Jersey Boys

Was macht den Reiz von Clint-Eastwoods Alters-Filmen aus?

Clint Eastwood würde seinen Zuschauer nie persönlich anfassen und wenn, dann nur mit Glacéhandschuhen. Vielleicht ist das eine der definierenden Eigenschaften seines Alterswerks: durchdrungen vom „guten“ Geist Hollywoods, Kino begriffen als ein erstklassiger Dienstleister und bedingungslos am Kunden orientiert. Dieser soll sich, egal welches Thema behandelt wird, wohlfühlen im Kino wie in einem 5-Sterne Hotel. Er soll sich noch beim grausamsten Thema umsorgt und umhegt fühlen, er muss das Gefühl haben, ihm kann nichts passieren dabei. Der Filmemacher tritt hinter seinem Werk zurück, ist aber mit vollem Einsatz und großem Können für es da. Wobei er in seiner Kinoschrift durchaus eine Art Orthodoxie vertritt, eine Kinorechtschreibung wie sie sich in so einem feinem Milieu herauskristallisiert und bewährt hat, eher einem Benimm-Code, der auch Unkonventionellem nicht abgeneigt ist, zu vergleichen. Der Filmemacher ist diskret vorhanden, aber er selbst hat keine Wichtigkeit, die sich in irgendwelchen technischen oder Computermätzchen zu formulieren versucht. Die perfekte Handschrift ist ihm wichtig. Und die von Eastwood ist großartig. Jahrzehntelang geübt. Das Produkt soll dem Zuschauer munden und ohne viel Kauen nur so runterflutschen, aber es soll nicht substanzlos sein. Eastwood spart die Probleme nicht aus.

Hier nun erzählt Eastwood die Geschichte der Musikgruppe „Frankie Valli and the Four Seasons“ von deren Anfängen in den frühen Fünfzigern bis zum Eintritt in den Rockhimmel, in die „Rock and Roll Hall of Fame“, anfangs der Neunziger des letzten Jahrhunderts. Die Geschichte kann nachgelesen werden bei Wikipedia auf Englisch oder auf Deutsch.
Der Film wurde von zwei Mitgliedern der Band, von Frankie Valli und von Bob Gaudio selbst mitproduziert.

Das Drehbuch von Marshall Brickman und Rick Elice scheint redlich, versucht sich an das Authentische zu halten, spart die Mühsal und Schwierigkeiten eines solchen Aufstieges nicht aus, Ehe, die in Brüche geht, Kind, das sich umbringt, dubiose Geschäftsleute im Umfeld, fragwürdige Verträge, Rückschläge, 200 Abende im Jahr tingeln durch die Provinz, auftreten vor jedweder Gesellschaft in jedwedem Lokal, um Schulden zu tilgen und dagegen setzen die Autoren den Traum von der Ruhe, die Sehnsucht nach einem Zuhause, nach Stetigkeit. Der Preis für das Ziel, berühmt werden zu wollen, ist hoch. Ein Thema, was demnächst noch zwei weitere Filme nicht ganz so schonungsvoll und pfleglich behandeln werden: David Cronenberg mit „Maps to the Stars“ und Mike Myers mit „Supermensch – Wer ist Shep Gordon“.

Auch gibt Eastwood jungen Stars, die ihre ersten Sporen bereits verdient haben, wunderbare Vorzeigerollen: Vincent Piazza als Tommy DeVito, John Lloyd Young als Frankie Valli, Johnny Cannizzaro als Nick deVito, die hier schöne Rollen bekommen für ihre Biographien und die über die Arbeit mit Eastwood an die Kultur des guten, alten Hollywood andocken können – in dieser Hinsicht wirkt der Film ein bisschen wie von einem höheren Fortbildungs-College.

Die makellose Kinohandschrift von Clint Eastwood zeigt sich allein schon in der perfekten Schilderung von Outfit und Atmosphäre der 50er Jahre: die Frisuren der jungen Männer, ihr Benimm, ihr Verhalten, der Widerspruch zwischen Boy und Mann. Absolut glaubwürdig, deckt es sich mit dem Bild der 50er Jahre, wie wir es zumindest aus dem Kino kennen. Eastwood schwimmt im Kino wie ein Fisch im Wasser, kennt jede Strömung, den Auftrieb, den Abtrieb.

Mit der genau gleich vornehmen, Vertrauen wie ein erfahrener Landarzt erweckenden Art hat Eastwood in den letzten Jahren brisante gesellschaftliche Themen in schonungsvoller Kinohandschrift, die von der heutigen Computerwelt aus besehen vielleicht eine Sütterlin-Schrift wäre, behandelt: Baseball in Back in the Game, über den Geheimdienstchef Hoover in J. Edgar, das Thema „Jenseits“ in Hereafter, Kindsmissbrauch in „Mystic River“, über Nelson Mandela und die Apartheid in „Invictus“, Rassismus in „Gran Torino“, über den Krieg in „Flags of our fathers“ und „Letters from Iwo Jim“, über das Boxen in „Million Dollar Baby“.

Allerdings bleibt zu fragen, wen interessiert hier und heute bei uns die Geschichte der „Four Seasons“ in säuberlichster Sütterlin-Handschrift dargestellt?

Die geliebten Schwestern

Gediegen elaborierter Klassik Analog-Käse, geruchlos, mit Amphibitamin aufblasbar gemacht, mit einer Schillerdauerschlaufe auf der Tonspur versehen und garniert mit schönen Frauen.

Der dehnbare Spannbeton in diesem Amphibienprodukt (Kinoversion 140′, Festivalversion 170′, Fernsehversion 2×90 = 180′) ist in Verehrung und Zuneigung zum deutschen Nationaldichter Friedrich von Schiller die Sprache. Sie läuft unentwegt über den ganzen Film, sei es als Dialog, sei es als Voice-Over, sei es als Picture-Over Dialog aus dem Off. Sie läuft auch unentwegt visuell in immer derselben, der gleichen alten Handschrift in unendlichen Briefen, die unterschrieben, gefaltet, verpackt, versiegelt und per reitendem Boten verschickt werden, um dann wieder aufgefaltet, gelesen zu werden und so ihren Input zum nächsten Dialog zu geben.

Das Wort wird in diesem Film verehrt mit vielfältigen Einblicken in die Druckkunst und ihre Entwicklung, das Gießen der Buchstaben, das Zusammenstellen der Texte auf den Druckplatten und das Reflektieren darüber, wie die Entwicklung der Druckerkunst auf die Verbreitung von Texten sich auswirke.

Glück für den Dichter. Glück für den Schreiber. Schillersch aufgeschäumtes Molekularkino. Und wenn die Texte, die schillerangelehnt entworfen sind, nicht gerade vom Schreiben handeln, dann bleibt noch eine lockere Handlung oder sagen wir eher ein Beziehungsdreieck zwischen dem anfangs des Filmes noch zu habenden, mittellosen Dichter Schiller und den beiden Schwestern Lengefeld, eine verheiratet, eine nicht, beide schön. Die sind die Titelfiguren. Sie wollen sich wirklich vertragen die Schwestern und auch die Liebe zum Dichter ungetrübt teilen, immerhin eine reizvolle Ménage-à-trois-Konstellation. Nicht ohne Pikanterie. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Amphibienprodukt.
Volker Schlöndorff hat sich vor einiger Zeit um die Regie von „Die Päpstin“ gebracht, weil die Produzenten von ihm ein ebensolches Amphiebienprodukt wie das vorliegende verlangt haben und weil er sich erlaubt hat, öffentlich über die Unart von Amphibienprodukten nachzudenken. Dominik Graf will da schlauer sein. Er meint im Presseheft „den Film zu drehen war eine Freude“. Wer genau hinhört, merkt allerdings, dass er vom Drehen und nicht vom Schneiden spricht. Denn das kann sehr wohl ein Problem sein, aus einer bestimmten Materialmenge gleichzeitig einen Film von 140, 170 und 180 Minuten zu schneiden. Walter Hill gab in diesem Jahr anlässlich des Filmfestes München in einem Interview mit Fritz Göttler und David Steinitz in der SZ eindeutig zu verstehen, dass ein Kinofilm eben seine Länge hat.

Eine Amphibienprodukt geht nicht ohne Amputationen, ohne Verletzungen, ohne Qualitätsminderungen. Diese werden bei Dominik Graf gegengewichtet mit pausenloser Zutexterei im Stile Friedrich Schillers, so dass der geneigte Stadttheaterabonennt sagen würde, wir haben den Klassiker so, dass wir ihn wieder erkennen: keine Experimente. Graf hebt den Klassiker auf den Amphibiensockel. Im Gegensatz zu Anne Fontaine, die den Klassiker Flaubert mit ihrer Bovary-Adaption „Gemma Bovary“ (Kinostart 18. September) auf Bäckers Brottisch runterholt – sie tut es mit Humor.

Was passiert nun in diesem Film? Ein brauchbares Stadttheater-Ensemble bringt die Texte fehler- und pausenlos, trägt sie vor, trägt den Film weiter, lenkt den Geist ab vom Bild, das doch auf kümmerliche Mittel schließen lässt: Nahaufnahme folgt auf Nahaufnahme selbst bei Szenenwechsel höchstens mal kurz ein Blick auf eine Landschaft. Der Film macht schmerzlich deutlich, wie armselig die Auswahl an historischen Locations in Deutschland ist, erweckt den Eindruck von kinematographischer Beengung, mindert den Kinogenuss erheblich; vermittelt das Gefühl eines Schulungs- und Seminarraumes mit Schillertonschlaufe beschallt.

Fängt gleich mit einer Nahaufnahme in einer Kutsche an. Dann sieht man kurz, dass die sich auf einem Weg bewegt. Für die Expostion einer spannenden Kinogeschichte ein gewagtes Unternehmen, was meiner Ansicht nach hier nicht aufgeht. Aber der Macher Graf dürfte überzeugt davon sein, dass er es nicht nötig hat, alles vorzubereiten, was später Spannung herstellen soll, Emotionen erzeugen soll. Er setzt auf den liturgisch-ritualhaften Effekt des pausenlosen Tönens und Textens – wie die lateinische Messe; wobei die Sprachregie keinesfalls hervorragend oder gar brillant zu nennen ist. Zeit dafür gibt die Amphibie nicht her.

Graf, der geschmackvolle, stilsichere Ästhet mit einem Faible für impressionistische Pastelltöne, für schöne Frauen, hier Henriette Confurius und Hannah Herzsprung als die beiden Schwestern, und gibt sich hier noch dazu als historisierender Requisitenfetischist zu erkennen.

Eine Aufführung nach dem Geschmack des Theaterabos blau oder grün oder gelb oder violett oder Dienstag oder Donnerstag. Kino als ein Ort der Hingabe an Kunst statt Kunst selber. Kino als Ausgeburt von Förderstrukturen, das nicht von sich aus stimmig sein muss. Graf, einer der Haus- und Hauptgötter im Kinopfründeland. Graf und Schiller: da gehen alle Förderer in die Knie, da ist der Kulturgottesdienst gerettet, die Kulturnation im siebten Himmel, egal, ob der unvoreingenommene Zuschauer dem Film etwas abgewinnen kann oder auch nicht.

Ist ja eh nur für die Matinee oder als Folterinstrument für den Schulunterricht gedacht. Aber man sieht dem Film, und das ist ja auch eine positive Feststellung, an, dass in der hiesigen Filmkultur jedes Feeling für das Höfische abhanden gekommen ist. Und eben auch für den gepflegten, bewussten Sprachduktus und die entsprechende Sprachmeisterung; die ist dann doch mehr beeinflusst vom Nuscheln und dem lässigen Wegsprechen, vom „S“, das leicht lispelt, denn von bewusster Artikulation („nach Jena“ hört sich an wie „nach China“). Macht die Chose wenig remarkabel.

Statt-Theaterkino. Abhandlung statt Handlung. Insofern sind viele emotionale Szenen schwer zu spielen, weil ihnen die Basis fehlt, die Charakterisierung der Figur. Insofern wirken sie komisch. Unfreiwillig. Vielleicht hätten vor dem Dreh zum Test des Drehbuches wenigstens Readings veranstaltet werden sollen. Da wären möglicherweise schnell Schwachstellen entdeckt worden, die den Insidern längst selbstverständlich waren, die aber für den nicht Informierten Verständnisschwierigkeiten und damit die Gefahr des Aussteigens aus dem Film bergen.

Gelegentlich kam ich mir vor wie der verletzte Höhlenforscher im Riesending. Chancenlos zugepackt und durch eine nicht enden wollende Höhle transportiert. Es ist auch kein Besetzungshighlight. Noch ist bei dieser Art Macherfilmarbeit die Chemie zwischen den Darstellern von Interesse.

Und: deutsches Liedgut muss sein „Oh wie wohl ist mir am Abend“. Deutelungsvoll vielleicht.

Oder das Gefühl, man kriegt immer nur einen Ausschnitt aus der Geschichte mit. Weil drum herum alles Neuzeit ist. Oder Kino wie Briefmarkensammlung. Graf zeigt uns eins ums andere seiner Glanzstücke, man kommt vom Lupenblick kaum los. Vertüdelt sich im Detail. Dabei ist der größte Drehbuchlapsus: keine Hauptfigur. Davor schreckt das deutsche Kino immer noch zurück. Insofern scheint mir der Schillerdarsteller Florian Stetter oft mehr Schauspieler als Dichter.

Auch die Musik ist, wie der Geschmack von Graf überhaupt, einwandfrei, lupenrein, tadellos kulturell. All diese Zutaten summieren sich für mich zum Begriff eines Biedermeierkinos. Was eine urkomische Kontradiktion zum Begriff Kino ist, eine enorme Einschränkung der Möglichkeiten des Kinos. Hier wirkt Kino wie ein Kriechtier, ein Wurm, der aus beliebig vielen Segmenten bestehen kann: richtig: Amphibie. Sie will uns 140, 170 oder 180 Minuten fesseln … Refrain – und fesselt dadurch gar nicht. Dominik Grafs geschmacksvolles Biedermeierkino.

Nach etwa einer Stunde in der Kurzfassung von knapp 140 Minuten schält sich empirisch nachvollziehbar die Grundkonfliktkonstellation etwas heraus, soweit wichtige Sätze nicht im Rauschen und Gischten des Rheinfalles versenkt worden sind.

Bei den Requisiten wurde darauf geachtet, dass sie möglichst museal perfekt-sauber und gut sichtbar, ohne jeden Hinweis auf Verwendung, ausgebreitet wurden. Auch auf Distanz ergibt sich mir in dem Film nicht mehr Sinn, als kulturelles Ergötzen, ergibt sich nichts, was mich im Hinblick auf unsere Zeit auch nur eine Sekunde über den Film hinaus beschäftigt. Bestenfalls könnte ich versucht sein, wie in der klassischen Musik, Noten zu verteilen, und da wäre eine ganze Bandbreite zu vergeben über die Sprechkunst beispielsweise, Kunst der Haltung und des sich Bewegens in höfischen Kostümen, Kunst der Gestik in ebensolchen; Kunst der Alltäglichkeit in solchen Umgebungen; über die Glaubwürdigkeit oder Theatralität der Figuren.
Dadurch wirkt der Film auf mich außerordentlich hackelig, Schnitt, stößt mich eher ab als dass er mich reinzieht; aber das wollen wir ja auf keinen Fall, das könnte ja, denn der Stoff ist nicht ohne, wenn er denn kinogründlich bearbeitet worden wäre, ein richtiger Kinoerfolg draus werden. Aber das wollen wir im Pfründenland doch bittschön vermeiden, sonst könnten wir uns gar noch aus dem Pfründengespinst befreien, was nichts anderes bedeuten würde, als selbst Verantwortung zu übernehmen.

Mir fällt bei diesem Film folgende Anekdote ein: ein gestandener mit diversen Bühnentricks gewaschener Schauspieler erzählte einmal, er habe eine Technik entwickelt, wie er Hänger in klassischen Texten überbrücke: er spreche einfach im Rhythmus weiter, wobei er einen unverständlichen Verhau an Silben produziere, bis er wieder in den vorgegebenen Text einspure, das habe noch jedes Mal funktioniert und kein Mensch habe das je bemerkt.

Dem Schillerdeckmäntelchen und dem Namen Graf konnten von Seiten des Zwangsgebührenfunkes als Förderer nicht widerstehen: WDR, Intendant Tom Buhro, BR, Intendant: Ulrich Wilhelm, Degeto, verantwortliche Gechäftsführer: Christine Strobl, Stefan Lux, arte, Präsidentin: Véronique Cayla,
von Seiten staatlicher deutscher Filmförderer:
Mitteldeutsche Medienförderung, Intendantin Prof. Dr. Karola Wille,
Film- und Medienstiftung NRW, Vorsitzender des Aufsichtsrates Prof. Dr. Werner Schwaderlapp,
FilmFernsehFonds Bayern, Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Schaefer,
Filmförderungsanstalt, Vorstand Peter Dinges,
Deutscher Filmförderfonds, Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters.

Rote Karte des Zwangsgebührenzahlers.

22 Jump Street

Wem diese 100 Minuten überdrehter, chaotischer, prallgaggefüllter SommerKnallerKomödie nicht reichen, der darf sich auf den Abspann freuen, wo noch jede Menge, hier überdreht sich die Überdrehtheit selbst, neue Jump Street Folgen bis 30, 40 oder 52, egal, angekündigt werden, in den Milieus von Kirche und Küche bis Undcover im Altenheim. Bis dahin wird sich das jugendliche PowerPublikum auf den das Sequel abzielt, beruhigt haben. Bis dahin dürften Jonah Hill als Schmidt und Channing Tatum als Chenko ein paar Falten und graue Haare haben. Hier aber gehen sie, obwohl schon etwas überzogen, noch als College-Boys durch, als verschworene Buddies mit einem schwierigen Undercover-Auftrag, dem Aufdecken eines Drogenringes, der die mysteriöse Droge Mhy-Phy herstellt und vertreibt. Programmgemäß läuft bei den beiden alles so dumm wie möglich und sie brauchen gut anderthalb Stunden bis die teilabgefackelte Welt wieder in Ordnung ist, halsbrecherische Helikoptervernichtungsaktion und der Versuch Springbreakers zu toppen.

Dafür geht’s nach Puerto Mexiko mit noch mehr Menschen, noch mehr Action, noch mehr Lärm und Radau und Chaos und nebenbei mit vielen Schießereien, Keilereien, Slapstickmomenten und nicht salonfähiger Behandlung von Frauen. Allerdings waren sie nicht vorgewarnt, dass ausgerechnet die bildhübsche Tochter ihres Chefes, der in einem futuristischen Glasbüro, das in einer Kirchenruine steht, residiert, auch an dem College studiert; und dass sich da mit dem einen der Buddys was tun wird. So eine reizvolle Konstellation lässt sich die professionelle Drehbuchcrew um Michael Bacall, Oren Uziel und 5 weiteren Autoren in der Regie von Phil Lord und Christopher Miller nicht entgehen.

Näpfchen über Fettnäpfchen und der Football spielt eine wichtige Rolle, um an den Mann heranzukommen, der ein gewisses Tattoo hat.

Wenn der Jeep der Ganoven das „Helmet-“Elektrofahrzeug der Fußballer verfolgt, so bleibt wenig Materie, so wie sie vorher war, wenn sie im Weg steht. Footballrituale, Männerrituale, wilde Träume, Sauforgien, und einige Eierwitze müssen auch sein, gehört dazu oder Bierflaschenöffnen mit den Augenlidern; Worstpiele Pro – Dude – Pro – Dude – Pro oder ein Bericht über den Sex mit der hübschen Tochter des Chefs, der in einen Vortrag über die Missionarsstellung mündet, geheime Einbruchsaktionen, die mehr mit Clownerie und Akrobatik zu tun haben als mit Geheimaktionen, und sollte jemand vom Auge her nicht ganz gefordert sein, so dröhnt ihn garantiert die heftige Musik zu.

Hier soll kein Geist schläfrig bleiben, hier soll er massiert und geknetet werden, hier sollen die Lachmuskeln eine Betätigung finden. Und das alles in einer bunten, sorglosen Collegewelt, die die Jugend vermutlich viel verrückter, lebendiger und powerfuller darstellt, als sie in Wirklichkeit ist. Versuch eines Gemäldes von Jugend als Chaos, Turbulenz, Trieb-Latenz, Temperament und Atemlosigkeit. Hier bleibt keiner keinem etwas schuldig.

The Purge: Anarchy

Das amerikanische Kino ist zu einem beachtlichen Teil ein Dauer-Purge, eine Art Anstalt zur Dauerreinigung von gesetzlosem Gedankengut und Selbstjustiz, so dass man nicht mehr weiß, ob es die Realität spiegelt oder ob die Realität vor lauter Gewaltfilmen glaubt, selber so werden zu müssen. Die Rate an Gewaltverbrechen ist groß und die Regierung machtlos der Waffenlobby und wohl auch Hollywood gegenüber. Das dürfte James DeMonaco vor über einem Jahr zu einer filmischen Fantasie veranlasst haben, die als The Purge – Die Säuberung hier ins Kino gekommen ist, die etwa 3 Millionen Euro gekostet haben soll und laut IMDb allein in den USA innert weniger Monate mehr als das Zwanzigfache eingespielt hat.

Das Gedankenspiel ist verführerisch: eine neue Gründungsgeneration von Politikern hat in den USA als Mittel gegen die Gewalt im Lande eine anarchische Lösung gefunden: an einem Tag im Jahr, eben dem „Purge“ darf während 12 Stunden jeder mit jedem seine offenen Rechnungen begleichen, egal mit welchen Mitteln, egal mit welchen Folgen: aber garantiert mit keinen staatlichen Folgen, mit keinen juristischen Folgen.

James DeMonaco hatte in seinem ersten Purge eine Familie im Zentrum, die selbst mit Sicherheitsfragen befasst war und die für sich den höchstmöglichen Sicherheitstandard, also Schutz vor Purgern, beanspruchte.

Jetzt scheint the Purge auf dem Weg zu einem Franchise zu sein. Jetzt werden die Dinge komplizierter. Wieder hat James DeMonaco das Buch geschrieben und die Regie geführt. Nach dem Überraschungserfolg seines ersten Purges will er reflektierter werden. Der Purge wird von einer Gruppe um einen Che-Guevara-Typen, Camelo, in Frage gestellt, weil er nur im Interesse der Reichen sei. Er will dem Purge mit den Mitteln des Purges den Garaus machen, weil er nämlich im Jahr neun seines Existierens, wir schreiben das Jahr 2024, von den neuen Gründungsvätern als großer Erfolg gefeiert wird, die Verbrechensrate bei 0,5 Prozent, kaum mehr Arbeitslose.

Die Gruppe um Carmelo ist zur Erkenntnis gekommen, dass die Zahlen eine Folge dessen seien, dass der Purge vor allem dazu diene, Obdachlose, Arbeitslose, sozial Schwächere zu töten und so die Statistik zu bereinigen. Es gibt Bilder im Film, die diese Vermutung unterstützen, vom einem LKW werden mit Flammenwerfen Obdachlose entsorgt, die unter einer Brücke hausen und es gibt Maskierte, die so tun, als gehören sie zu den Purgegegnern und wollen potentielle Opfer schützen. Diese fangen sie ein. Darunter ist eine kleine unbehauste Gruppe von hübsch gesichtsmodellierten drei Frauen und zwei Männern, die aus verschiedenen, dramaturgisch ziemlich durchsichtigen Gründen sich auf der Straße befinden. Die so Eingefangenen werden an einer Luxusveranstaltung von Herrschaften in Abendkleidung, Reiche also, über eine Versteigerung zum Abschuss in einem speziellen Darkroom freigegeben. Purge um des Purges willen.

Ob erwägenswert oder nicht, immerhin Gedankenspielereien. Allerdings scheint durch das Überwiegen des thematischen Impetus, dem Purge eine selbstreflektive, sozialkritisch-soziologische Komponente einzuflößen, die einfache Spannung, die DeMonaco mit seinem ersten Purge durch die Konzentration auf die Thematik Sicherheit erzeugt hatte, verloren gegangen zu sein.

Die Synchro ist reine Routine – sie sollte auf der Hut sein beim nächsten Purge. Im übrigen ist die Vorbereitung auf den Purge, die Einführung, die Herleitung gekonnt amerikanisch. Die schaffen es einfach, so etwas plausibel aufzuzäumen. Aber ist es zwingend, dass in einem Horrorfilm nur noch auf Püppchengesichter getrimmte Frauen mitspielen dürfen?

Die Hörner, die Anfang und Ende vom Purge verkünden, die sind urhaft eindringlich. Ende der Zivilisation. Und dann wieder: Ende der Purge-Anarchie. Als sei nichts gewesen. Nach einen Gewitter ist die Luft rein, nicht?

Eyjafjallojökull, der unaussprechliche Vulkanfilm

Am Ausbruch des unaussprechlichen Vulkans Eyjafjallojökull (das wird an der Kinokasse sicher lustig, wenn die Leute versuchen eine Karte für diesen Film zu bekommen) hat sich schon Ben Stiller mit Das erstaunliche Leben des Walter Mitty abgearbeitet. Der hat ihn allerdings nur als eines von mehreren spannungserzeugenden Mitteln eingesetzt.

In Frankreich musste es jetzt offenbar holterdipolter gehen und der Vulkanausbruch als Anlass für eine Komödie herhalten. Vielleicht hatten sie einfach zu wenig Zeit, Laurent Zeitoun, Yoann Gromb, und Alexandre Coffre, der auch die Regie besorgte, um der Komödie die richtige Vorbereitung, das richtige Timing und die richtige Lustigkeit zu verpassen. Vielleicht musste es einfach zu schnell gehen. Denn die Idee, die ist ja nicht übel.

Ein seit langem getrenntes Ehepaar befindet sich im selben Flugzeug auf dem Weg nach Griechenland, um an der Hochzeit der gemeinsamen Tochter teilzunehmen. Die Vulkanasche verrieselt die Reiseroute. Der Flug wird umgeleitet (ausgerechnet über München – aus Filmfördergründen?, das ist doch näher an der Asche als Athen?). Alle Weiterflüge ab München sind ausgebucht.

Auf Gedeih und Verderb muss das getrennte Paar wider Willen gemeinsame Wege gehen. Da kann man schon einiges erfinden an zwickligen Situationen oder sich an solche aus anderen Filmen erinnern, das wird schon funktionieren werden sich die Produzenten gesagt haben, denn unser angesagte Star, Dany Boon, ist seit dem Welterfolg von „Willkommen bei den Sch’tis“ überall bekannt und zieht die Leute in die Kinos, denken sie. Da kommt es bei der Komödie auf Genauigkeit nicht mehr an.

Kommt es natürlich doch und wenn die Komödie kein Sprungbrett hat, von dem sie federnd abheben kann, dann kann es eine ziemlich aufgesetzte und zähe Angelegenheit werden. Da sollte man Billy Wilder lieber vergessen. Natürlich haben die Filmemacher viel Arbeit in ihr Werk gesteckt. Haben viele Situationen erfunden, die so eine Reise unter dem dringlichen Aspekt ein bevorstehenden Hochzeit und erschwerter Reisebedingungen, die durch die menschlichen Verhältnisse noch komplizierter werden, leinwandergiebig erscheinen lassen können. Mit Austricksen des Partners durch Kauf eines falschen Tickets. Mit einem sauteuren Sportwagen als Mietwagen, der bei einer Partnerauseinandersetzung am Rande der Autobahn im Leerlauf zurückfährt und von einem massiven LKW zerlegt und plattgedrückt wird. Mit einer ganzen Liste von nötig gewordenen Delikten, die die Polizei auf die Fährte der zwei Hochzeitsgäste setzt. Mit der plötzlichen Flugkunst, dank Computerspielen. Mit einem schönen Flugzeugabsturz, Nase voran in felsig bewaldetem Gebiet. Mit Hinterlist und Kooperation. Mit einer Art Versöhnung, die sich durch die gemeinsamen Abenteuer ergibt.

Da ist schon was los auf der Leinwand, auch wenns mit dem Komödienrhythmus hapert und die deutsche Nachsynchronisation den uninspiriert aneinandergereihten Aktionen noch den letzten Schliff an Sterilität verpasst. Immerhin haben die beiden Protagonisten einen Beruf: Dany Boon ist Fahrlehrer und seine Exfrau hat eine Tierarztpraxis, was ihr in einer eigens zu dem Behufe erfundenen Beamtenbestechungsszene zugute kommen wird und somit ein weiteres Hindernis auf dem Weg nach Griechenland wegräumen hilft.

Ein Mittel von Dany Boon, was er mindestens in zwei Szenen einsetzt, einmal zusammen mit dem Onkel, ist das Weinen, was er ziemlich durchsichtig herstellt. Und nicht weniger billig ist der Gag mit dem bärtigen Christen und seinem Wohnmobil, was eine rollende Kirche ist. Sein Kreuzlein im Bart ist so klein, dass man sich bei Seitenansichten immer wieder fragt, ob die das für diese Szene vergessen hätten. Damit ist gewiss kein Kerzlein auf dem Weg ins Komödienhimmelreich zu gewinnen. So wenig wie mit vielen anderen, wie krampfhaft erfundenen und eingebauten Gags, die Freudenschießerei in den Himmel, der tote Adler; so kann auch die Würze der Frage, wieso der Hass zwischen den beiden so groß werden konnte, dass sie sich hätten umbringen können, das Gericht nicht scharf machen. Denn genau das ist es, was in der Exposition fehlt: diese abgrundtiefe Entfremdung zwischen den beiden, die die Reise spannend machen könnte, die wird gar nicht erst eingeführt; die wird einfach vorausgesetzt, was genau dem Verzicht auf das Sprungbrett für die Komödie entspricht.