Good Vibrations

Dieser Film hält, was er verspricht, er verströmt good vibrations; ein Hinweis darauf liefert auch gerne der Gang zur Toilette nach der Vorführung, wenn man gut das Wasser lassen kann, dann hat einen der Film bis ins vegetative Nervensystem gefesselt. Das versteht speziell die britisch-irische Herzlichkeit, wenn sie sich eines Objektes annimmt, von dem sie überzeugt ist und das sie dann ganz pragmatisch-enthusiastisch und teils intuitiv präsentiert.

Die „Good Vibrations“, um die es hier geht, war der Name eines irischen Plattenladens und eines Plattenlabels, hiner denen Terri Hooley stand, der ein Idealist war, der gegen die ewige Religionskriegerei und Bomberei in Nordirland mit der Musik etwas entgegensetzen wollte. In der Darstellung von Richard Dormer gibt es vielleicht Momente, in denen dieser Idealismus einem etwas dusselig vorkommt. Wenn man das Original im Abspann sieht, verändert sich die Sicht leicht auf die Figur. Aber auch das empfindet man nicht als negativ; denn es entspricht der schnellen und leichten Hand und auch dem Vergnügen am Umgang und den Möglichkeiten mit dem Filmmaterial, das sich die beiden Regisseure Lisa Barros D‘ Sea und Glenn Leyburn nach einem Buch von Colin Carberry und Glenn Patterson zum Motto ihrer Arbeit gemacht hatten: das Versöhnliche und Unparteiische der Musik selber sprechen zu lassen.

Mit schnell und zügig abgehandelten Kindheitsimpressionen von Terri fangen sie an. Der Knabe im rosengesäumten kleinen Vorgarten. Das Knabenspiel, in dem er durch einen fehlgeleiteten Pfeil seines Spielkameraden ein Auge verliert. Ab da ist er glasäugig. Das zu spielen macht Dormer keine besonderen schauspielerischen Verrenkungen, man weiß es ja.

Eine Eigenheit solcher Musikfilme scheint gerne auch die zu sein, eine Rührstory zu beinhalten. Die Band, die groß rauskommen möchte. Die Band, durch die Terri unversehens zum Produzenten wird. Der Plattenladen, den er erst mittels Verpfändung des Hauses mit seiner Mona-Lisa-liken Frau Ruth eröffnet. Weil er ein Musik-Liebhaber ist und nach lauter Ablehnungen von den großen Labels findet die zündende Begegnung bei BBC in London statt mit einem Redakteur (der auch in Deutschland bekannt gewesen ist, damals, der Film spielt vor allem in den blutigen, irischen 70ern, nachdem er in den 60ern begonnen hat, wo Menschen sich noch nach verschiedenen Kriterien unterschieden und nicht wie später nur nach katholisch und protestantisch schubladisiert wurden – welchen Gegensatz Terrri mit seinem Laden erfolgreich außer Gefecht gesetzt hat). Dieser Redakteur verhilft einer seiner Bands schließlich zum Durchbruch.

Das ist nach all den Abfuhren in London einer dieser anrührenden Momente, wenn Terri sich zuhause auf dem Klo mit einem Buch verschanzt hat und seine Frau am Radio plötzlich den neuen Hit hört und der Präsentator diesen Punk- oder PunkRock-Song gleich sensationellerweise nochmal auflegt.

Geschäftlich jedoch war Terri eine Niete. Wie ihm für das Label 20’000 geboten werden, verlangt Terri nur 500, denn das reiche für die Anschaffung eines neuen Tourneebuses. Dieses Geschäftsgebaren führt zu einer Krise nicht nur in der Ehe, die inzwischen mit einem Kind gesegnet ist, auch mit seinem Laden, Schulden. Als Rettung ein Konzert, der Höhepunkt im Film, in der 2000 Menschen fassenden Ulster-Hall. Wo sie wieder miese machen, weil Terri das Gros des Publikums als Gäste hereinlässt, das Konzert mit der größten Gästeliste, heißte es. Gute Szene bei einem der ersten Konzerte, wie die Polizei es abbrechen will, und Terri kommt und meldet, draußen sei ein Bürgerkrieg. Wie die Band, nachdem Terri das Wort formuliert hat „The Royal Ulster Constablerey“, diese Anfangsbuchstaben zum Rap macht. Die Verwandtschaft zum Reggae und zu Jamaika.

Die Musik, die über die katastrophalen, politischen Bedingungen hinweghilft. Abgesehen davon, geben uns die Macher filmisch ein herrlich, leicht verfärbtes Bild der 70er, lange nicht so geleckt wie der deutsche Subventionsfilm Banklady kürzlich es mit den 60ern gehalten hat. Hier ist alles abgefuckt. Terri hat nach dem Motto seines Vaters, des 12fachen Wahlverlierers gehandelt (das führt zu einem philosophischen Gespräch über das Siegen zwischen den beiden), dass die Freiheit mehr wert sei als die Käuflichkeit. Darum hat er das Label unter Preis hergegeben. PunkRock hat der irischen Jugend eine Chance zu leben gegeben. Wie weit er den Boden für einen Frieden mitbereitet hat, dürfte wohl schwer zu beweisen oder gegenzubeweisen sein.

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