Wara no tate – Die Gejagten

Verschiedene Spannungselemente heizen diesem Thriller massiv ein.
Was die Gier aus den Menschen und aus ihnen in Massen machen kann, das zeigt uns hier eindrücklich an einem einfach und klar exponierten Fall Takashi Miike, für den Tamio Hayashi das Drehbuch nach dem Roman von Kazuhiro Kiuchi geschrieben hat.

Der hübscheste, unschuldig wirkende, jüngste Bengel von allen, Kiyomaru, hat alles ausgelöst. Er hat kleine Mädchen umgebracht. Dummerweise war eines davon die Enkelin eines der reichsten Männer Japans. Der hetzt nun die Menschheit auf den Mörder mit abstrusen Forderungen und mit der Aussicht auf noch abstrusere Kopfgeldsummen, die er dafür bietet: nicht Millionen, sondern Milliarden. Solche unvorstellbar hohen Beträge können die Menschen die Besinnung und die kulturell-zivilisierte Contenance verlieren lassen.

Um der Angelegenheit noch mehr einzuheizen, sie noch gefährlicher zu machen, lässt das Drehbuch die Polizei Kiyomaru, Tatsuya Fuiwara, in der Provinz ergreifen, weit weg von Tokio, wohin er jedoch zu rechtmäßiger Verurteilung gebracht werden muss. Ein hochriskanter Menschentransport steht bevor.

Die Geschichte wird in den Medien so aufgebläht, dass sich Menschenmassen dem Transport in den Weg stellen, dass Menschenmassen den Mörder umbringen wollen, um das Geld zu kassieren. Die Hysterie steigert sich noch mehr nach ersten blutigen Kämpfen um Kiyomaru, nachdem bekannt geworden ist, dass diejenigen, die es gewagt hatten, auf Kiyomaru zu schießen, vom Milliardär bereits fürstlich entlohnt worden seien.

Außerdem kämpft die Polizei gegen einen Verräter in ihren eigenen Reihen, ein Strang der Geschichte, der erst sehr spät aufgelöst werden wird. Sie versucht jedenfalls alles Menschenmögliche zu tun, um den Delinquenten sicher nach Tokio zu bringen. Eine Wagenkolonne aus Gefangenentransportfahrzeugen und begleitenden, irrlichternden Polizei-PKWs dürfte schätzungsweise ein Kilometer lang sein und braucht die ganze Autobahn. So kann, denken sich die Verantwortlichen, dem kostbaren, teuren, wertvollen Gefangenen nichts passieren. Bis ein mit Nitroglyzerin beladener Tanklastwagen von vorne und ohne zu bremsen in den Konvoi hineinfährt und somit den äußeren Sicherungsring um das kostbare Gefahrengut wie nichts sprengt. Ab hier bröselt auch der innere Sicherungsring aus etwa einem halben Dutzend Beamten, die die Preziose von Verbrecher wie einen Augapfel hüten.

Der Mörder selbst verhält sich umgekehrt proportional zu seiner Prominenz. Eher wie ein gutmütiger Junge, halb belustigt, beobachtet er vorerst das ganze Trara, das seinetwegen veranstaltet wird. Einer hat jetzt die rettende Idee mit dem Shinkansen. Aber hier wird es eng, denn so ein Zug bietet, das haben schon viele Filme gezeigt (zuletzt Snowpiercer), genügend Elemente für Thrillerspannung, die Miike auch reichlich einsetzt. Doch das Zerbröseln des Sicherungsringes um Kiyomaru geht weiter, bis er zum finalen Countdown fast schutzlos dasteht.

Der Film dürfte deshalb so spannend sein, weil einerseits die Exposition ohne Federlesens knapp und klar ist, weil die Dosierung der Spannungselemente meisterhaft ist, gerade auch mit ruhigen Momenten inneren Monologes oder ganz unaufgeregter Gespräche und Lagebesprechungen, die aber zur Konsolidierung des Spannungsfadens unerlässlich sind und auch mit Gefühlen fährt Miike hart am Wind, schreckt vor emotionalen Ausbrüchen nicht zurück, setzt sie aber so wohldosiert ein, dass der Glaubwürdigkeit des Plots kein Abbruch getan wird.

Visuell und emotional in die Magengegend zielend sind die diversen Massensszenen von Polizei einerseits und den Massen der Menschen andererseits, die alle ihr Teil von der Milliarde sich erhoffen. Die Glaubwürdigkeit wird noch gesteigert dadurch, dass eben nicht alle Menschen so sind. Es gibt an einer diffizilen Stelle fürs Weiterkommen eine hilfsbereite Taxlerin, die ist Menschenfreundin und hat gerade sonst nichts zu tun. Sie weiß, wen sie bei sich hat, ist aber an Kopfgeldjagd nicht interessiert. Die Tatsache, dass die Bewachungsmannschaft bald weiß, dass jemand unter ihr mit einem GPS-Sender ausgerüstet ist, der in die Welt hinaus verrät, wo der Transport und damit die Chance auf die Milliarde sich gerade befindet, strapaziert die Vertrauensgrundlage des kleinen Teams aufs Äußerste. Denn, wer den Gefangenen liefert, der kann auf die Milliarde hoffen.

In unseren finanziell übertriebenen Kasino-Zeiten ist so eine Milliardenbelohnung durchaus denkbar. Diese Glaubwürdigkeit ist es, die das Genre hier in schwindlige Thrillerhöhen treibt.

Rico, Oskar und die Tieferschatten

Die Stärke dieses Filmes fußt auf der spannungsreichen Figurenkonstellation aus dem Originalroman von Andreas Steinhöfel mit dem aufregenden Gegensatz von tiefenbegabtem Autodidakten Rico und karrieristischem, anpasserischem Alleswisser Oskar, der einen akuten, gesellschaftlichen Konflikt spiegelt: überall werden Querdenker gesucht, wenn einer es aber ist, wird er abgelehnt; gilt in besonderem Maße für das hochgeförderte Filmpfründenland. Der Rest ist bemühte, deutsche Subventionsfilmerei mit Anspruch auf gute Noten und Mangel an Querdenkerei, was leider keine Kinobegeisterung schaffen kann. Stefes Review anlässlich des Filmfestes München.

Qissa – Der Geist ist ein einsamer Wanderer

Wie ein stolzer Vater sich die Welt nach seiner Vorstellung auf Kosten seiner Tochter, die ein Sohn sein sollte, zurechtbiegt. Eine indische Geschichte mit deutsch-holländischer Förderung. Stefes Review anlässlich des Filmfestes München

Die Karte meiner Träume

Eine wunderhübsche Aneinanderreihung höchst exquisiter Bilder in View-Master-Manier zum Thema: genialer Junge in wenig genialer Umgebung und seine Reise durch das wenig geniale Amerika bis zum wenig genialen Smithonian-Institut in Washington, wo er für seine Erfindung eines Beinah-Perpetuum-Mobiles nebst einer anrührenden Rede, die er hält, noch ein wenig Medien-Bashing betreibt.
Fast so süß wie Fotostrecken junger Eisbären. Stefes Review anlässlich des Filmfestes München.

Die große Versuchung – Lügen bis der Arzt kommt

Eine gut buchstabierte, gut verständliche, leicht verdauliche Geschichte über die menschlichen Eigenschaften des Manipulierens und Falsche-Tatsachen-Vorspielens, angesiedelt in einem überschaubaren kleinen Hafen mit entsprechendem menschlichem Milieu und fernab der modernen Kommunikations- und Verifikationsmedien. Stefes Review anlässlich des Filmfestes München.