Der Mohnblumenberg

Die Liebesgeschichte zweier Menschen, die ein Geheimnis verbindet. Ein japanischer Animefilm.

Der Film von Goro Miyazaki, zu dem Hayao Miyazaki und Keiko Niwa das Drehbuch geschrieben haben, fängt in der Villa hoch über dem Meer an, unter deren Fahnenmast tatsächlich auf ausgetretener Wiese einige Mohnblumen blühen. Das kann man ganz nebenbei feststellen oder nicht. Auf dieser Wiese ist ein Fahnenmast. Auf diesen Mast zieht Umi Matsuzaki, die aufs Gymnasium geht, Fahnen verschiedener Symbole auf, um die Schiffe, die tief unten am Meer vorbeifahren, zu begrüßen. Denn es ist ein Gruß an ihren Vater, die Sehnsucht nach ihrem Vater, der im Meer verschwunden ist.

Das Haus beherbergt eine große Familie, eine Pension. Umi, unsere Hauptfigur, arbeitet auch im Haushalt mit, brät die Spiegeleier fürs Frühstück für die zahlreichen Bewohner, kocht den Reis, geht einkaufen. Der Film erzählt dies in lakonischer Selbstverständlichkeit. Weil ja eine Liebesgeschichte immer in ein anderes Leben eingepasst ist, in ein Alltagsleben, das gerade durch die Liebesgeschichte seinen besonderen Wert erhalten kann.

Auch in der Schule ist Umi engagiert. Sie hilft den Jungs beim Herstellen der Matrizen für die Schülerzeitung „Quartier Latin“; man ist überhaupt sehr an Frankreich und an der europäischen Kultur interessiert; einmal sieht man einen Dictionnaire Französisch-Japanisch oder es ist von Nietzsche die Rede.

Die Studenten der Konan-Schule haben ein heruntergekommenes Clubhaus. Das soll von den Behörden abgerissen werden. Die Studenten putzen es heraus und wehren sich dagegen. Diese Aktivitäten bringen Umi mit dem Studenten Shun in Kontakt. Bald stellen sie nicht nur Gefühle für einander fest, sondern auch eine geheimnisvolle Verbindung. Wer jetzt große, ausgestellte Liebesszenen erwartet, liegt falsch, hat das Prinzip dieser wunderbaren Erzählart nicht begriffen, die einfach das Leben schildert.

Der Film spielt im Jahre 1964. Plakate sind zu sehen, die die Olympiade 1964 in Tokio begrüßen. Auch die düstere Vergangenheit taucht ganz nebenbei, ohne Gedenkschwere, ganz selbstverständlich kurz auf, wie das in so einem Alltagsleben passieren kann, einmal eine Erwähnung, natürlich nicht der Erwähnung halber, sondern auf der Suche nach dem Geheimnis, was die beiden jungen Menschen verbindet, die Atombombe und in ähnlichem Zusammenhang der Koreakrieg.

Erstaunlich auch wie unsexy die Figuren dargestellt werden, die Mädchen mit ihren fast knöchellangen Röcken, keuscher geht’s nimmer. Erstaunlich auch bei aller Erzählpoesie, wie hart die japanischen Sätze oft artikuliert werden, wie militärische Kommandos, besonders im Umgang mit Vorgesetzten und Lehrern. Und genauso explosiv können Gefühlsausbrüche passieren; andererseits, wie eine Träne von Umi in einem gerührten Moment sich langsam ihren Weg von der Wange auf die Hände, die auf den Knien liegen, bahnt, das ist zum Herzerweichen.

Der Name „Ghibli“ der Produktionsfirma, die diesen wundervollen Anime hergestellt hat, ist am Ende auf dem großen Meerschiff als dessen Name zu lesen.

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