Dampfnudelblues (Filmfest München)

Dafür dass es sich um ein Projekt einer Versuchsanordnung im Rahmen der geschützten Werkstätte Degeto/ARD/BR handelt, gewiss ein respektables Produkt von bayerischer Bedeutung.

Der Versuch im Krimigenre und im Kino. Ein Krimi dient meist dazu, anhand eines kriminalgeschichtlichen Handlungsfadens, vornehmlich der Suche nach dem Täter, Aufschlüsse über diesen oder jenen Menschenschlag zu geben, hier beispielsweise über den bayerischen. Dem wird gut Genüge getan. Die Themen Anarchie, Rassismus, Gender werden abgedeckt, kommen zur Sprache. Und es gibt viele prächtige bayerische oder österreichische Figuren, teils wunderbare Schauspieler, die die Sketche und Szenen, die das Drehbuch von Christian Zübert nach dem Erfolgsroman von Rita Falk und in der Regie von Ed Herzog am Faden der Kriminalhandlung aneinanderreiht, ansehnlich und bedenkenswert machen.

Der Kriminalfall ist ein ungeklärter Selbstmord, der auch ein Mordfall sein könnte, ein sogenannter Personenunfall, wie die Bahn es ihren Kunden bei allfälliger Verspätung durchzusagen pflegt, der in der bayerischen Provinz Niederkaltenkirchen den einzigen Polizisten, der oft meist wie ein einsamer Freelancer außerhalb jeglicher polizeilicher Hierarchie und Ordnung wirkt und der immer allein mit seinem museumsreifen Polizeiauto unterwegs ist, wenn schon nicht auf Trab hält, so doch ihn daran hindert in seiner eigenen, nur krude formulierten Melancholie abzusaufen.

Das Opfer ist der Direktor der Schule. Zu Beginn des Filmes, als er noch lebt, setzt es eine Anzeige wegen Sachbeschädigung, weil unbekannte Täter in roter Farbe „Stirb Du Sau“ an seine weiße Hauswand gesprayt haben. Bald schon passiert der Unfall, der Schulleiter ist tot. Keine mochte ihn.

Die Methoden des Polizisten Franz Eberhofer, Sebastian Bezzel, sind zumindest eigenwillig und seine konsequent stoisch-frustrierte Miene versprüht bayerischen Weltengrant. Er ist ja auch nicht verheiratet, wohnt noch zuhause, kommt selbst aus merkwürdigem Milieu mit Ilse Neubauer als kompromisslos freundlicher Oma, mit Eisi Gulp als in den 60ern stehen gebliebener Althippie, der seinen Hanf selber anbaut. Franzens Bruder hat immerhin eine Asiatin geheiratet, und als Referenz auf den Rassismus nennt Franz das Kind seines Bruders Sushi und später wird er den neuen, unbekannten Freund seiner Freundin Spaghetti nennen, weil er aus Italien ist. Da sind wir geradeheraus in der Abgrenzung,

Dialekt, wenn auch nicht aus einem Guss das Gemisch, macht viel vom Flair eines solchen Filmes aus, er lässt die Schauspieler glaubwürdiger und natürlicher agieren; auch wenn der Dialektfan und -kenner sich gelegentlich besser die Ohren schmal machen tät.

Schönes Bild für die Haltung in der Welt des Polizisten: wenn er seine Leberkäs-Brotzeit im Büro zubereitet, so malt er mit dem süßen Senf Herzen auf den Leberkäs und pappt das Oberteil der Semmel emotionslos und stoisch drauf. Zermalmte Herzen.

Das Ortsschild „Hochschulstadt Landshut“ wird wie zum Hohn immer wieder eingeblendet.

Sigi Zimmerschied als Dienststellenleiter Moratschek ist vor allem übers Telefon mit seinem Untergeordneten verbunden und schnupft an seinem Bürotisch Tabak, was jedes Mal ein Riesengetöse in den Telefonhörer verursacht. Er sitzt vor dem Gehörn eines geschossenen Wildes an der Wand.

Ilse Neubauer ist ganz entzückt, wenn sie dem asiatischen Enkelkind den Schnuller in den Mund steckt, den sie vorher im Bier getunkt hat.

Das Bayern, was hier geschildert wird, ist ein recht verkommenes Stück Erde. Zwar nicht ohne Herzlichkeit. Dies wird aber nie bösartig, nie bissig, sondern kumpanenhaft vorgefrotzelt am Rande zum österreichischen Schmäh.

Warum das Ganze gehobenes Fernsehen bleibt, liegt zum einen an einem Casting, was womöglich einen Regional- und Bekanntheitsproporz berücksichtigen musste und so nicht radikal den Kinokriterien den Vorrang einräumen konnte (als kinoaffin dürften garantiert gelten Sigi Zimmerschied als auch Ilse Neubauer, sicher auch die Seidl-geschulte Maria Hofstätter als geschlagene Frau Beischl, sicher auch Stefan Zinner, ein Prototyp des gestandenen bayerischen Mannsbildes als Metzger Simmerl, auch sein Junge macht sich gut) und zum anderen am Drehbuch. Dazu weiter unten mehr.

Vielleicht kann dieser Film als ein Beitrag zur Ethnoanalyse des Bayern gelesen werden, zu verstehen, warum die CSU trotz einem Skandal nach dem anderen (von Verwandtenbeschäftigungen über Diäten- und Pensionenraffermentalität bis zu ständigem Ändern der politischen Positionen aus rein wahlopportunistischen Gründen, trotz skandalöser Justizaffäre Mollath, trotz hungernde Flüchtlinge anraunzender Sozialministerin) in Vorwahlumfragen überhaupt keine Punkte einbüsst. Denn einerseits scheint der Bayer, das lesen wir jetzt von unserem Protagonisten ab, eine unterdrückte, gequälte Natur zu sein, nicht geschaffen fürs Glücklichsein, trotzig aber seinen Job ausübend und am Ort seines Unglücks verharrend, der aber liberal genug ist, sich diesen ganzen Frust ansehen zu lassen, ihn nicht zu verbergen. Und keinem Einsagesatz verpflichtet, wie Ilse Neubauer es treffend ausdrückt: I hör, was mir passt.

Und i sig, was mia bbassd. Ich sehe, was mir passt, aber ich sehe auch, was mir nicht passt: dass nämlich die (Kino)Drehbuchkultur sowohl in Deutschland als auch in Bayern so ziemlich im Eimer ist, dass sie sich – gerade auch bei Literaturbearbeitungen, da gibt’s allerdings Schlimmeres, hier rettet schon der Dialekt viel, mit verdammt wenig begnügt; dass sie zu bequem ist, sich bewusst zu machen, was Kinospannung erzeugen kann, was Kino braucht, um universell zu erzählen: umso geiler wäre es bei einer Geschichte aus Bayern, wenn sie denn verständlich auch für andere Regionen der Welt erzählt würde. Wird sie aber nicht. Denn mia san mia und mia san zfriedn, wenn mir ein paar gelungnige Darsteller haben, die ein paar trockene Pointen setzen können und die man durchwegs in Produktionen von höherem Rang einsetzen könnte. Aber weil mia mia san, machen mia des ned. Eine Drehbuchbearbeitung, die über den Degeto/ARD/BR-Sandkasten hinaus Wirkung und Verbindlichkeit erlangen möchte, die müsste radikal (auch wenn sie nicht alles davon später ausspricht) sich den Charakter von Franz Eberhofer vornehmen, seinen Grundkonflikt analysieren (und nicht nur ein paar urige Szenen um ihn herum konstruieren und konstatieren, dass er noch zuhause lebt und eine viel zu schöne Freundin hat, von der nicht zu kapieren ist, wieso dieses geschleckte Mädel zu diesem Miesepeter ins Bett steigt; jedenfalls wird auch nicht erzählt, dass es die Dampfnudeln seiner Mutter sind). Und von diesem ausgehend den Kriminalfall als Plot aufrollen.

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