunkle Gestalten mit Ganzgesichtsmotorradhelmen machen (das zeigt, wie leicht ein Film Vorurteile pflanzen kann) und wird vermutlich wacher Türschilder, Türglocken und deren Umgebung auf unauffällige Zeichen hin absuchen, die etwas über die Bewohner verraten könnten.

Die deutsche Synchro kann, einmal mehr, mit der übrigen künstlerischen Qualität des
Filmes hinten und vorne nicht mithalten, ist schnelle Industrie- Routine.

Der Film zeigt, auf wie dünnem Eis eine vermeintliche, psychische Stablität errichtet sein kann, und wenn sie sich noch so sehr in einer Hochsicherheitswohnanlage verschanzt.