Rosie

Ein verhaltenspsychologisch ausgeklügeltes Melodram aus der Schweiz, was vom Plot her gelegentlich etwas ins Schlingern gerät durch die Unentschiedenheit des Schwerpunktes zwischen der Behandlung der Antinomien schwulen Lebens (Beziehung oder Dark Room) einerseits und den Problemen mit einer alten Mutter andererseits.

Es ist Rosie, die Titelfigur, die Alkohol und Zigaretten liebt, und nicht in das Altenheim will. Vom Titel her geht es also um die Mutter von Lorenz und Sophie. Sie lebt allein in einer kleinen Ortschaft in der Ostschweiz mit Katze, Wachholder-Schnaps und Zigaretten. Eine etwas behinderte Nachbarin geht ihr manchmal zur Hand.

Der Film von Marcel Gisler, der mit Rudolf Nadler auch das Drehbuch geschrieben hat, fängt gleich mit einer Verknüpfung seiner beiden Themen in der Wohnstube von Rosie an. Diese wird gespielt von der großartigen Sibylle Brunner, die etwas Clownhaftes in ihren Gesichtszügen hat, wodurch die ganze Boshaftigkeit und Starrsinnigkeit einer solchen Figur statt verbiestert höchst unterhaltsam rüberkommt, nichtsdestotrotz oder gerade deswegen möglicherweise besonders glaubwürdig. Sie qualmt und trinkt und am Fernsehen läuft gerade eine Sendung, in der über das neueste Buch ihres Sohnes Lorenz berichtet wird. Er ist schwul, erfolgreicher Schriftsteller in Berlin. Sein neuestes Buch „Schwarzlicht“ beschreibt die Entscheidung eines schwulen Mannes gegen Beziehung und für das Ausleben von Sex in Darkrooms. Ungefähr bei dieser Mitteilung stürzt die Mutter, kommt in die Klinik.

Die Kinder müssen sich kümmern, Sohn Lorenz, Fabian Krüger, kommt aus Berlin angereist, Tochter Sophie, Judith Hofmann, aus dem Thurgau, wo sie unglücklich verheiratet ist und einen halbwüchsigen Sohn hat.

Das Problem mit der Mutter wird also sein, wie sie versorgen, denn allein kann man sie nicht mehr lassen und die etwas beschränkte Nachbarin Chantal, Anna-Katharina Müller, würde die Mutter nur ausnehmen.

Das andere Problem wird in der Person von Mario, Sebastian Ledesma, akut. Er bewundert Lorenz, verliebt sich in ihn, lädt ihn in die Disko ein und prompt landen sie mit einer heißen Liebesszene im Bett. Der Konflikt ist eher der von Mario, der eine Beziehung will, während Lorenz die Liebesnacht mitgenommen hat und keine Beziehungsprobleme haben will. Aber steter Tropfen höhlt den Stein.

In immer neuen Szenen muss der Mutter klar werden, dass sie nicht mehr allein bleiben kann und in immer neuen Szenen werden sich Mario und Lorenz begegnen, denn Mario ist einer der möglichen Hilfen für Rosie.

Einen Exkurs bietet das Thema Markus und mit ihm im Zusammenhang der längst verstorbene Vater von Lorenz, der hehre Männlichkeitsideale hatte, sein Fotoalbum voller Boxer und Sportler in knackigen Unterhemden, keine Frauen. Zwischen den einzelnen Kapiteln oder Zeitsprüngen lässt Gisler auf Schwarz große, klassische Musik einspielen, damit das Drama, das Melodram erhöhend, ein kunstvolles Gefühl auf die vielen, minutiös und genauest beobachteten Alltagsgefühle und -szenen setzend. Wie beispielsweise Lorenz seine Mutter wäscht, ganz vorsichtig, sie einen fahren lässt, es muss grauenhaften stinken oder wie Lorenz ihr beim Strümpfe ausziehen helfen möchte, sie sitzt auf der Badewannenkante, da bekommt er es mit den Bandscheiben zu tun. Das wird ihm auch in der ersten Nacht mit Mario passieren. Das ist Alltagskomik auf feinstem Niveau.

Gisler hat mit einem ausgezeichnet besetzten Ensemble größtmögliche Realitätsnähe geschaffen. Das sind keine Figuren, die am Schreibtisch entstanden sind. Das sind Menschen sozusagen nach der Natur. Zu wissen, dass es nur vorgespielt und nicht die Natur selber ist, das macht einen zusätzlichen Reiz.

Good Vibrations

Dieser Film hält, was er verspricht, er verströmt good vibrations; ein Hinweis darauf liefert auch gerne der Gang zur Toilette nach der Vorführung, wenn man gut das Wasser lassen kann, dann hat einen der Film bis ins vegetative Nervensystem gefesselt. Das versteht speziell die britisch-irische Herzlichkeit, wenn sie sich eines Objektes annimmt, von dem sie überzeugt ist und das sie dann ganz pragmatisch-enthusiastisch und teils intuitiv präsentiert.

Die „Good Vibrations“, um die es hier geht, war der Name eines irischen Plattenladens und eines Plattenlabels, hiner denen Terri Hooley stand, der ein Idealist war, der gegen die ewige Religionskriegerei und Bomberei in Nordirland mit der Musik etwas entgegensetzen wollte. In der Darstellung von Richard Dormer gibt es vielleicht Momente, in denen dieser Idealismus einem etwas dusselig vorkommt. Wenn man das Original im Abspann sieht, verändert sich die Sicht leicht auf die Figur. Aber auch das empfindet man nicht als negativ; denn es entspricht der schnellen und leichten Hand und auch dem Vergnügen am Umgang und den Möglichkeiten mit dem Filmmaterial, das sich die beiden Regisseure Lisa Barros D‘ Sea und Glenn Leyburn nach einem Buch von Colin Carberry und Glenn Patterson zum Motto ihrer Arbeit gemacht hatten: das Versöhnliche und Unparteiische der Musik selber sprechen zu lassen.

Mit schnell und zügig abgehandelten Kindheitsimpressionen von Terri fangen sie an. Der Knabe im rosengesäumten kleinen Vorgarten. Das Knabenspiel, in dem er durch einen fehlgeleiteten Pfeil seines Spielkameraden ein Auge verliert. Ab da ist er glasäugig. Das zu spielen macht Dormer keine besonderen schauspielerischen Verrenkungen, man weiß es ja.

Eine Eigenheit solcher Musikfilme scheint gerne auch die zu sein, eine Rührstory zu beinhalten. Die Band, die groß rauskommen möchte. Die Band, durch die Terri unversehens zum Produzenten wird. Der Plattenladen, den er erst mittels Verpfändung des Hauses mit seiner Mona-Lisa-liken Frau Ruth eröffnet. Weil er ein Musik-Liebhaber ist und nach lauter Ablehnungen von den großen Labels findet die zündende Begegnung bei BBC in London statt mit einem Redakteur (der auch in Deutschland bekannt gewesen ist, damals, der Film spielt vor allem in den blutigen, irischen 70ern, nachdem er in den 60ern begonnen hat, wo Menschen sich noch nach verschiedenen Kriterien unterschieden und nicht wie später nur nach katholisch und protestantisch schubladisiert wurden – welchen Gegensatz Terrri mit seinem Laden erfolgreich außer Gefecht gesetzt hat). Dieser Redakteur verhilft einer seiner Bands schließlich zum Durchbruch.

Das ist nach all den Abfuhren in London einer dieser anrührenden Momente, wenn Terri sich zuhause auf dem Klo mit einem Buch verschanzt hat und seine Frau am Radio plötzlich den neuen Hit hört und der Präsentator diesen Punk- oder PunkRock-Song gleich sensationellerweise nochmal auflegt.

Geschäftlich jedoch war Terri eine Niete. Wie ihm für das Label 20’000 geboten werden, verlangt Terri nur 500, denn das reiche für die Anschaffung eines neuen Tourneebuses. Dieses Geschäftsgebaren führt zu einer Krise nicht nur in der Ehe, die inzwischen mit einem Kind gesegnet ist, auch mit seinem Laden, Schulden. Als Rettung ein Konzert, der Höhepunkt im Film, in der 2000 Menschen fassenden Ulster-Hall. Wo sie wieder miese machen, weil Terri das Gros des Publikums als Gäste hereinlässt, das Konzert mit der größten Gästeliste, heißte es. Gute Szene bei einem der ersten Konzerte, wie die Polizei es abbrechen will, und Terri kommt und meldet, draußen sei ein Bürgerkrieg. Wie die Band, nachdem Terri das Wort formuliert hat „The Royal Ulster Constablerey“, diese Anfangsbuchstaben zum Rap macht. Die Verwandtschaft zum Reggae und zu Jamaika.

Die Musik, die über die katastrophalen, politischen Bedingungen hinweghilft. Abgesehen davon, geben uns die Macher filmisch ein herrlich, leicht verfärbtes Bild der 70er, lange nicht so geleckt wie der deutsche Subventionsfilm Banklady kürzlich es mit den 60ern gehalten hat. Hier ist alles abgefuckt. Terri hat nach dem Motto seines Vaters, des 12fachen Wahlverlierers gehandelt (das führt zu einem philosophischen Gespräch über das Siegen zwischen den beiden), dass die Freiheit mehr wert sei als die Käuflichkeit. Darum hat er das Label unter Preis hergegeben. PunkRock hat der irischen Jugend eine Chance zu leben gegeben. Wie weit er den Boden für einen Frieden mitbereitet hat, dürfte wohl schwer zu beweisen oder gegenzubeweisen sein.

Bad Neighbors

Pointe – Lacher – Pointe – Lacher – Pointe … das ist das Funktionsprinzip dieser Art von Ventilkomödie, mit der die Autoren Andrew J. Cohen und Brendan O’Brien für die Regie von Nicholas Stoller uns vielleicht weniger, umso mehr möglicherweise die Zielgruppe in der Zielgegend beglücken.

Die Zielgruppe dürften die sein, die im Film hauptsächlich vorkommen: Studenten und junge Ehepaare, die gerade ihr erstes Kind haben, Menschen in der kniffligen Übergangsphase vom Freibeutertum zum Babywickeln.

Die Zielgegend dürfte die Lendengegen sein, das Ablachen auf Lendenniveau, Ablachen über die lächerlich-tierische Verfasstheit des Menschen entweder als Milch spendende Kuh oder als von Erektionen oder deren Ausbleiben geplagtem Gegenstück.

Der Zusammenprall dieser zwei sich doch so nahen Welten passiert in einer ruhigen Wohnstraße mit Einfamilienhäuschen in einem amerikanischen Ort namens Ardendale.

Für die junge Familie stehen Seth Rogen, der hier Marc Radner heißt, und mit Rose Byrne, die hier Kelly Radner heißt, verheiratet ist und die bereits eine süße kleine Stella ihr eigen nennen. Komik bedeutet in diesem Fall beispielweise, dass die Eltern sich in einem Geschlechtsakt abmühen und die Kleine quietschvergnügt zuschaut. Disput unter den Eltern darüber, die könne ja noch gar nicht richtig sehen oder nur so runde sich bewegende Dinger, da meint er, ja eben seine „balls“ – die Erziehungskorrektheit in die Pfanne gehauen.

In dieser Art dialogmechanischer Komödie muss es Zack auf Zack gehen, Zeit für ein Atemholen oder gar Sich-Distanzieren würde das Spiel verderben. Und Zack, schon zieht Zac Efron als Teddy Sanders mit seiner Studentenverbindung in das Nachbarhaus. Die Einweihungsparty, die wird von den Radners noch toleriert. Man möchte in der Nachbarschaft Weltoffenheit demonstrieren und nicht gleich spießig die Polizei alarmieren. Aber schon bei der Party der zweiten Nacht ist es soweit.

Der Nachbarschafts-Krieg ist eröffnet. Der Nachbarschaftskrieg und der Pointenkrieg. Es wird mit allen Mitteln und Listen gearbeitet in so einen Film, der keinen höheren Anspruch hat, als zu unterhalten wie das Vereinstheater am Vereinsabend und mit einer Stimmung, bei der man am besten schon einen gezwitschert hat, damit das Feuerwerk an Zoten auch als entsprechend zündend empfunden wird. Die Filmemacher wollen weder die Welt verbessern noch verändern auch nicht das Kino oder die Kinowelt. Sie wollen sich einen Spaß machen und damit ein Geld verdienen, indem sie Dinge äußern, die der kultivierte Mensch so nicht unbedingt äußern würde. Und das geballt auf eine Filmlänge. Eine Rechnung, die wohl aufgehen dürfte. A gaudi muas sein, würde es in Bayern heißen. Aber hier machen die Amerikaner das Geschäft damit.

Wichtige Themen: Erektion durch meditative Konzentration, Schwertkampf beim Pinkeln, Dildos aus Schwanzabdrücken der Studenten (zur Finanzierung der Reparatur eines vom bösen Nachbarn verursachten Wasserschadens, der cleverste holt sich seinen Dildo aus dem 3D-Drucker), De Niro-Imitationen, schmerzhaftes in die Eier greifen, das Thema Mutter, Muttermilch und Kuh, lass uns Sex auf dem Küchenboden machen, Modelabel-Parodie mit nackten, männlichen Oberkörpern, wenn die Mutter Alkohol getrunken hat, spricht der Mann von Schnaps in den Brüsten = weiß Russian, Air-Bag-Gags, Einblicke in erniedrigende studentische Rituale, uns ist ganz kannibalisch wohl, als wie fünfhundert Säuen (oh, dies letztere Zitat hat sich jetzt aber versehentlich-kulturassoziativ von einer anderen Baustelle hier eingeschlichen und hat nichts mit diesem Film zu tun, wohl aber mit deutscher Hochkultur; Goethe, Faust, Auerbachs Keller). Mehr soll hier auch nicht ausgeplaudert werden aus dem Schmutzkästchen. Deine Brüste sehen aus, wie die Beine meiner Großmutter.

Labor Day

Eine wunderbare, zarte, Romantic Poetry über ein kurzes, kostbares Familienglück, was so nicht sein darf und wofür der zugelaufene Vater gerne weitere 25 Jahre ins Gefängnis geht.
Partielle Überbelichtung und Flashbacks tragen dazu bei, dass dieses Glück als ein permanent gefährdetes, außerordentlich kostbares rüberkommt. Wer so ein Glück erlebt hat, der braucht wohl kein weiteres mehr.

In der Form einer Romantic Poetry fragt Jason Reitman, der den Roman von Joyce Mainard zur Vorlage für sein Drehbuch hatte, verhalten skeptisch nach Stabilität und Haltbarkeit von Glück als dem Familienglück. Denn das mit der großen Liebe und dem darauf folgenden ewigen Familienglück hat sich für Adele, Kate Winselt, als ein Reinfall erwiesen, der bei der zweiten Schwangerschaft zu Schlägen durch den Gatten und zu einer Totgeburt geführt hat. Von Beziehung will sie nichts mehr wissen.

Adele lebt in einem schönen Ostküstenholzhaus in einem Kaff, das bei uns vielleicht Hintertupfingen heißen würde, mit ihrem Buben, der am Beginn der Pubertät steht. Sie ist ständig gefährdet, das spielt sie jedenfalls oft, sie kriegt Krämpfe, Angstzustände, manchmal ist sie nicht in der Lage, den Anlasser des wunderbaren Straßenschlittens mit der Holztäfelung statt Außenblech, der Film spielt 1987, zu bedienen. Henry, der Bub, greift beherzt vom Nebensitz ein. Henry ist ein melancholisch versonnener, nichtsdestotrotz ein wacher Bub, der unter dieser nicht intakten Familie leidet. 1987 wird hier auch insofern angenehm in Richtung Poesie und schwirrende Traumzeichnung eingesetzt, als es diese hektischen Kommunikationsmittel von Handys über Laptops und iPhones und Smartphones noch nicht gegeben hat.

Beim Einkaufen in einem Supermarkt drängt ein Mann Mutter und Buben, ihn mitzunehmen. Er schnappt sich schnell eine Mütze und eine Jacke und die verdutzt Überraschten nehmen ihn widerstandslos mit.

Bald wird klar, dass er ein entsprungener Häftling ist, ein verurteilter Mörder. Welcher Art Mord, das wissen wir nicht. Die Gefährdungslage wird akuter als ständig Polizei patrouilliert, als Fahndungsplakate selbst an Bäumen angebracht werden, als die Schlagzeilen in den Zeitungen von dieser Flucht beherrscht sind und auch im Fernsehen dominiert dieser Ausbrecher die Themen. So scheint es zumindest. So bringen Buch und Regie diese menschliche Versuchsanordnung in einen hochriskanten Zusammenhang.

Die Angst vor Entdeckung, das Geheimnis verbindet die Drei. Aber gerade dadurch wachsen sie rasch zusammen. In wenigen Tagen entwickelt sich Liebe zwischen Adele und Frank und auch der Bub findet einen Mann als interessierten und fürsorglichen Ansprechpartner, was ja auch von anderer Seite, die die Information hat, er sei vaterlos, geraten wird. In seinem Alter müsse man mal ein Gespräch zwischen Männern führen über gewisse Dinge.

Obwohl die Mutter doch bei einem fast unrealistisch schönen Gespräch in Hängematten mit ihm auch von bevorstehenden physischen Veränderungen gesprochen hat. Ob er damit was anfangen konnte? Die Gefährdung dieses zarten Familienglücks ist ständig präsent. Einmal klingelt eine Nachbarin, die unbedingt für den Abend ihren behinderten Sohn etwa im Alter von Henry zum Hüten abliefern möchte, ein anderer Nachbar bringt Pfirsiche. Daraus zaubert Frank später eine wunderbare Art Pfirsichcannelloni und wie die drei sie zubereiten mit den nackten Händen die Pfirsichschnitze walken, das ist pures Glück. Und so gefährdet.

Wie die Drei Bonny und Clyde spielen und heimlich nach Canada abhauen wollen, da holt die menschlich-zivilisatorisch-verfasste Realität mit ihren Gesetzen und Regeln vorgeblich zum Glück der Menschen sie wieder ein.

Die Musik ist von einer vorwärtsdrängenden, sensiblen Hektik, sie sehnt sich nach dem Glück und wird sein Vergehen auch verschmerzen, gerne die Gegensaite zupfend oder mit einem bedrohlichen Ton per tiefer Saite oder Trommel zusätzlich zum Spiel auf die Gefährdung unseres hypothetischen Glückes hinweisend.

Eine weiteres Begleit- und Glücksgefährdungsmoment ist der Kontakt zu einem neu zugezogenen altklugen Mädchen in Henrys Alter.

Der Mörder als musterbeispielhafter Mann, musterbeispielhafter Gatte im Haus, der alles repariert, sauber macht, kocht, bügelt und mit der Frau des Hauses auch tanzt. Der Traum für eine Frau, die einen Mann sucht, der ihr Halt gibt und zu dem sie aufschauen kann.

Über-Ich und Du

Der Alptraum von der Glühbirne oder das Scheitern der deutschen Gelehrsamkeit am Versuch, sich an selbstgebasteltem Humor zu amüsieren.

Ein selbstironisch intendierter Bericht aus dem innersten der deutschen Gelehrtenrepublik über das Unglücklichsein darin und darüber, dass sie weder über sich noch überhaupt lachen kann.

Die Gelehrsamkeit, André Willms als Curt Ledig, ist alt, geht an zwei Walking-Stöcken, kommt im Haushalt nicht zurecht, kann nicht mal eine Glühbirne reinschrauben, hat eine braune Vergangenheit und eine zumindest alibihafte Aufarbeitung derselben, wohnt in idyllischster Alpennähe an einer Bergstraße 10, es könnte auch im Schwarzwald ein Holzweg sein, und fühlt eine Affinität zum professionellen Verbrechen in der Denomination der Klein- und Mittelkriminalität; sie leidet darunter, dass sie vor allem Kopf ist (schönes Spiegelbild, wenn sie den Kleinganoven bis zum Kopf in der Erde vergräbt), sie fühlt sich zum Forschen berufen (immer alle Beobachtungen auf ein mobiles Aufnahmegerät diktieren – wobei sie eine verhängnisvolle Schlagseite in Richtung Wahrnehmung des Unwesentlichen hat) und sie leidet unter panischer Angst vor dem nächsten Referat, was sie halten soll, am liebsten an einer subalpinen Akademie, Tegernsee oder Tutzing, egal, Hauptsache Akademie und weitab vom Schuss.

Das Existenz-Wunsch-Gegenstück gegen so eine Gelehrsamkeit scheint der kleine Voralpenganove aus Linz zu sein (Georg Friedrich als Nick Gutlicht), der aus Gründen des Untertauchenmüssens zu einer merkwürdigen Kohabitation mit der alten Gelehrsamkeit in der ländlichen Luxusidylle gedrängt wird.

Immerhin gibt es hier jede Menge kostbarer Bücher, die der Hallodri in der Stadt in einem Antiquariat weit unter Preis losschlagen kann. Trotzdem oder gerade deswegen sucht die deutsche Gelehrsamkeit intuitiv den Ruch des Verbrechens und seine Nähe. Der österreichische Verbrechermützenträger hat enorme Schulden bei einer „Mutter“, die einen dubiosen Flohmarkt betreibt, aus welchem er alsbald mit einer sich von Szene zu Szene rasant vorwärts und rückwärts entwickelnden Schwellung ums Auge hinausgeschmissen wird; worauf sich die deutsche Gelehrsamkeit der Sache annehmen will, denn ihr rotes Kleinauto wurde nebenbei noch an Zahlung gegeben, was tatsächlich zu einem tätlichen Angriff mit dem Walkingstock auf die „Mutter“ und ihren Schreibtisch führt und nebst einem heruntergerissenen Telefon zwei zerbrochene Walkingstöcke zur Folge hat; die deutsche Gelehrsamkeit ist eine Lemure, die sich nach Leben sehnt, aber leider nicht genau weiß, was das Leben ist und sich dann darin verkeilt.

Das hat zur Folge Bilder, die an Becketts „Glückliche Tage“ oder „Warten auf Godot“ erinnern oder man könnte, je weiter der Film fortschreitet, auch an Achternbusch in die Sphäre deutscher Gelehrsamkeit erhoben denken.

Die Vorstellung von einem Prolo und des anderen Schlägertypen ist auch sehr einfach im Hirn der deutschen Gelehrsamkeit, ja, die ist sogar absolut durchschnittlich, auch die Verbrechermama. Da wird kein vorgegebenes Schema verlassen. Da ist die deutsche Gelehrsamkeit erstaunlich irdisch, klischeebefangen und wenig originell.

Beim Zahnarztbesuch wird der Sehnsucht nach Slapstick stattgegeben. Nick liegt da, ein Abdruckteil im Mund, auf dem nächsten Stuhl liegt der Dicke, der Schläger. Bis die sich entdecken, das wird mit fast wissenschaftlicher Akribie vorbereitet. Erst begründet der Doktor, warum er den Raum verlässt, dann die Assistentin, dann begründet es die Behandelnde beim Dicken. Dann sieht der Zuschauer die zwei Stühle in ziemlicher Entfernung. Und dann kommt es. Nach langer Zeit. Man hätte sich schier den Doktortitel erwerben können in der Zwischenzeit, bis der Dicke den Kopf hebt und den Österreicher entdeckt und sich auf ihn stürzen will, bis sich eine ganz einfache, körperlich-physische Verfolgungsjagd in Gang setzt. Solches will sich bei der deutschen Gelehrsamkeit eben seine Zeit nehmen.

Die deutsche Gelehrsamkeit hat auch, auch das wird in einer eigens entwickelten Frühstücksszene gezeigt, Mühe – wie die meisten anderen Mitbürger auch – verschweißte Plastiktüten aufzureißen mit Frühstückmüsli drin: bis es überall rumfliegt.

Witz der deutschen Gelehrsamkeit, der Antiquarin in den Mund gelegt: „Sie sind die … Promenadenmischung zwischen einer Kanal- und einer Leseratte“. Da haben die Doktorhüte einen Zwiefachen gehupft (Beweis für die Humorthese eingangs).

Benjamin Heisenberg, der mit Josef Lechner auch das Buch geschrieben hat, kann sich auch wunderbar amüsieren darüber, wie die deutsche Gelehrsamkeit mit den zwei Walkingstöcken durch die Gänge eines Hallenflohmarktes stakst und damit rhythmische Töne von sich gibt, die physikalisch so stark bei der Besetzung gar nicht drin liegen würden.

Erwähnenswert, die gelegentlich vor allem jazzhafte Untermalung, wenn nicht gerade bayerisch Volkstümliches auf der Wurzeralm läuft. Will sagen: die deutsche Gelehrsamkeit hat ein Verhältnis zu allem und jedem, kann das mindestens beschreiben, setzt alles bewusst, auch wenn die Pointe bewusst daneben gesetzt wird, das ist dann sozusagen die Doppelung der Nicht-Pointe.

Der dritte Film dieses Jahr, der bei einer Überlandfahrt auf Stau hinter einem Langsamgefährt als Spannungsantreiber setzt, hier ist es ein Heuwagen (dabei Psychogespräch, bei einem anderen waren es theologische Diskussionen). Vielleicht sind die jungen, deutschen Regisseure andauernd im Auto unterwegs und regen sich andauernd über Schnecken an der Spitze von Kolonnen auf Überlandstraßen auf.

Wer unter Komödie Billy Wilder und Konsorten versteht, der darf hier die Totgeburt der Komödie erleben.

Die Sprachlosigkeit dieser deutschen Gelehrsamkeit wird konterkariert durch den Buchtitel „ A Chance to talk“. Aber wie es zur Moderation kommt und der Moderator die braune Vergangenheit und deren Verarbeitung besprechen will, ergibt sich Unruhe im Saal, das reale Verbrechen hat sich dort eingefunden und eine Rangelei in Gang gesetzt.

Symbolismen: weiße Katze, Heißluftballons über dem Voralpengebiet.
Oder: Verknotetes aus der Gelehrtenrepublik. Die Gelehrtenrepublik versucht sich auf die ihr eigene Weise auf die Schippe zu nehmen, ein ziemlich abseitiges Unternehmen.
Anzug: die Farbe braun steht mir nicht.
„Das kann nicht das Ende sein“. Er ist noch nicht fertig mit der Unterscheidung, sich verleiten lassen haben vom Versuch zu verleiten.

Hier führt einer die Zwangsgebührenverwalter schalkhaft an der Nase herum; deshalb: Verzicht auf rote oder gelbe Karte des Zwangsgebührenzahlers.

Devil’s Due – Teufelsbrut

Vielleicht hat der Antichrist selbst, der sich, und das wird mit einem Johannes-Zitat, das dem Film vorangestellt ist, sogar biblisch begründet, vermehren möchte, hier verhängnisvoll in das Drehbuch eingegriffen oder es waren die zwei Regieköche, Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillet, die bei der Verfilmung des Buches von Lindsay Devlin den Brei verdorben haben.

Es geht mit einem Zitat aus der Bibel, 1. Johannes, 2, 18 los, das von der Vermehrung des Antichrist handelt. Dann folgt eine geschundener, blutig geschlagener junger Mann in Handschellen bei einem Verhör, dass er es nicht getan habe. Dann folgt der Zeitsprung zurück, etwa ein Jahr vorher.

Jetzt wir die Story erzählt mit nicht immer konsequenter, pseudodokumentarischer Wackelkamera, die vor allem von dem jungen Mann geführt wird – ach ja, er soll schon als Junge schon eine Kamera erhalten und immer gefilmt haben, insofern ist die Wackelkamera nicht sehr plausibel. Er filmt also seine Hochzeit, seine Flitterwochen, einen Blackout bei den Flitterwochen auf Santo Domingo, eine nächtliche Taxifahrt in einen dubiosen Keller, den Rückflug, die Schwangerschaft, die, das zu erraten bedarf es wenig Fantasie, just in dem Moment des Blackouts initiiert worden sein muss, die ersten Irritationen und merkwürdigen Veränderungen der Schwangeren, jetzt auch viel Material aus Überwachungskameras, sei es im Supermarkt, sei es beim jungen Paar zuhause, das von weit über einem Dutzend Überwachungskameras beobachtet wird. Die Anormalitäten werden immer schlimmer. Bis zur Geburt. Hier erreicht der Horror, auch der mit der Kamera, den Höhepunkt. Dann folgt die Verhandlung. Schließlich ein Sprung nach Paris zu einem Paar in den Flitterwochen, das von einem Taxifahrer, der aus der dominikanischen Republik stammen könnte, mitgenommen wird, und ein ganz besonderes Erlebnis etwas außerhalb verspricht.

Der letzte Mentsch

Ein gut gemeintes Konstrukt präsentiert uns hier Pierre-Henry Salfati, der mit Almut Getto auch das Drehbuch geschrieben hat, unterstützt vom WDR und dem Schweizer Fernsehen, gefördert von Film und Medienstiftung NRW, Deutscher FilmFörderFonds, FFA/CNC, Bundesamt für Kultur (CH), Züricher Filmstiftung und Fondation pour la Mémoire de la Shoah.

Ein Jude, Marcus Schwarz, der eigentlich Menachem Teitelbaum heißt, Mario Adorf, lebt in Köln und hat seit dem Trauma Theresienstadt, die KZ-Nummer hat er noch eintätowiert, sein Judentum verleugnet, verdrängt. Trotzdem spricht er, so gut Mario Adorf es kann, immer noch jiddisch. Das scheint mir ein Grundwiderspruch im Buch zu sein, der sich in der Figur manifestiert. Wenn einer schon sein Judentum abstreiten möchte, dann wird er garantiert nicht jiddisch sprechen, sonst würde er ja dauernd auf seine Herkunft angesprochen. Insofern ist dieses Drehbuch von Anfang an ein inkonsequentes Konstrukt. Was wollen uns die Filmemacher also damit erzählen? Einer will sein Judentum hartnäckig verleugnen, spricht aber stur jiddisch?

Marcus wünscht sich nun im Hinblick auf den Tod doch als Jude begraben zu werden; woher der Wunsch kommt, das kann uns das Buch allerdings auch nicht klar machen. Jedenfalls wendet er sich an die jüdische Gemeinde. Die verlangen erst Beweise dafür, dass er ein Jude so. So eine KZ-Nummer im Unterarm sei leider kein Beweis, bekommt er zu hören, erstens gab es auch andere Verfolgte und zweitens werden wir am Schluss des Filmes sehen, dass sich so eine Zahl spielend leicht eintätowieren lässt in einem modernen Tattoo-Studio.

Marcus soll nun am Ort seiner Herkunft in Ungarn nachforschen, ob er Beweise findet. Nächste Frage, wie kommt er nach Ungarn. Er findet junge Leute, die ihn für ein paar Hundert Euro gerne mitnehmen. Da fällt auf, über den beruflichen-wirtschaftlichen Hintergrund von Marcus erfahren wir nichts, außer dass er nie verheiratet war. Ein Manko im Buch.

Aber es geht, das wird der Fortgang zeigen, um das moralisch hochwertvolle Motiv, dass jetzt eine junge Frau, die voll einen auf negativ macht, sich bereit erklärt, ihn zu fahren. Diese Fahrt soll das Corpus des Filmes werden und aus der frechen Göre eine verständnisvolle junge Frau machen. Das wird ohne jede Psychologie oder glaubwürdige Szenen so inszeniert.

In Ungarn gibt es weitere Verwicklungen und Begegnungen. Schweinefleisch isst Marcus auch. Ferner taucht Hannelore Elsner auf wie aus einem anderen Film oder aus der psychiatrischen Anstalt entfleucht. Es ist hier so viel Unbedarftheit im Spiel, was die eingangs erwähnten Sender und Förderer hier ermöglicht hatten, weil das Bonusverhalten dem Thema gegenüber sie offenbar dem Buch gegenüber blind gemacht hat.

Einmal soll Marcus bei der Fahrt aus einem Buch mit jüdischen Witzen vorlesen. Das hätte Adorf wirklich besser vorbereiten können. Glaubhaft wäre die Figur eher geworden, wenn das ein Charakteristikum von ihr gewesen wäre, dass er ständig solche Witze erzählt. Wenn er schon das Jiddische nicht versteckt hat, warum nicht auch eine der bekanntesten Qualitäten davon?

Am schönsten sind die Landschaftsbilder aus Ungarn. Und was uns Pierre-Henry Salfati mit dem Film erzählen will, bleibt mir auch nach dem Versuch einer Rekapitulation schleierhaft. Dass Adorf andauernd vergisst, die Kippa aufzusetzen oder es zu spät tut, wie bei einem Holocaust-Memorial, macht die Figur nicht glaubwürdiger. Nicht im Sinne, dass er davon nichts mehr wissen will oder dass er eh keine Sozialisierung darin hatte, auch nicht, dass er es wieder für sich anerkennen will. Warum will er so eine Beerdigung? Nicht klar. Das Drehbuch kommt mir vor, wie ein unreifer Schulaufsatz. Das ist offenbar keiner der fördernden Institutionen aufgefallen und das macht es den Darstellern nicht leichter.

Filmschauen heißt hier Ablesen und Erraten, was der Drehbuch wohl gemeint hat.

Gelbe Karte des Zwangsgebührenzahlers.

3 Days to Kill

Ein Thriller wider den tierischen Ernst im Thrillerbusiness mit leichter, fast juxhaft leichter Hand angerichtet nach einer Idee von Luc Besson, der mit Adi Hasak auch das Buch geschrieben hat in der Regie von McG und garniert mit einem veritablen amerikanischen Star, Kevin Costner als Ethan Renner, im amerikanischen Cowboy-Outfit in einem Paris, das fotografiert ist wie ein Dorf. Renner ist ein todkranker CIA-Agent, der zur Erlangung eines innovativen Medikamentes, das sein bedrohtes Lebens verlängern könnte, einen 3-Tages-Job annimmt, der nicht von schlechten Eltern ist, und dabei dauernd in typische Situationen unserer Zeit gerät, wie sie einem Vater, dem der Beruf deutlich wichtiger ist als die Familie, ständig begegnen können.

Jeder andere Vater, mag er noch so brav verheiratet sein und zwei heranwachsende Töchter haben, könnte solche Verpflichtungen haben, wie beispielsweise der brave Muslim, der dummerweise für ein Verbrecherkartell arbeitet und zur Geisel von Ethan wird und noch aus dem Kofferraum heraus und gefesselt bittet, der Ausflug möchte nicht so lange dauern, weil er seine beiden Töchter abholen müsse. Die waren vorher schon von Nutzen, wie Ethan seine eigene Tochter vermisst hat und Angst hatte, die Verbrecher, hinter denen er her ist, hätten sie womöglich gekidnappt; die beidem Muslimtöchter können ihm einen weiterführenden Hinweis geben, wo die Disco Spider sich befindet. Dort wird er sein eigenes Töchterchen gerade noch rechtzeitig vor zudringlichen Typen befreien können.

Genau so ein alltägliches Pariser Erlebnis dürfte er haben, wie er in seine Wohnung zurückkehrt. Da er einige Jahre nicht da war, hat sie eine afrikanische Familie völlig legal besetzt. Mit diesem kinderreichen Clan ist er nun untergebracht, immerhin kann er ein Zimmer für sich aushandeln. Mitleid mit der schwangeren Tochter der Besetzerfamilie hat er auch. Und der kleine Spitzbub, den setzt er sogar ein, eine Geisel von ihm zu bewachen und nach zwei Stunden frei zu lassen. Wofür sich der clevere Bub von der Geisel noch die Uhr abknöpft.

Auch diese Geisel wird involviert in Ethans Privatangelegenheit. Es ist Guido, der auf dem Klo gefesselt übers Handy von Ethan dessen Tochter beschreiben muss, wie man eine feine Tomatensauce für Spaghetti macht, Rezept der italienischen Mamma.

Zwischen diesen allzu bekannten Alltäglichkeiten werden wieder einige kräftige Prisen Action und Schießerei und Autoverfolgungsjagd eingestreut wie ein scharfes Gewürz.

Wenn Ethan mit dem lila Fahrrad, das er seiner entfremdeten Tochter zum Wiedersehen schenken will (das gefalle ihr doch. Ja, als sie neun war!) in den engen Straßen von Paris unterwegs ist und er sich auf Höhe der Bösen in den schwarzen SUVs findet und zwischen sie und einen Bus eingekeilt ist, worauf Schießerei und Bomberei losgehen, so betrachtet das ein Bub im Bus mit riesigem Vergnügen, für ihn dürfte kaum ein Unterschied sein zwischen dem Comic, den er gerade liest und dem, was sich vor seinen wachen Äuglein auf der anderen Seite des Busfensters auf der Straße abspielt.

Eine gut verträgliche, ausgewogene, unterhaltsame Mischung aus Action und Allgemein- und Alltagsmenschlichkeit.

Der Film fängt als ordentliche Konfektionsware an mit der kleinen Exposition der Vorgeschichte in Belgrad. Hier spielt die Gesundheit Ethan kurz vor Erreichen des Trägers der schmutzigen Bombe einen Streich. Hier denkt man noch, ordentlich, ordentlich, aber wen interessiert heute noch eine schmutzige Bombe im Film.

Mit den Titeln wechselt der Drehort nach Paris. Hier will Ethan seine letzten Wochen und Monate mit Frau und halbwüchsiger Tochter verbringen. Spätestens mit dem Auftritt von Amber Heard als Vivi Delay fängt die Temperatur an zu steigen, einer auf cruel Vamp gestylten Frau mit schnellem Witz und Handeln; gegen dieses abgehobene Fantasiegebilde von einer Frau und Killerin wirken die Begegnungen mit der menschlichen Unzulänglichkeit noch sympathischer oder anrührender. Auch sie hat diese im Auge, wenn sie bei einer Verabschiedung zu ihm meint: und vergessen Sie nicht, den Fisch einzulegen. Sie ist es auch, die ohne lange Umstände zu machen, Ethan mit der Spritze aus der experimentellen Medizin für eine eventuelle Verlängerung seines Lebens erpresst, ihm die Spritze höchstpersönlich verabreicht. So kann Ethan seiner Frau als Entschuldigung für die Verspätung treulich erzählen, er sei bei einer Ärztin gewesen, die ihm vielleicht helfen könne. Und schon ist er mit seiner Tochter konfrontiert, die am Rande des Nervenzusammenbruches steht wegen ihrer Ausgehfrisur; da muss auch privat mal eine Badezimmertür eingetreten werden. Dass gegen die Spritze nur Wodka hilft, das ist so ein Joke, der in ein Thrillerkino wider den tierischen Ernst wie angegossen reinpasst.

Paris ist hier fotografiert wie ein Dorf; aus der Sicht des amerikanischen Agenten vielleicht sogar wie ein Gefängnis.

Das spricht doch für einen Film, wenn man nachher Lust hat, den einen oder anderen Gag zu erzählen. Wie den mit dem Anzug, den der Amerikaner von einem anderen Typen anziehen soll, weil seine Chefin unbedingt will, dass ihre Killer besser gekleidet seien, als deren Opfer. Oder die Auseinandersetzung von Ethan mit seiner pazifistischen Tochter, die in der Schule gewalttätig geworden ist, weil Mitschüler ihre pakistanische Freundin beleidigt haben. Dass der Papa daraufhin technische Ratschläge für die Tochter bereit hält, das ist nur zwingend.

Andererseits: ob die Philosophie, einen Thriller locker anzugehen, die Lockerheit auch ja immer spüren zu lassen, einen Film wichtig macht?