Im Vorlauf zum Titel wird Wolverine / Logan in einer drastischen Szene mit seinen wichtigsten Eigenschaften vorgestellt: er wird den Atomangriff von Nagasaki aus nächster Nähe überleben. Er versteckt einen japanischen Soldaten in einem engen, rundgemauerten Verließ oder Brunnen und drückt den Deckel von außen zu, so den Soldaten schützend, sich selbst den tödlichen Strahlungen aussetzend. Wie die Wolken sich verzogen haben, klettert er in die Enge hinunter zum verängstigten japanischen Soldaten. Wolverine selbst ist ganz schwarz verbrannt im Gesicht; wie er unten ist, regenerieren sich seine furchtbaren Verbrennungen, die er während der Explosion erlitten hat, wie von selbst, seine Unverwundbarkeit demonstrierend. Vorher schon haben wir eine weitere Eigenschaft von ihm kennen gelernt (für alle, die die dem Film zugrunde liegende Comic-Figur nicht kennen; aber das ist eben professionelles Filmemachen wie James Mangold es hier nach einem Buch von Mark Bomback, Scott Frank, Christopher McQuarrie souverän demonstriert); Wolverine kann die Szenerie vor dem Bombenabwurf aus einem Gefängnis heraus einzig aus dem Grund beobachten, weil ihm im Bedarfsfalle zwischen den Fingerwurzeln an jeder Hand je drei Klingen aus Eisen wachsen, die es ihm ermöglichen, sich in die Mauern einzuhaken und sich so daran hochzuziehen.
Der japanische Soldat befindet sich durch die Rettung in einer Situation der Dankbarkeit Logan gegenüber. Aber die Wege der beiden trennen sich.
Die jetzt folgenden Titel nutzt James Mangold für einen gewaltigen Zeit-, Orts- und Situationssprung: Jahre später, Wolverine ist inzwischen ein zotteliger Wilderer-Rächer hoch im Norden Amerikas mit langem Haar und noch finstererem, entschlossenerem Blick geworden.
Wolverine frönt einer Mission, er tötet brutal illegale Bärentöter. In dieses ungestört selbstjustizhafte Tun hinein platzt eine Einladung nach Japan. Der Mann, den er bei Nagasaki gerettet hatte, der ist inzwischen einer der reichsten Unternehmer Japans geworden. Der Konzern heißt wie er: Yashida. Er möchte sich bei Wolverine bedanken. Der kann den Ausflug mit dem Privatjet nicht ablehnen.
In Japan gerät er in die Erbfolgeintrigen um den sterbenden und bald auch toten Yashida. In diesem Kampf, in welchem er ritterlich die Tochter Yashidas, die zur Erbin ausersehen ist, schützen soll, steht noch die rothaarige Kämpferin, die ihn abgeholt hat, auf seiner Seite.
Gegen sich hat er ein ganzes Knäuel an Erbschleichern und -intriganten, die prominenteste Figur darunter ist ein blonder Vamp, eine Frau, die allein mit ihrem Hauch Menschen vergiften kann, aber auch einen giftigen Brei aus ihrem Mund ausstoßen. Für den Countdown wird er ferner von einem menschlicher Roboter, nicht ganz so ausgefeilt wie die Modelle in „Pacific Rim“, in einem endlosen, fast hohlen Hochaus zu einem Kampf herausgefordert, der das menschlich Vorstellbare bei Weitem übertrifft.
Die mit cooler Regiehand angerichtete Inszenierung von James Mangold erweckt den Eindruck der Bemühung um respektvolle Werktreue. Aber gerade das scheint mir die Hypothek des Filmes zu sein, nebst dem später noch zu verhandelnden 3D. Nämlich die Figur des Helden: Wolverine / Logan schaut meist vor allem grimmig, missmutig, griesgrämig, hochentschlossen wie ein Held, der meint, er habe die ganze Welt zu retten – und das mit seinen Muskeln und Eisenklingen. Das wirkt heutzutage etwas strange in unserer multipolaren Welt. Kein Wunder, der Comic erschien zum ersten Mal in den 70er Jahren. Da waren Gut und Böse auf dieser Welt noch klar verteilt und durch einen Eisernen Vorhang getrennt. Ob in unserer multipolaren Welt diese Art von unsterblichen Superhelden noch nützlich und sinnvoll eingesetzt werden kann, das wage ich allerdings zu bezweifeln. Logan erleidet zwar in Japan bei seinen Kämpfen eine Schwächephase, er wirkt angeschlagen, aber die wird bald wieder von der scheinbar ad libitum regenerierbaren Superheldenhaftigkeit eingeholt. Heutzutage ist Supersicherheit ein Schlüsselwort, Supersicherheit, die sich erlaubt alles auzuspionieren. Da stehen Superhelden wie außerhalb der Zeit daneben, da helfen ausfahrbare Fingerklingen und ewige Regenerierbarkeit von Haut und Knochen wenig.
Dieser Film wird wieder in einem die Nase belastenden, das Augenlicht mindernden, das Portemonnaie aussaugenden 3D gezeigt, was jedoch weder inhaltlich noch künstlerisch einen Mehrwert erzeugt.