Movie 43

12 Regisseure und 8 Autoren, laut IMDb, versuchen von den Testikeln an abwärts und rückwärts ihre analen und fäkalen Flatulenzen dem Zuschauer von Schauspielern, die vermutlich Mühe haben, einen besseren Job zu kriegen, um die Ohren und die Eingeweide zu blasen.

Der erste Joke war gleich der Beste. Von da an gings bergab.

Die Rahmenstory, die diese Fürze zusammenhalten soll, ist die: drei halbgare Internet-Lümmel versuchen in verrufene Ecken des Netzes einzudringen. Sie entdecken diverse Filme von diversen Autoren mit diversen Darstellern, die in absteigender Reihenfolge versuchen, das Niveau an Anal- und Fäkalwitzigkeit des Vorgängerfilmes noch zu unterbieten.

Auf den ersten Moment schien die erste Geschichte wirklich witzig. Eine Frau trifft sich mit einem Typen zum Blind Date. Ihre letzte Info über den Mann hat ihre Freundin gerade noch gegeben: er sei auf der Titelseite irgend eines pomadigen Blattes abgebildet. Die Aufregung ist also groß. Aber oh Schock im vollbesetzten Restaurant: der Typ hat seine Testikeln am Hals hängen. Ganz offen. Nicht mal ein Suspensorium darum. Da sieht man vor allem, wie die Maske hervorragend arbeiten kann heutzutage. Wie sie solche Dinger erstens fast naturgetreu herstellen und dann noch nahtlos an einem Männerhals befestigen kann. Aber statt diese Anomalie nun zum Antreiber grotesker, aberwitziger, die menschliche Verklemmtheit und Unsicherheit hinsichtlich solcher Teile in saukomische Höhen absurder Handlungen werden zu lassen, wird der Hals-Eier-Joke bloss peinlich lang ausgewalzt wie ein schlabbriges Omelette mit der einzigen Aussage, mein Gott, wie ist das peinlich, wie ist das peinlich, wie ist das peinlich.

Der Film muss dem Verleih so peinlich sein, dass er Reviews im Internet frühestens einen Tag nach dem Kinostart  lesen möchte. Da sich bis dahin die Blähung dieses Filmes sowieso bereits verzogen haben dürften, ist auch eine weitere Beschäftigung mit demselben nicht sachdienlich.

Quartett

Das ist eher ein Event denn ein „normaler“ Kinofilm. Denn der Regisseur ist ein Debütant. Ein mit reicher Kinoerfahrung in die Jahre gekommener Debütant. Wir haben hier vor uns die erste Filmregie des Weltklasse-Filmstars Dustin Hoffman.

Dass aus dem Musik-Film im Künstler-Seniorenheim mehr wird als nur ein gepflegtes Kaffeekränzchen auf hochkulturellem Niveau, das ist dem Regisseur Hoffman zu verdanken. Ihm ist zu verdanken, dass daraus ein Schauspielerschmaus erster Güte geworden ist und das nicht zu knapp. Dass die Ereignishaftigkeit dieses kurzweiligen Kinostückes so weit geht, dass man am liebsten mitsingen, auf die Leinwand springen und dort auf einem erlesenen Holztisch mittanzen möchte, so hinreißend bringen die Darsteller die Stimmung, die Machenschaften, die Hinterfotzigkeiten der greisen Künstler, alles ehemaliger Sänger und Musiker, rüber. Offenbar sind sie kein bisschen weise geworden.

Bis der Film nach chaotischen Ereignissen zum Ziel hin in ruhigeres Fahrwasser gerät. Denn das Ziel ist eine Spendergala in dieser eleganten Villa, bei der die Heimbewohner instrumentale und Gesangsnummern aus ihren früheren Künstlerleben darbieten.

Höhepunkt der Gala soll das Quartett aus Verdis Rigoletto werden. Ein riskantes Unternehmen. Erstens kommt die Idee dazu erst spät auf, und zwar über einen Neuzuzug in der Altersresidenz. Dieser Neuzuzug, es ist Maggie Smith als Jean, war dummerweise vor langer Zeit mal kurz mit einem anderen Senior der Residenz verheiratet, mit Tom Courtenay als Reg. Seit Jahrzehnten hat eiserne Funkstille geherrscht zwischen den beiden. Von den Gefühlen ist also nichts verarbeitet. Die Gefühlsvulkane versiegelt gewissermassen. Da versuche jetzt einer hineinzustechen. Eine Aktion reicht jedenfalls nicht aus. Jetzt müssen die anderen Mitglieder des Quartetts, so da sind Pauline Collins als Cissy und Billy Connolly als Wilf auf verschiedene Tricks und Opfer zurückgreifen. Ein Beispiel ist der Besuch von Cissy bei der großen ehemaligen Diva. Mit Blumen, die sie bald schon um den Kopf gehauen kriegt und durch die Empörung auf dem Umgang im ersten Stock in eine Hauskraft läuft und im vornehmen Krankenbett wieder aufwacht. Das ist herrliche Screwball-Comedy und von einer stupenden Folgerichtigkeit gemacht. Dies nur als ein Beispiel.

Das Buch von Ronald Harwood lässt nichts aus, die Anmache im Alter, die Flirts, die Kleinstreitereien der Künstler, der unverhohlene Neid und der Hickhack. Und die Künstlerriege unter Dustin Hoffman spielt das grandios, als wäre es ihre letzte Chance – dabei gehört doch dem Alter die Zukunft – so frisch, so keck, so voller Würde und gleichzeitig Selbstironie. Allein die Figur des Michael Gambon als Céderic, ein reines Vergnügen ihm zuzuschauen, wie er der Musik lauscht oder die Darbietung verachtet; wie energisch er sich für die Gala einsetzt und sowieso alles für sein Verdienst hält.
Ein Komödiantenvergnügen und ein Schauspielerschmaus erster Klasse.

Aus den Notizen: the rumpy bumpy secrets of the marriage bed.

Old age is not for Sissies.

Reg, der Schülern Rap-Unterricht gibt, im Altenheim.
Ein Raper hat die Lektion kapiert, dass Oper sei, wenn einem beim Singen ein Messer in den Rücken gestochen werde, also heiße Rap: wenn einem beim Reden ein Messer in den Rücken gestochen werde.

Nach dem Dinner zu viert, das in Eklat sich auflöst, weil Jean das Spiel durchschaut und wütend den Raum verlässt, fragt Sissy ganz arglos: did she say yes?
Schöner Satz von Jean: I am going to say something very rude to you: fuck you.
Überhaupt dürfte dieser Film auf gar keinen Fall synchronisiert werden; das wäre garantiert ein gewaltiger Qualitätsverlust.

Gangster Squad

Eine verführerische schöne Gangsterballade, ein leicht-süffiger Noir-Film in Farbe. Und ein Film, der in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg spielt. Davon werden demnächst weitere ins Kino kommen („Kon-Tiki“, „The Master“). Nachkriegszeiten sind schwierige Zeiten für Männer. Schwierig für sie, sich in einer Zivilgesellschaft einzuordnen, womöglich sich an Haus und Herd und Frau und Familie zu binden.

L.A. 1949. Der Obergangster Mickey Cohen, ist dabei in L.A. alles zu übernehmen, was jenseits der Legalität ist, Drogen, Glücksspiel, Prostitution. Der Polizeichef von L.A. ist nicht begeistert davon. Er hat ein Problem damit. Legal ist diesem durchtriebenen, mit allen Wassern gewaschenen Ostküsten-Gangster nicht beizukommen. So wird also eine Mannschaft gebildet aus Männern, für die ein braver Streifendienst auch nicht das Richtige ist, denen der Krieg noch in den Knochen sitzt und die für härtere Herausforderungen zu haben sind.

Allein wie sich der Film Zeit nimmt, diese Suche zu zeigen. Wie die einzelnen Figuren vorgestellt werden. Wie in einer Ballade, deren Strophen zwar kurz, aber auch kurzweilig und punktgenau informativ sind.

Die erste der beiden Hauptfiguren dieser wild-coolen Truppe ist Sgt. John O’Mara, gespielt von Josh Brolin. Die andere ist Ryan Gosling als Jerry, ein Charmebolzen von Gangster-Polizist. Er spielt insofern auch auf der Seite seines Gegners, als er mit Jean, gespielt von Emma Stone, anbandelt. Die ist jedoch auch mit Mickey zugange. So kommt Jerry auch in die Villa des Gangsters. Interessant daran ist die Grenzgängerei von Jerry, der mit größter Sicherheit und Gelassenheit über jedes noch so glatte Parkett sich bewegt.

Diese Truppe jenseits der legalen Polizei hat zwar keine Handhabe gegen Mickey. Deshalb muss sie auch in einem Graubereich agieren. Auf Anregung des Polizeichefs sollen sie Mickey das Leben in L.A. verleiden. Die Mittel stehen ihnen frei. Sie dürfen nur nicht als Cops erkennbar werden.

Der erste Auftritt geht schon mal gründlich schief. In einem Film wie eine Ballade wirkt das für das Publikum humorig. Und nicht zu vergessen, beim Zusammenstellen der Truppe hat auch die Frau von O’Mara mitgeholfen. Sie hat ihn beraten bei der Auswahl. Und darauf gedrungen, dass wenigstens einer mit Hirn dabei sei müsse.

Bei einem Stoff, der im illegalen Bereich und in Amerika handelt, kommt man nicht umhin, viel Rumballerei einzubauen. Aber diese Schießereien wirken hier eher cinematographisch reminiszenzhaft als brutal. Der Sänger der Ballade, geschrieben haben das Buch Will Beall und Paul Liebermann, die Regie führte Ruben Fleischer, vermittelt sie uns eher als eine Moritat. Als ob schauderlicher Kontent beschrieben würde, den einer in einer Seifenblase gespiegelt sieht.

Die „Squad“ startet also eine Art Guerilla-Krieg. Sie überfällt Lokale, die Mickey gehören. Sie installieren eine Abhöranlage in seinem Schlafzimmer. Aber genau die wird ihnen schließlich zum Verhängnis werden. Denn Mickey ist ein alter Fuchs. Und spätestens im Moment, wo sie seine neue Zentrale überfallen und das Geld zum Teil zwar verbrennen, aber es nicht mitnehmen, wird ihm klar, das können nur Cops sein, ehrgeizige Cops, denn die sind nicht an Geld interessiert. So kann er es ihnen nochmal zeigen. Womit der Spannungsbogen bis zum finalen Count-Down etwas gedehnt werden kann, das Ende genussvoll hinausgezögert werden kann.

Eine Location heißt Club Figaro. In den Clubs wird prima 50er Jahre Show-, Musik- und Tanz dargeboten. Wie die feine Würze zur Ballade. Mit dem „Eldorado Trust“ will Mickey seine kalifornische Zentrale aufbauen und unangefochtenere Herr über alle illegalen Drogen-, Wett- und Prostitutionsgelder werden. Die gilt es auch zu vernichten.

Bemerkenswert die Erkenntnis bei der Squad, dass sie bald nicht mehr wissen, wo sie nun stehen, auf welcher Seite des Gesetzes. Grauzonen-Existenzen.

Eine Weisheit aus dem Film: every man has a badge. Jeder Mann trägt eine Marke. Braucht also, so kann es wohl interpretiert werden, eine Identität? Wird jedoch nicht weiter vertieft.

You served with distinction, he won.

Die Festung Plaza Hotel, in der sich Mickey für den Count-Down verschanzt hat.
Schöne Ballerei in der Lobby, die mit Weihnachtdekoration überfüllt ist: here comes Santa Claus, meint Mickey.
Erkenntnis von O’Mara: This is not paradise, but its the City of L.A. Irgendwie müssen echter Krieg, Gangster-Krieg und Zivilisation ihren Frieden finden.

Lincoln

Der Zweck heiligt die Mittel, das ist die jesuitische Moral dieser amerikanischen Geschichts-Geschichte von Steven Spielberg. Wenn es um die Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen geht, darf die Demokratie sich auch der Korruption bedienen.

Wir schreiben das Jahr 1865; in den USA herrschen Sklaverei und Sezessionskrieg; Präsident ist die Titelfigur des Filmes, Abraham Lincoln. Im Kongress in Washington ist für den 31. Januar die Abstimmung über den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten angesetzt. Dieser Artikel hat die Abschaffung der Sklaverei zur Folge, ein Meilenstein also in der Entwicklung der amerikanischen Demokratie.

Diese Bedeutung inszeniert Spielberg nun mit jeder gerne auch tiefen Lichtsetzung, mit jeder detailgetreuen Innenausstattung, mit jeder Kostümfalte, mit jeder Perückenfaser seiner Darsteller dunkel-düster-gemäldehaft. Wie frisch renovierte Oelschinken sehen die Bilder aus. Spielberg inszeniert faktisch stehende Gemälde mit Dialog austauschenden Figuren.

Die deutsche Billig-Synchronisation hört sich an wie ein Kratzen mit einem Metallstift auf einer Schiefertafel oder konträr: die einem wie ein Schlafmittel ins Ohr geträufelt wird – und macht einen allfälligen für einen Europäer eh schon schwer zu eruierenden Genuss dieses idealisierend-sentimentalen Werkes, das fernab jeglicher Gegenwart daher musealt, vollends unerträglich.

Das Drehbuch von Tony Kushner, das sich in Teilen auf ein Buch von Doris Kearns Goodwin beruft, hat fleißig herausgearbeitet, welcher Republikaner nun welchen Demokraten, welcher Washington-Politiker welchen Provinz-Politiker wie bearbeitet hat, um zu den erwartungsgemäß knapp bemessenen Ja-Stimmen bei dieser historischen Entscheidung zu gelangen. Lehrer, die ihre Schüler strafen wollen, sollten mit ihnen diesen Film anschauen; so können sie bequem ein wichtiges Kapitel der amerikanischen Geschichte von Herrn Spielberg ausfalten lassen.

Je länger der Film andauerte, desto mehr entstand in meinem Kopf ein Film um den Film herum; das ganze Gewese und heilige Getue am Set des großen Meisters Spielberg. Wie bedeutungsvoll die einzelnen Figuren, jeder einzelne Komparse behandelt wird; wie jedem Schauspieler vor seinem Auftritt genau eingetrichtert wird, was er zu spielen habe, was in ihm vorgehe. Wie alle umsorgt und umhegt werden wie eine Sammlung kostbarer Porzellan-Figuren. Wie aber der Meister wie ein großer Zampano verstaubte Szenerien mit vielen Komparsen und Figuren, die rumstehen und auch die Zitate seiner Schlachtfelder aus anderen Filmen, inszeniert. Wie bei Außenszenen das Film-Dorf-Leben inszeniert wurde. Als ob er selbst Film spielen wolle. (Inzwischen habe ich in einem Interview gelesen, dass der Meister selbst und gegen seine Gewohnheit, bei diesem Dreh Anzug getragen habe. Und er hat auch von der feierlichen Stimmung am Set berichtet).

Zwischendrin eingebaut gehören familiäre Szenen bei Präsidentens mit Sohn und Frau, die auch ihren Einfluss auf die Politik auszuüben versucht und sonst mit Irrenhaus droht. Der erwachsene Sohn, der unbedingt in den Krieg ziehen möchte. Dinge, wie sie einem Familienfilm gut anstehen. Dazu eine Karfreitagskutschenfahrt mit seiner Frau. „Wir müssen versuchen glücklich zu sein; wir waren viel zu lange unglücklich“.

Einen schönen selbstreferenziellen Satz gibt es ganz früh im Film: da geht es darum, aufhören zu können; mit Schreiben; man könnte auch sagen: mit Drehen: aber die Person, von der die Rede ist, ist sogar zu faul zum Aufhören. Darum dauert der Film fast ewige zweieinhalb Stunden.

Spielberg als Kopist alter Meistergemälde in Perfektionismus und außerdem in ehrfürchtiger Andacht vor der Historie, über die er berichtet, erstarrt. Lauter oscarreife Einzelleistungen kunstvoll zu einem rückwärts orientierten Gebilde verflochten. Schöner alter Zopf.

Flight

Schade, am Ende war es dann doch nur eine Alcoholic Romantic Comedy, in der der alkohol- und drogenkranke Pilot Whip Whitaker (Denzel Washington) sich zu seiner Alkoholsucht bekennt und sich mit seinem Sohn versöhnt. Vorher hat der Film gezeigt, wie unglaublich schwer der Weg zu so einer Erkenntnis sein kann, indem er dafür eine schier unglaubliche Abwendung einer Flugzeugtotalkatastrophe durch den betrunkenen Piloten oder je nach Lesart ein christliches Wunder bemühen musste. Das ist insofern eine Enttäuschung, als die Exposition, die fast die Hälfte des Filmes einnimmt, mit modernster Computerhilfe schön spannend gemachtes Katastrophenkino ist.

Gleich die erste Szene weiß zu vereinnahmen, künstlerisch wie atmosphärisch. Whip wacht in einem Hotel in Orlando, Florida, auf. Irgendwas hat er diese Nacht wohl hinter sich. Doch was? Die Kollegin, mit der er das Bett geteilt hatte, die geht gerade ins Bad. Alkohol dürfte im Spiel gewesen sein. Ob es eine Supernacht war? Die Reaktionen von Whip auf den neuen Tag lassen das nicht unbedingt vermuten. Eher kräfteraubend. Erschöpfend. Ein neuer Tag. Er ist irgendwie brummschädelig, hat wenig Drang zum Aufstehen oder zu Bewegung. Eine Linie Koks. Ein Routinetag liegt vor ihm. Er wird einen Linienflug nach Atlanta zu absolvieren haben. Es handelt sich um einen jener Flüge, bei denen Piloten durchaus zwischendrin ein Nickerchen machen können. Und sich vorher (und auch während) einen Schluck Alkohol genehmigen.

Ihm ist ein junger Copilot zugeteilt, von dem er nicht sicher ist, ob er ihn schon kennt. Das Flugzeug ist mit 88 Passagieren und 6 Crew-Mitgliedern gut besetzt. Wie es einem Katastrophenfilm gut bekommt, wird der Start schon holprig gezeigt. Der Steigflug wird aus dem Flugzeug heraus so fotografiert, dass der Zuschauer ständig das Gefühl hat, es sei sehr anstrengend und es sei überhaupt nicht sicher, ob das Flugzeug die reguläre Flughöhe überhaupt erreichen wird.

Vorher hat der Kapitän noch die Passagier persönlich von der Kabinentür aus begrüßt. Gleichzeitig hat er mit der versteckten Hand zwei Dosen Whisky in seinen Orangensaft eingefüllt. Irgendwann ist die Höhe erreicht. Kurze Zeit geht alles gut. Man geht schon in den Sinkflug über. Ein technischer Defekt an einem Höhenruder bewirkt allerdings, dass die Maschine den Tauchgang einlegt, also direkt auf die Erde zu rast.

Jetzt gelingt Whitaker, was sonst wohl kaum je einem Piloten gelingen dürfte. Wenige hundert Meter über der Erdoberfläche und wenige Sekunden bevor die Maschine am Boden zerschellt, schafft er das tollkühne Manöver, das Flugzeug umzudrehen, so dass es auf dem Rücken weiter fliegt. Er kann auf einem Feld neben einer Kirche eine einigermaßen glimpfliche Bruchlandung hinlegen mit nur 6 Toten (eigentlich nur vier, wie einer der Anwälte in einer späteren Besprechung meint, denn die beiden Crew-Mitglieder zählen nicht – versicherungstechnisch versteht sich, weil bei denen die Gewerkschaft die Dinge regeln muss, wenn ich das richtig verstanden habe) und einigen Verletzten.

Whitaker wacht im Krankenhaus auf mit einem Kopfverband, ein Auge zugedeckt. Als erstes bekommt er Besuch von der NTSB, der Kommission, die Flugunfälle untersucht. Es geht schließlich darum, wer am Ende bezahlen muss. Was der Grund für den Beinah-Absturz war.

Schnell erfährt Whitaker, dass ihm Gefängnis drohe, dass eine Blutuntersuchung auf Alkohol- und Drogenkonsum schließen ließ. Eine spannende Ausgangssituation also, darauf schien es mir hinauszulaufen, auf die Frage, wie wird sein Vergehen, seine Alkoholkrankheit aufgewogen gegen seine heldische Tat (in den Medien wurde er sofort zum Helden stilisiert, das zeigt der Film aber angenehm dezent aus Seitenblicken oder über kurze TV-Einblendungen). Es könnte uns also eine spannende, arbeitsrechtliche Verantwortungs-Diskussion bevorstehen. Darauf scheint mir die Exposition hinauszulaufen. Gesetz gegen Heldentat.

Aber jetzt nimmt sich der Film plötzlich Zeit für das Anbandeln mit Nicole. Auch sie ist eine Süchtige, die er in einem Raucher-Treppenhaus der Klinik kennenlernt. In einer wunderbaren Szene im beengten Stiegenhaus, zu der noch ein Krebskranker mit Infusionen an einem Fahrgestell hinzukommt und einen herrlich zynischen Monolog hält. Das kann nur mit kleiner oder Kleinstkamera aufgenommen worden sein; mit kaum künstlichem Licht, außer auf Nicole. So ähnlich sind viele Szenen aufgenommen worden, sozusagen auf dem neuesten Stand der Technik und mit einer viel Spontaneität ermöglichenden Nähe ohne befremdende Technikaufbauten rund um die Schauspieler. Hohe Szenenqualitäten.

Aber der Film nimmt sich jetzt mehr Zeit für Sentimentalitäten. Nicole nimmt Whitaker mit zu den Anonymen Alkoholikern. Er macht einen Besuch bei seiner Ex-Frau und seinem Sohn; wird aber harsch abgewiesen; lauter Aktivitäten, die zwar die Alkoholkrankheit illustrieren, nicht aber das angerissene Problem vorwärts bringen.

In mehreren Szenen sitzt er dem Alkohol gegenüber und schwankt, zugreifen oder nicht. Erinnerung an eine berühmte Versuchungsszene aus Nestroys „Lumpazivagabundus“, generell einem Kabinettstückchen für Schauspieler. Hier wird das knapp abgehakt: Schnaps und die Finger schlagen kurz einen Takt auf die Tischoberfläche, dann greift Whitaker zu.

Schön die News mit dem Cellphone-Footage von der Bruchlandung. Das Vorhaben des Anwaltes, den toxikologischen Befund zu killen, das würde noch zur erwähnten Erwartungshaltung passen. Und irgendwie verwundert es doch, dass nach so einem Beinah-Absturz-Erlebnis die Alkoholsucht von Whitaker überhaupt nicht vorbei ist. Die muss sehr stark gewesen sein. So ein Erlebnis müsste doch ein Aufwecker sein. Hier arbeitet das Drehbuch meiner Meinung nach nicht nach gängiger Lebenserfahrung.

Am Ende wird es dann doch recht naives Heilskino: nachdem Whitaker sagen kann, dass er Alkoholiker sei, fühlt er sich frei, das erste Mal im Leben. Wenn ein Film mit so einer Moral ankommt, so hält er meines Erachtens die Zuschauer vom Kino fern. Der will nämlich im Kino nicht zum Gutmenschen werden, noch Zeuge werden, wie ein chronischer Alkoholiker zum Gutmenschen wird. Der will wissen, was passiert mit einem Helden, der gar keiner sein dürfte. Dieser Frage weicht das Drehbuch, an dem auch der Protagonist Denzel Washington mitgeschrieben hat, aus. Das hat gravierende Folgen auch auf für die Rollenkontinuität. Im zweiten Teil scheint mir Washington manchmal zu geschniegelt. Das sind weder der Kapitän, den er anfangs brillant und grandios spielt, noch der Alkoholiker mehr erkennbar. Da ist er ein ganz gewöhnlicher Leinwandstar geworden, der einen Alkoholiker spielt, dem sein Problem bewusst geworden ist und der es überwindet.

Frankenweenie

Was ist das jetzt: New Hollywood? Ja, insofern als es den Spaß des Old Hollywood, noch bevor dieses in den Reglementierungen des Studiobetriebes erstarrte, sucht. New Halloween? Ja, insofern manche von den animierten Figuren, mit denen uns Tim Burton diese verrückte, animierte Erfindergeschichte und wie die Erfindungen sich selbstständig machten, Gesichter haben wie Halloween-Kürbis-Fratzen und sowieso an ein Geisterfestival erinnern. Aber das ist es wirklich: es ist New Holland. Die kleine Ortschaft, in dem unsere berauschend kurzweilige Horror-Gespenster-Erfinder-Kinofahrt stattfindet.

Alles hat hier vor seinem Namen den Begriff: New Holland. New Holland Elementary School oder New Holland Tierfriedhof. Und dann bibbert alles auf den New Holland Fair zu, was zu einem grässlichen Gespensterfair werden wird, kaum hat das kleine Mädchen vom fetten Bürgermeister, den vor allem das pingelige Schneiden der Hecken interessiert, das New Holland Lied ausgesungen mit den brennenden Kerzlein auf seinem Hut. Und am Berghang prangen groß wie in Hollywood die berühmten Lettern „New Holland“. Wenn das mal ein Zufall ist.

Wie natürlich nichts und gar nichts ein Zufall ist in der Regie von Tim Burton (das Buch hat John August geschrieben). Wo immer er auch die Ideen her haben mag. Hier erzählt er uns diese kleine Geschichte vom Zehnjährigen Victor, der in New Holland wohnt. Victor ist der Nachbarsjunge von Bürgermeisters und er hat einen kleinen Hund, einen merkwürdig animiert verformten Terrier, der immer mal den Duft der Pudeldame von hinterm Lattenzaun der anderen Nachbarn aufnimmt und der ihn etwas unruhig macht.

Die Eltern von Victor sind Mr. Und Mrs Frankstein, auch das ein ganz zufälliger Name. Wie in der New Holland Elementary School der Lehrer Rzykruski den Schülern ein Experiment zeigt und wie der Hund von Victor von einem Auto überfahren wird, so versucht Victor auf dem Dachboden den Hund wiederzubeleben mit den Erkenntnissen aus dem Experiment. Mit Ungetümen von elektrischen Apparaturen. Der Versuch gelingt. Und löst nun all die Kettenreaktionen aus, die aus dem Dutch Day auf dem New Holland Fair im festlichen Provinznest ein Halloween-Fest machen, bei dem die sonderbarsten Ungeheuer und Kunstfiguren aus der Filmgeschichte das Fest überrennen, überrumpeln und schier zum Zusammenbrechen bringen. Ein Horror-Erlebnis von höchster Qualität und größter Gaudi.

Mindern tut dieses großartige Erlebnis, das wie im Fluge vorbeigeht, einzig 3D und dass der Film noch dazu in schwarzweiß gedreht worden ist, wodurch auf die Augenlinse des Zuschauers noch weniger Kinolicht fällt. Schade, schade, denn diesen Horror möchte man nicht nur schummrig erleben. Explosion der Monster, die die Tüftler riefen und deren sie kaum mehr Herr werden.

Kino in technisch modernst upgedateter bester Tradition. Ein direktes Jahrmarktsvergnügen. Du gehst rein, kommst durchgeschüttelt wieder raus und der Zauber ist aus.

Blank City

Ein rasanter, dichter Abriss der New Yorker Underground-Filmgeschichte als einer Folge der Beat-Generation und bis zum Ende dieses „No Wave Cinema“ und des „Cinemas of Transgression“ mit dem Aufkommen von MTV und der Gentrifizierung des Lower-East-Side. Ein Appetizer und Anreger für Filmfans, Filmdenker, Filmforscher, künftige Filmemacher über ein Kino, was nur dem eigenen Urteil der Macher verantwortlich sein wollte.

Sie lebten gefährlich diese Super-8-Filmemacher. Meist ohne Geld in einer menschenleeren, verwahrlosten Gegend. Eines der Mottos war, nur kein Metier, nur nicht das tun, was man kann. Musik machen und Filme. Es ging um Spontaneität. Auch um Provokation, man wollte Reaktionen auslösen, explosive Momente herstellen und auf Film bannen.

Das Kino war das Leben. Unser Leben war das Kino. Wir wollten etwas anderes machen. Rebellion gegen das Erstarrte. Man war aufgewühlt durch den Tod von Kennedy und den von Martin Luther King. Die Kunst mit Nichts einen Film zu machen. Manchmal musste man auch was klauen dazu. Eine Community von Outsidern, Freaks, Misfits. Eine Community der Drogen, MDA, Ecstasy. Das Feeling einer Community, das, wie das Geld kam, einem der Konkurrenz wich.

Der Blackout von 1977, wie sofort die Gesetzlosigkeit herrschte. Lehrsatz von ennet dem Atlantik für diese Filmemacher war auch einer von Godard: man müsse Filme machen ohne Licht und feste Kamera. Sie interessierten sich nicht für das Narrative, sondern für die Wucht politischer Äußerung. Filme macht man für ein höheres Ziel, doch nicht um Geld zu verdienen. Aber man musste sich was einfallen lassen, um zu überleben. Das verlieh dem Ganzen einen „Sense of Urgency“ in diesem extraordinären Nihilismus. Man konnte alles zeigen und machen, das Lebensgefühl erlaubte alles.

Bis das Geld zu fließen begann. Bis die „celebrity-culture“ eindrang in diese Community. Und AIDS. Viele Tote dadurch und das Verdikt der Reaganschen Politik, diese Krankheit zu erforschen, was viele Tote hätte vermeiden können.

Fazit dieser Filmperiode: die Leute waren „passionate“ und hatten einen „sense of integrity“. Bis das Geld kam. Darum setzt die Filmemacherin Céline Danhier ans Ende doch noch eine Äußerung von Jim Jarmousch, der die Kraft der Ideen als allerwichtigstes betont.

Mit Interviews / Filmausschnitten von: Jim Jarmusch, Amos Poe, Jonas Mekas, Nick Zedd, Michael Oblowitz, Susan Seidelmann, John Waters, Steve Buscemi, Eric Mitchell u.v.a.

Das Lied des Lebens

Die Dokumentaristin Irene Langemann liebt das Exklusive, fühlt sich von ihm angezogen und dokumentiert es. Darauf lassen zwei ihrer Vorgängerfilm und der jetzt vorliegende „Das Lied des Lebens“ schließen.

In „Rubljovka – Straße zur Glückseligkeit“ hielt sie ihren konzentrierten Fokus auf ein Neureichen-Viertel bei Moskau. In „Die Konkurrenten – Russlands Wunderkinder II“ heftete sie sich konsequent an Finger und Fersen von musikalischen Wunderkindern nach ihrer Wunderkinderzeit.

Im aktuellen Film präsentiert sie uns zu einem leicht verdaulichen Pesto gemixt exklusive Kulturdienstleister für Senioren in luxuriösen Seniorenresidenzen. Die Angebote können sich sehen und hören lassen.

Mit ihrer leichten Kinohandschrift mischt Irene Langemann leichthändig immer wieder dekorative Bilder zwischen die dokumentarischen Szenen: Wolken, Gewitter, Bäume, Wiesen, Blumen, Vögel, Laub, Bahnhof.

Mit Dekor fängt der Film an. Mit Laub, dazu ein Klangteppich aus menschlichen Stimmen, die das Wort Himmelspforte intonieren. Aber das Laub hat hier mehr Funktion als nur Dekor. Mit Erscheinen der Hauptfigur in diesem Film, dem Musiker Bernhard König, der ein eineiiger Zwillingsbruder von Devid Striesow sein könnte, bekommt das Laub gleich eine aktivere Bedeutung. König sammelt in seinem Rollkoffer auf dem Weg zu einer Altersresidenz Herbstlaub. Dieses präsentiert er seinen „Kursteilnehmern“. Wobei dieser Ausdruck von mir stammt, denn solch irdischen Dinge, wie Geld und Organisation und Finanzierung, das interessiert Irene Langemann nicht.

König packt also vor einer Runde von Senioren Laub auf den Tisch und zu ihrer Verwunderung sollen sie damit Geräusche vor einem Mikro machen. Er hat einen Tontechniker dabei, der die Geräusche auf einem anderen Gerät verfremdet, verstärkt und wiedergibt.

Königs Geschäft ist ein kreatives. Er hält diese Kurse oder Stunden in verschiedenen Altersheimen und Residenzen ab. Er geht individuell auf einzelne Senioren ein. Versucht durch Nachfrage nach ihren Geschichten auf eines ihrer Kernprobleme zu stoßen und das musikalisch zu verarbeiten mit eigens erfundenen Kompositionen, bei denen die Senioren mitarbeiten.

Oder er versucht, eingeschlummerte Talente wieder aufzuwecken. Wie bei jener Frau, die seit ihrer Schulzeit nie wieder gesungen hat, weil es hieß, ihre Stimme störe, welche Diskriminierung! Und die bei König ihre Gesangsstimme wiederfindet.

König arbeitet auch mit einem Experimentalchor für alte Stimmen nicht unter 70 in Köln zusammen. Auch hier werden die Senioren von einer hervorragenden Stimmpädagogin, wobei auch solche Details und Bezeichnungen Frau Langemann nicht im geringsten interessieren, betreut. Das ist wirklich überraschend, was für ein Klangkörper eine solche Gruppe, alle gut gekleidet und sicher auch gebildet, zu bilden imstande ist. Es verschafft auch den Senioren aufregende Erlebnisse.

Eindrücklich zum Beispiel Frau Thost aus einem Altenheim in Stuttgart. Sie ist längst erblindet. Ihre Mutter ist gestorben, wie sie vier Jahre alt war. Verwandte erklärten dem kleinen Mädchen, die Mutter sei jetzt im Himmel. Aber sie konnte nirgendwo am Himmel die Mutter sehen. Basierend auf diesem Erlebnis wird eine eigene Komposition erstellt.

Oder Olga, die Alphornbläserin, gewiss Künstlerin und die mit 60 ihren ersten und einzigen Fallschirmsprung gewagt hatte. Davon ausgehend wird zum Thema Angst komponiert und eingeübt.

Oder der Herr Reisinger, der selbst komponiert hatte, den Hexentanz, und der nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt ist. Nach seinen Direktiven wird eine Komposition über Engel angefertigt. Und die Dokumentaristin fügt schnell ein paar faszinierende Gewitterbilder mit einfach-geometrischen Blitzen ein.

Einen kleinen Storyfaden gibt es auch in dieser Kulturdienstleisterpräsentation: es wird ein Konzert in der Philharmonie in Essen geplant und es wird auch zur Aufführung kommen.

Die Frage ist, wie weit so ein geschmackvoller, kulturbeflissener Bilderbogen, der sich nah an die Protagonisten, an ihre Hände herantraut, im Kino heute noch zu verfangen mag; ob eine Dokumentation, die im Kino wichtig werden möchte, nicht doch deutlicher einen Spannungsbogen herausarbeiten sollte. Sich ein exklusives Objekt aussuchen, es eine Weile begleiten und dann die Bilder mit Geschmack aneinanderreihen, ist dafür vielleicht doch etwas wenig.

Staub auf unseren Herzen

Lebenstheorie und Schaupielerempirie gehen hier in einer Mutter-Tochter-Geschichte eine Symbiose ein, der man gerne und gut zuschauen kann, die aber mehr Wert auf das „how to do“ zu legen scheint – und somit sich von den Professoren der dffb beste Noten verdientermassen verdient, die jedoch keinen Wert darauf zu legen scheint, dem Kinozuschauer entgegenzukommen, der im Kino eine ungewöhnliche Geschichte oder eine gewöhnliche Geschichte ungewöhnlich erzählt erleben möchte. Mehr dazu unter Filmfest München: https://www.filmjournalisten.de/2012/07/01/staub-auf-unseren-herzen-filmfest-munchen/

Mavericks – Lebe Deinen Traum

Das ist eine kräftige Mischung aus entfesselter Natur, aus höchsten, höchst herausfordernden Surfwellen (Mavericks) und biederster, hollywoodsüßester Familiengeschichte.

Die Mischung machts, die Kario Saalem und Jim Meenaghan als Autoren und Curtis Hanson und Michael Apted als Regisseure angerichtet haben. Nach einer wahren Story als zusätzlicher Würze.

Ein Junge in Kalifornien aus verwahrlosten Familienverhältnissen, Jay Moriarty, ist schon früh von den anbrandenden Wellen fasziniert. Das erzählen uns einige Szenen am Anfang, in die immer wieder fantastische Wellenbilder eingeblendet werden. Er ist da 8 Jahre alt.

Dann gibt’s einen Schnitt. 7 Jahre später. Jay ist jetzt 15. Er verfolgt seinen abenteuerlich aussehenden Nachbarn Frosty Hessen an die Küste, indem er hinten auf sein Auto aufspringt. Jay entdeckt, dass Frosty mit einigen Kumpels an einer Stelle der Küste unglaubliche Wellen gefunden hat. Jay möchte da auch mittun. Er erfährt, dass diese hohen Wellen nur in besonderen Zeiten auftreten, und dass sie in etwa alle zehn Jahre im Zusammenhang mit dem El-Nino-Phänomen besonders hoch und dadurch eine unglaubliche Herausforderung für die Surfer werden. Er will, dass Frosty ihn mitnimmt. Dieser kennt die Gefahr und die Probleme. Er lässt sich überreden, Jay zu trainieren. Er stellt jedoch klipp und klar strenge Forderungen.

Frosty und Jay haben bis zum Höhepunkt der Welle genau 12 Wochen Zeit. Jay trainiert nun hart. Die Bewilligung von der Mutter, die fälscht eine Freundin. Vom Vater gibt es einmal eine Schlägerei-Szene mit der Mutter zu sehen, denn der Vater ist sonst in der Armee. Also klischeehafter geht es nicht, die erschwerenden Familienverhältnisse, dazu kommt noch eine Art Jugendlichen-Gang als Gegner.

Aber Jay bleibt dabei, trainiert systematisch. Frosty verlangt auch, dass er Texte schreibt, was Jay erst vollständig missversteht und über seine Angebetete schreibt. Aber Frosty meint, er müsse sich mental mit der Welle beschäftigen und es gehe ihm auch um Wahrheit, die üblichen moralischen Anforderungen halt, die eine so biedere Spielhandlung mit hauptsächlich süß lächelnden Protagonisten wie aus dem Hollywoodschaukasten geholt verlangt.

Jay ist der besondere Junge, der anders ist als die anderen, der nicht nur rumhängen will. Oder sich vergnügen in der Pleasure Pizza Delivery. Hier arbeitet er nämlich neben der Schule her. Frosty bringt ihm bei einem Tauchgang, wo sie einem großen gefährlichen Fisch begegnen, den Unterschied zwischen Angst und Panik bei. Angst sei gesund, Panik dagegen tödlich.

Es gibt eine Szene, wo Frosty in der Schule das Atemanhalten übt, bis er vom Stuhl kippt und die „gewöhnlichen“, „gemeinen“ Kids, die amüsieren sich darüber. Ein einfaches Heldenbild, was hier zelebriert wird. Deswegen müsste man den Film wirklich nicht anschauen. Aber da dieses Heldenaufbau-Getue nur den Rahmen bildet für die grandiosen Wellenaufnahmen oft auch aus der Luft oder beim „Finale“, wie es Schiffe darin schaukelt, so bleibt einzig zu überlegen, wie denn so ein Surffilm wäre, der sich traute, ohne so eine biedere, absehbare, auch sehr ausgelutschte und rein, wenn auch fachlich professionell und ordentlich gemachte Familiengeschichte auszukommen. Wenn gar eine ganz wilde Geschichte drum herum gelegt würde.

Hier wird das Surf-Finale zum feierlichen Begängnis. Die Leute kommen an, sammeln sich, beziehen Beobachterpositionen auf den Klippen oder in begleitenden Schiffen. Sie müssen viele Angstreaktionen spielen, womöglich mit halboffenem Mund, wenn Jay im Wellenschaum nicht mehr auszumachen ist und nur sein farblich gut markiertes und herausgehobenes Surfbrett aus der Gischt in den Himmel ragt.

Bieder menschliche Organisiertheit versus Naturgewalt, das ist hier die Kombination, die dem Film seinen Stempel aufdrückt.