The Invisible Woman

Genau mit der Magie, die in diesem Film zwischen dem Dichter Charles Dickens und der Schauspielerin Nelly in perfekt beherrschter Ruhe beschrieben wird, umfängt der Film auch den Zuschauer; er wirkt, als habe man Charles Dickens unplugged vor sich.

Charles Dickens war verheiratet mit einer rundlichen, netten Frau, die ihm viele, viele Kinder geboren hat. Aber sonst war da nicht viel von geheimen, magischen Fäden, von Geheimnis zwischen den beiden. Insofern verständlich, dass der sensitive Dichter sich in der Ehe einsam fühlte.

Die Geschichte wird als Rückblende erzählt. Nelly arbeitet als Lehrerin an einer Schule an der englischen Küste. Sie ist selbst verheiratet, hat Kinder. Se kommt zu spät zur Probe zum Schultheater, das sie inszeniert. Diese Frau allein am Meer entlang auf dem Weg zur Probe. Von dieser Frau wird der Film handeln.

Durch die Proben wird die Erinnerung an ihre Vergangenheit als Muse des berühmten Dichters gegenwärtig. Sie schweift während der Probe ab; sie weiß, wie ein Dickens-Text gesprochen und gefühlt werden muss. Die Stimmen der Schüler werden allmählich ausgeblendet.

Die Vergangenheit wird wieder wach. Wie sie und ihre Mutter und Schwester als Schauspielerinnen durch die Lande tingeln. Bei einer Vorstellung sitzt Dickens im Saal. …

Dem Film vorangestellt ist ein Dickens-Zitat, bei dem es um die Geheimnisse der anderen Dinge und Wesen geht. Dieses Geheimnis, was vom ersten Moment an blitzhaft zwischen Dickens und Nelly da ist, das versucht der Film mit höchster handwerklicher Qualifikation, höchster Beherrschtheit gerade auch der leisen Töne, mit runder Inszenierung oft mit ruhiger Handkamera, alles immer im Fluss, im Fluss der Magie, einzufangen, wiederherzustellen.

Die beiden kommen nicht voneinander los. Wie lange und wie geheimnisvoll diese platonische Beziehung dauert, zeigt auch der Umstand, dass der erste, zarte Kuss erst ungefähr in der Mitte des Filmes erfolgt. Vorher war reines Geheimnis, reine Magie.

Nelly bekommt jedoch Gewissensbisse, wie sie sich mit der Frau von Dickens unterhält. Aber Dickens und sie treffen sich immer wieder, er veröffentlicht sogar ein Statement in der Times, dass es sie gibt, dass sie aber unbekannt bleiben muss.

Sie reisen nach Frankreich. Es kommt zu einer Totgeburt. All das wird von Ralph Fiennes, der Charles Dickens selber spielt, nach einem Drehbuch von Abi Morgan, welche das Buch von Claire Tomalin zur Grundlage hatte, in perfekter Manier inszeniert. Diese verhaltene Bilder- und Sprachwelt umfängt einen wie eine Duftwolke aus erlesenstem Parfüm und man kommt ihr nicht aus. Wobei so eine verhaltene Liebe alles andere als ein zeitgemäßes Phänomen sein dürfte. Wie prickelnd es ist, das bringt dieser Film wunderbar rüber zum erlesenen Delektieren. Sozusagen perfekt gemachtes, unpathetisches Pathos oder wie es im Film über eine Theateraufführung heißt: mastering of the Performance. Das liefert der Film auch. Könnerschaft. Nichts Plakatives. Das, was gesagt werden müsste oder was heute im Film gesagt werden würde, das wird hier nicht gesagt, es durchschwebt den Film, den Filmraum. Felicity Jones bringt das einwandfrei rüber. Die „Clarity of Performance“, wie es über eine Aufführung heißt, ist ihr Leitfaden der Darstellung.

Ganz nebenbei kommt Dickens‘ Mitgefühl für die Armen und Ausgestoßenen zum Ausdruck: einem jungen Mädchen, das auf den Strich geht, drückt er 5 Pfund in die Hand, wenn es nur nach Hause gehe und für ein Kinderspital gibt es eine ertragreiche Spendengala.

Dickens liebte es, selbst zu spielen und zu inszenieren und insofern fühlte er sich zu den Actricen hingezogen. Der Erfolg der Spendengala wird mit Champagner gefeiert. „Such attention to details“.

Nelly hat Angst, als Nutte des Künstlers zu enden. Er wird ihr schließlich ein Haus mit Blick auf eine Schlossruine auf dem Lande kaufen, wo sie schnell in London ist und wo er sie einmal, zweimal wöchentlich besuchen kann. Dickens in Reinkultur? Oder einfach traumhaft geschönt? Dagegen wäre auch nichts zu sagen. Seine Frau versteht gar nichts. Der Zugunfall, wo Dickens sagt, die Frau gehöre nicht zu ihm, aber man möge sich um die junge Lady kümmern. Und auch dies: I was not a child, when I met Mr. Dickens, sie war 18. — that he would die first, we are alone.. Dickens-Exegese, Kompetenz dafür hat sie, das hat sie an ihn gebunden,
Silence is a place to hide a heavy heart.

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