Sadhu

Suraj Baba, ein gut gebauter, musikalischer junger Mann und Wahrheitssucher hat sich 8 Jahre lang in Indien als Eremit zurückgezogen. Jetzt bricht er auf zu einer Pilgerreise nach Kumbha Mehla, ist enttäuscht vom Religionsrummel und wandert weiter über Kathmandu zu den Heiligen Seen Nepals. Der Schweizer Dokumentarist Gael Métroz begleitet ihn in intimer Näher und doch respektvoll durch die großartig karge Landschaft am Himalaya. Review anlässlich des fünf seen film festivals.

Mr. Morgan’s Last Love

Mit einer stupend entwaffnenden Unmittelbarkeit und Vorhersehbarkeit, die durchdrungen sind vom Fluidum des großen Michael Caine als Matthew Morgan, bringt Sandra Nettelbeck den Roman gleichen Titels von Francoise Dorner auf die Leinwand. Weiter im Text geht’s in der Review anlässlich des Münchner Filmfestes.

Feuchtgebiete

Aseptisch und penibel clean legt David Wnendt, der mit Claus Falkenberg auch das Drehbuch zur Verfilmung dieses Bestsellers von Charlotte Roche geschrieben hat, die Feuchtgebiete trocken, versucht die Hämorrhoiden inklusive einer Selbstverletzung im genitalen Bereich einer jungen Frau mit schier wissenschaftlich sorgfältiger Bebilderung zwei Stunden lang auszubreiten als Plafond für die Hoffnung eben dieser jungen Frau, dass ihre Eltern doch wieder zusammenfinden mögen.

Das deutsche Kopfkino von David Wnendt, wie es mir schon bei der hochgelobten „Kriegerin“ aufgefallen ist, zeitigt hier eine merkwürdige, skurrile Blüte, über deren Unterhaltungswert man allenfalls geteilter Meinung sein kann. Denn es behandelt ein eher nicht kopfiges Thema, es geht um Intimhygiene, um Intimverletzungen, um intime Säfte, das vom Regisseur behandelt wird, als seziere er vor Studenten fauliges, stinkiges Fleisch, ohne sich jedoch etwas anmerken zu lassen, nein im Gegenteil, indem er so tut, wir machen hier Kunst, Beweis: bekannte Darsteller-Namen waren sich nicht zu schön, hier mitzumachen, jedenfalls, falls sie wählerisch in der Zusage von Rollen sein sollten. Wendt scheint aber auch an das verklemmte, amerikanische Aufklärungskino der 50er Jahre andocken zu wollen, pfleglich hergerichtet für den von einem trockenen Hüsteln begleiteten Igitt-Genuss mit dem gespreizten Finger. Seichtgebiete im Gewande der Kulturpose.

Hilfreich für Wnendt ist dabei die junge Hauptperson, Carla Juri als Helen Memel, die über alles und jedes auf dieser Welt in vollkommen ungerührtem Plapperton unterschiedslos schwatzen kann, was anderen Menschen die Schamesröte ins Gesicht treiben oder sie zum Stottern bringen würde. Hinzu kommt ihre der Figur zugeschriebene Naivität, die sie glauben macht, wenn ihre Hämorrhoiden geheilt wären, sei die Voraussetzung dafür gegeben, dass ihre getrennten Eltern wieder zusammenfinden würden. Solches reicht hierzulande bereits für Starqualitäten.

Rückblenden unterbrechen immer wieder die Hämorrhoiden-Behandlung.

An die Wiener Aktionisten erinnert die Szene, in der die Krankenschwester der Patientin nach der Operation einen Plastikbeutel mit blutigen, herausoperierten Teilen in die Hand drückt und die Patientin dieses Kunstblut überall verschmiert. Die gewählte Blutfarbe wirkt auch hier vor allem eines: aseptisch. Igitt vermutlich als geistiger Genuss intendiert.

Das Grundmissverständnis dieser Verfilmung ist möglicherweise das, dass der Leser des Buches durch wie mir gesagt wurde witzige Sätze und Bemerkungen in seiner Fantasie angeregt werde, während im Kino eine aseptische Bebilderung derselben Sätze vermutlich so wirkt, wie verdorrte Phantasie; denn die des Lesers kann nur lebendiger sein, gruseliger, igittiter: igitt, die junge Frau steckt ihren Finger in die Möse, feuchtet den Finger an, riecht daran, reibt sich den Saft hinter die Ohren. Oder sie erzählt ihrem aseptischen Krankenpfleger bei der Pizza, die sie sich vom Pizzaservice hat bringen lassen, was die Pizzaköche onanierenderweise um so eine Pizza herum treiben – und unser Regisseur glaubt das noch bebildern müssen. Wenn überhaupt, bräuchten solche Bilder, um kinematographische Brisanz zu entwickeln, einen Trash-Regisseur, der das Tier im Menschen, den Ficker im Mann, den Onanier richtig zulassen würden, die schmerzverzerrten Gesichter dabei zeigend, die von richtiger Not sprechen und nicht ein paar Pizzakoch-Nebendarsteller von der Stange.

Eine Erklärung für die Gestörtheit der Hauptfigur bietet eine Reminiszenz aus Helens Kindheit: darin ruft die Mutter dem erhöht stehenden Mädchen zu, es solle springen und sie breitet dabei die Arme aus; wie Helen springt, tritt die Mutter zurück, lässt das Kind auf den Boden fallen. Gestörtes Grundvertrauen. Was bei einer solchen Mutter, Meret Becker, und einem durch seine Glattheit dem Töchterchen keine Orientierung vermitteln könnenden Vater, wie Axel Milberg ihn darstellt, nicht weiter verwundert.

Insgesamt dürfte hier der Zuschauer nicht nur an der im Film erwähnten Oralsex- sondern auch an Kinematographie-Unterversorgung leiden. Während bei den fördernden Gremien noch Unterzucker hinzukommt.

Pain & Gain

In diesem Film von Michael Bay, zu dem Stephen McFeely das Drehbuch aufgrund von Magazin-Artikeln von Pete Collins geschrieben hat, ergeht es dem amerikanischen Traum nicht gerade gut.

Was ist er überhaupt, der amerikanische Traum? Hier im Film ist es das reiche Leben mit Villen am Meer, Swimming-Pool, Yachten, Blondinen. Errungen nach der Methode: make America a better place, become a Doer! Dummerweise ist dieser amerikanische Traum nicht für jedermann erfüllbar.

Andererseits hat der Amerikaner doch die Freiheit, seinen Traum zu erfüllen. So denkt jedenfalls Mark Wahlberg als Daniel Lugo. Er hält sich allein schon als muskelpepackter Mann für den Inbegriff des amerikanischen Traummannes und meint so zurecht, ihm stehe die Erfüllung dieses Traumes auch zu. Zu diesem Traum gehört nämlich auch die Fitness. Und dieses Seite des Traumes erfüllt er immerhin, hilft auch anderen als Mitarbeiter eines Fitnesszentrums, eines Gyms, diesen zu erreichen. Was ihn als Fittnesstrainer direkt mit unangenehmen Nebenerscheinungen des Ideals konfrontiert und in engsten Kontakt bringt; da könnte sich die Kamera von „Feuchtgebiete“ noch was abschneiden.

Unter seinen helfenden Händen hat er einen Kunden, Tony Shalhoub als eindrücklicher Victor Kershaw, der sich den amerikanischen Traum erfüllt hat. Da steckt allerdings auch viel Gegenteil von Traum dahinter, Flucht vor den Nazis nach Lateinamerika, dann Flucht aus Lateinamerika wegen der vielen Entführungen von Reichen nach Florida, nach Miami.

Das liegt gar nicht so weit weg von einem anderen Traum, dem sozialistischen nämlich, der auf Kuba praktiziert wird. In den bunten, fröhlichen, intensiven Farben, in denen Kubaromantiker ihre Filme drehen, wird nun hier das Scheitern des amerikanischen Traumes, seine schmerzhafte Negativanalyse plakativ, graffitihaft mit großem Pinselstrich auf die Leinwand gesprüht.

So dass es über lange Strecken richtig schmerzt, wie Daniel, der auch Paul und Adrian zur Mittäterschaft überreden kann, Victor Kershaws Entführung plant und realisiert, um an die Millionen zu kommen. Schmerzhaft, diesen armseligen Figuren zuzuschauen, die sich für so groß halten und es mit ihren Muskeln auch sind, wobei Paul dazu noch religiös ist und ein guter Mensch werden wollte nach einem Knastaufenthalt; ihnen zuzusehen wie sie in ihrer Dummheit den amerikanischen Traum aushöhlen und zerstören. Wie offenbar die Selbstdestruktion zu diesem Traum gehört, so gehört andererseits die Oberhand von Recht und Ordnung zu diesem Traum, zur vermeintlichen Rettung oder Aufrechterhaltung des Traumes. Sonst dürfte es wohl kaum eine wahre Geschichte genannt werden. Ausgerechnet die Männer, die physisch dem Traumbild des amerikanischen Mannes am nächsten kommen, die naiv Bizeps und Bauchmuskeln trainieren, schönes Bild am Anfang, wie Daniel an der Wand des Gyms sich in die Luft hinaus nach hinten beugt und wieder mit den eigenen Muskeln in die Höhe schraubt, zerstören diesen Traum, sind nichts weiter als miese, kleine Scumbags.