Und da war er plötzlich, der Science-Fiction-Hammer, auf den alle so lange gewartet haben. Die Teaser zeigten skurrile Lebensformen, die sich zusammentun, um … na, um was, das war gar nicht mal so klar. Jedenfalls dreht sich alles offenbar um einen Waschbären, eine Art Ent und ein paar Humanoide, die zusammen offenbar die Wächter der Galaxis sein sollen.
Als bekennender US-Superhelden-Comic-Verweigerer (außer Phantomias) tue ich mir natürlich sehr schwer, die schon seit Jahren anhaltende Flut von Superheldenfilmen zu verdauen. Irgendwelche Typen werden durch irgendwelche Freak-Accidents zu übernatürlichen Wesen und „können“ dann eine oder ein paar spezielle Sachen. Spiderman kann Spinnweben spritzen und Wände hochlaufen (offenbar auch den Badewannenrand), Superman kann alles, und alle dazwischen können so manche andere Dinge. Wirklich interessant sind eigentlich nur Batman und Iron Man, die ja beide nicht super sind, sondern durch ganz weltliche Ingenieursarbeit und Forschung zu ihren Exoskeletten und anderen Gimmicks kommen. Aber die anderen, die immer noch superer sind und immer noch skurrilere Komplexe und Schwachstellen haben, die kann man doch nicht ernst nehmen.
Man mag mich nun verdammen und beleidigen, bitte schön. Ich bin mit Asterix und Obelix aufgewachsen, mit Tim und Struppi und Kapitän Haddock, der womöglich einzigen Comicfigur seiner Zeit mit schweren Alkoholproblemen, mit Spirou und Fantasio, und natürlich mit Mickey und Donald. Ich bin mit halbwegs realistischen Konfliktsituationen aufgewachsen und nicht mit völlig aus dem Ruder gelaufenen, meist nichts weniger als tagtäglich die Existenz des gesamten Planeten bedrohenden Situationen. Abgesehen vom Todesstern war in meinem Universum nichts (außer der menschlichen Gier) in der Lage, einen ganzen Planeten zu vernichten.
Nun sitzen wir also im Kino, und ich bemühe mich, mein Suspension of Disbelief derart auf Hochtouren zu bringen, dass ich einen sprechenden Waschbären und ein laufendes Gebüsch als Kopfgeldjägerteam ernst nehmen kann.
Sicher, man unterhält sich ganz prima bei Guardians of the Galaxy. In Hollywood muss es eine spezielle Firma geben, die nur coole Sprüche für Drehbücher liefert, so dass jeder Filmemacher in jeder Szene immer den maximal kernigen Schenkelklopfer parat hat. Angefangen hat das schon lange vor „Hasta la vista, Baby“, und es wird auch so bald kein Ende nehmen.
Leider verhält es sich beim Filmemachen neuerdings ungefähr so wie in der modernen Fast-Food-Küche, ebenfalls ein absolutes Fachgebiet der Amerikaner. Nach dem Motto „wir verbinden einfach zwei beliebte Produkte zu einem neuen“, was ja auch konsequenterweise zur Pizza mit Cheeseburgern drauf geführt hat (sic!), ist man in Hollywood wohl der Meinung, dass „mehr“ coole Sprüche, Action und andere Fun-Faktoren auch ein „mehr“ an Qualität eines Filmes bedeuten. Dass guter Geschmack sowohl in Küche wie im Film insbesondere durch das Weglassen oder durch meisterhafte Dosierung bewiesen werden kann, statt durch das genussvolle, satte Aufschmieren selbiger Zutaten durch völlig verstrahlte Spezialisten wie z.B. Michael Bay, ist leider in Vergessenheit geraten. Daher zeichnet sich diese Flut von Prequels, Sequels, Spin-Offs, dieser und jener Franchise und sonstiger Universen leider insbesondere dadurch aus, dass neuerdings allein das „mehr“ die Qualität liefern soll für so einen Film. Because we can. Effekte und so. Doch mehr ist nicht gleich besser, das weiß doch jedes Kind.
Früher, als bei „Dark Star“ oder „Silent Running“ eine Message noch leise und dezent angedeutet wurde, dem Zuschauer sozusagen als Aha-Effekt für die spätere Erkenntnis eingepflanzt wurde, wird sie heute im Film nicht nur offen ausgesprochen, sondern sogar im Plakat oder im Trailer beworben. Man stelle sich „Soylent Green“ vor, wenn es auf diese Weise neu verfilmt würde!
Schafft man es also, diese skurrile Ansammlung von Wächtern der Galaxis halbwegs ernst zu nehmen, machen diese sich sogleich daran, alles dafür zu tun, dass man so schnell wie möglich wieder vom Glauben abfällt. Die Leinwandchemie unter den Teammitgliedern ist nur rudimentär vorhanden (auch, was Ablehnungen angeht), selbst die lockere Freundestruppe bei „Cloverfield“ war realistischer, obwohl man bei denen meist nicht so genau wusste, wer jetzt gerade wer war, weil alles so gewackelt hat wegen der blöden Handkamera. Außerdem reicht die Zeit reicht gar nicht für die Leinwandchemie bei den Wächtern der Galaxis, denn es gibt kaum ruhige Szenen.
Besonders stört mich bei solchen Science-Fiction-Epen allerdings, dass sie meist wesentlich mehr Fiction als Science enthalten, so ungefähr im Verhältnis 99 zu 1 nämlich. Die Handlung spielt in einem hochmodernen Universum (in dem die Erde im hier und heute, offiziell unkontaktiert, existiert), und man schießt auch in der restlichen Galaxis noch mit Projektilwaffen? Gibt es wirklich nichts moderneres als die gepimpte Steinschleuder? Die Raumschiffe fliegen mit Rückstoßtriebwerken? Nicht nur dauert interplanetares Reisen mit dieser Technik Jahre oder Jahrzehnte, von interstellaren Reisen kann da nur zu träumen sein. Auch braucht es Treibstoffe, in rauhen Mengen! So viel also zum Bewachen unserer Galaxis, die ja nur rund 100.000 Lichtjahre Durchmesser hat (und das auch noch durch fünf Personen, wohlgemerkt). Auch der in irgendeinem Asteroidenfeld frei schwebende Thron eines fernen Herrschers (Luft? Zum Atmen?) läuft mit Rückstoßtriebwerken, selbst in den Armlehnen befinden sich welche. Nicht, dass es die bräuchte, denn wo keine Gravitation, da muss auch kein Thron auf einem Feuerschweif in Position gehalten werden, während alle anderen Trümmer in der Umgebung das nicht brauchen. Naja, und dann gibt es da noch ein Raumschiff, das aussieht wie der Radiator in Omas Jugendstilappartment, und mit dem man doch glatt versucht zu landen. Leider haben die Filmemacher von solchen Dingen genauso wenig Ahnung wie die Leute, die das Teil steuern, und dass dieser unförmige Klumpen dann den Weg alles Irdischen geht, ist letztlich natürlich der Gravitation geschuldet, die man in der Sequenz natürlich auch noch getrost bis zum endgültigen Aufsetzen ignoriert.
Was mich auch stört, ist diese Hollywood-Hybris, dass der Mensch (bzw. das vernunftbegabte Wesen) generell der bessere Pilot, der bessere Schütze, der bessere Taktiker ist. So wie einst Luke Skywalker den Todesstern ohne Zielcomputer durch manuellen Bombenabwurf vernichtete (gut, die Macht war mit ihm, die ja wohl wirklich solide etabliert wurde im Film), so muss bis heute der Mensch den eigentlichen letzten Schlag, Klick, Schuss oder Kick abgeben, um den Feind in die Knie zu zwingen. Das mag zwar dramaturgisch packender sein, zugegeben, ist aber bereits heute selbst für Laien als dermaßen lächerlich erkennbar, dass ich mich immer noch frage, wieso das überhaupt noch jemand ernst nehmen kann. Viel besser gelöst ist das ganze Dilemma in kaum verfilmbaren Büchern, so zum Beispiel unter anderem bei Peter F. Hamilton und seinen Space Operas wie die mit „Pandora’s Star“ beginnende Commonwealth-Saga. Hier haben in Raumschlachten die Schiffscomputer die Waffenkontrolle. Sie beschießen sich gegenseitig mit hunderten von Raketen und Strahlenwaffen und noch viel gemeineren Dingen gleichzeitig, täuschen und taktieren, steuern ihre Bomben durch Mini-Wurmlöcher, so dass sie direkt beim Ziel herauskommen und alles, und die Raumschlacht ist dann auch nach 0,4 Sekunden vorbei. Das ist natürlich schlecht verfilmbar, aber so viel wahrscheinlicher für eine ferne Zukunft als Projektilwaffen und Rückstoßtriebwerke. Peng, Bumm, Aua. So ein Schmarrn.
Das Kraut ausgeschüttet hat aber erst dieser Superstein, von dem es nur ein paar Stück gibt in der Galaxis. Oder dem Universum? Jedenfalls ist das so ein Dattelgroßes Teil, das leuchtet, und wenn man es berührt, dann wird man – richtig – super. Nicht, dass man sich die Finger verbrennt, zu Asche zerfällt oder nur generell strahlenkrank wird vor lauter Energie, die das Teil in allen Spektren ausspeit, nein, man wird natürlich super. Und wenn man es fallen lässt, ist der Planet hin, auf dem man es hat fallen lassen, wegen so einer zerstörerischen, unaufhaltsamen Kettenreaktion. Die übrigens irgendwie nicht abläuft, wenn man mit den Füßen auf dem Planeten steht und den Stein in der Hand hält. Jedenfalls sind alle hinter dem Teil her, natürlich, und obwohl es so gefährlich ist, wollen es alle anfassen. Ich werde so einen Käse nie verstehen, ebensowenig, wo sich bei den Transformers oder bei Iron Man all das schwere Metall hinfaltet, wenn sich was transformiert. Da wird aus einem Flugzeugträger ein Überraschungsei, das man sich in die Hosentasche stecken kann, so ungefähr. Man sieht schon: Das kann nicht klappen. Oder auch dieser Baum, Groot der Name, der kann scheinbar beliebig groß und lang werden oder auch zu einem allumfassenden Buchsbaum in Kugelform, so dass aus 100 kg Holz plötzlich 800 kg Holz zu werden scheinen, ohne dass da lange Kohlenstoff aufgenommen, Photosynthese betrieben und Lignin gebildet werden muss. Aber das Heranwachsen so eines Wesens, das braucht natürlich ewig.
Es ist einfach ein Kreuz mit diesen Superhelden, die Gesetze der Physik gelten nur, wo es der Handlung nützt. Ich prangere das an! Denn so wird der Zuschauer betrogen, da das Wunder auf der Leinwand einfach nicht erklärt wird. Wenn man so jeden Film drehen würde, wäre das Kino aber schnell am Ende. Doch die Zuschauer scheint das nicht zu stören. Sie grölen vor Freude und jauchzen über die flotten Sprüche und sind so angetan wie ich einst mit sechs oder sieben Jahren in „The Empire Strikes Back“. Aber sie haben ja auch „G.I. Joe“ gemocht, wo Eisschollen durch das Meer auf eine Unterwasserbasis herabfallen. What the fuck, echt.
Ich war geneigt, das alles zuzulassen, weil die Comics schon 1969 erschienen, wo man es noch nicht so genau nahm mit dem Realismus. Dumm nur, dass das ausgerechnet das Jahr der Mondlandung war. Und „2001 – A Space Odyssey“ war auch schon ein Jahr alt, musste die Macher also beeinflusst haben. Ganz ehrlich: Ich fühle mich verarscht von solch selektiven, inkonsequenten künstlerischen Freiheiten. Selbst „Sharknado“ ist konsequenter.
Und da war er plötzlich, der Science-Fiction-Hammer, auf den alle so lange gewartet haben. Die Teaser zeigten skurrile Lebensformen, die sich zusammentun, um … na, um was, das war gar...