Zero Dark Thirty

Kino unter der Käseglocke oder im Dom für Antiterrorkriegsgläubige. Die von Bush Junior in Gang gesetzte Menschenjagd, dead or alive, nach dem Oberterroristen Osama Bin Laden nacherzählt in smarter zeitgemäßer Kinosprache als ein spannendes Räuber- und Gendarmspiel aus der Sicht einer breitlippigen CIA-Menschenjägerin. Die Regie führte Kathryn Bigelow. Das Drehbuch schrieb Mark Boal.

Den Oberbösewicht, der für den Anschlag von 9/11 verantwortlich ist, den erlebt man erst nach seiner Tötung. Da ist er längst ein alter, kranker Mann mit kaum mehr Einfluss auf die Terrorszene. Denn der Terror, der in Afghanistan mit einem Krieg bekämpft werden sollte, hatte sich bis dahin, 2011, längst in andere Winkel der Erde verzogen. Tötung ohne jede Wirkung auf die Sicherheit auf der Welt. Tötung einzig als Triumph für einen wahlkämpfenden amerikanischen Präsidenten, der auch Friedensnobelpreisträger ist. Hinrichtung eines kranken Greises a posteriori ohne jeden Gerichtsprozess. Insofern ein Film in den Wind hinaus.

Der Präsident wird auch zitiert, dass er ganz genau die Situation betrachte und analysiere. He is a thouroughful and analytical guy. Insofern ist dieser Film, der die Geschichte mit barer Münze und treuherzigen Blickes wiedergibt, ein verspätetes Wahlkampfgeschenk an den Menschenjäger und Friedensnobelpreisträger Obama.

Jessica Chastain spielt mit einem Blick, der Gewissenhaftigkeit und Betroffenheit ausdrückt, die CIA-Agentin, die sich hartnäckig auf die Spur des Terroristen-Hirnes setzt. Und die sehr spät erst, als die Stürmung seines Sitzes in Pakistan stattfindet, Erfolg hat, zu spät, denn für den Terrorismus war Bin Laden zum dem Zeitpunkt nicht mehr von Belang. Insofern scheint mir auch der Film von großer Belanglosigkeit zu sein, von schönster, aufregend unterhaltender Belanglosigkeit. Mit Locations in aller Welt, Langley, Bagram Air-Base in Afghanistan, Camp Champman in Khost, White House in Washington, Jalalabad, Mexiko, Kuwait (hier Disco und Lamborghini-Geschenk für einen heißen Tipp), London, Polen und wo auch immer der CIA seine Black Sites zur Folterung Verdächtiger angelegt hat.

Mit schön vorgeführten Foltermethoden. Aber die beiden Agenten, der Partner von Chastain, Dan und sie selbst, sie tun immer so, als haben sie ein schlechtes Gewissen dabei. Bei Verhören in Pakistan trägt sie brav ein Kopftuch. Ganz nette Folterer sind das. War ja auch alles gut gemeint. Im Sinne der guten Sache. Des guten Antiterrorkrieges.

Und schön brav, wie jene Inseratenkampagne in großen deutschen Zeitungen, die dem mangelnden Support der Deutschen für den bescheuerten Antiterrorkrieg, in dem Deutschland stupid mitlaufen sollte, begegnen wollte, die immer brav all die Anschläge mit x Toten rekapitulierten, so rekapituliert auch der Filme prominente Anschläge, London, Marriott-Hotel in Islamabad, Mexiko und in einem Militärlager in Afghanistan. Damit versuchend, die Wichtigkeit seiner selbst zu begründen. Denn für den, der nicht an die Sinnigkeit eines Antiterrorkrieges glaubt, das dürfte die Mehrheit der Deutschen sein, wirkt es doch etwas strange, so ganz ohne Distanz diese Geschichte nachzuerzählen, die Menschenjägerin zur Heldin zu stilisieren.

Was am Schluss ins Melodram ausartet, wie sie pathetisch am „Body-Bag“ steht, in dem die berühmte Leiche transportiert wird, wie sie da steht, als gedenke sie des Holocausts, als habe sie eine ganz große Mission erfüllt. Und hat doch nur einen kranken Greis zur Strecke gebracht. Diesen Leichensack mit dem toten, ermordeten Greis haben wir die letzte halbe Stunde schon ständig mit dickem Fingerzeig im Bild gesehen, da ist sie drin die Leiche vom Verbrecher!

Da hat der Film auch längst schon angefangen sich zu ziehen, sich selber in der Menschenjagd zu zelebrieren. Zäh wie das Zähneziehen, fast in Originalzeit wie es scheint, wird der Sturm mit den zwei Tarnkappenhelikoptern auf die kleine Festung, in der sich Osama zurückgezogen hat, gezeigt. Jetzt wohnen wir einer historischen Aktion bei. Sorry, wirklich lächerlich, wenn man sich bewusst macht, dass der Terror längst woanders Fuss gefasst hat zu diesem Zeitpunkt, dass er längst ohne Osama weiter wirkt. Eine halbe Stunde scheint mir dieser Sturm zu dauern, bei dem in lustiger Action ein Helikopter noch abstürzt an der Mauer zum Compound.

Dann muss mühsam eine Türe nach der anderen gesprengt werden. Verschüchterte Kinder und Frauen müssen im Zaum gehalten werden. Die Distanzlosigkeit und der biedere Versuch der Objektivität können meines Erachtens nicht verschleiern, dass so ein Projekt ohne massive Hilfe des Militärs oder des Geheimdienstes, ohne Einsicht in die Akten und damit gegenseitige Einsicht ins Drehbuch und vermutlich mit viel Geld aus dem Antiterrorpot gemacht werden kann. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Sätze von der Folter: he has to learn, how helpless he is. Your are a discgrace to humanity. When you lie to me, I hurt you. You can help yourself by being truthful. Your are not my friend. I can not give help to you, I break you (Vorbereitung zum Waterboarding). Und Obama beteuert am Fernsehen, dass es keine Folter gebe. Der Gefolterte zum Folterer: you are a midlevel guy.

Mich wundert, dass die Verleiher den Film in Deutschland ins Kino bringen wollen. Meines Erachtens fehlt hier der ideologische Boden für so einen Film. Und das Kino am Kino ist hier zwar meisterlich beherrscht, aber doch nicht so, dass dies schon Grund genug für Interesse sein könnte.

In einem Meeting beim CIA pathetisches Schuldbekenntnis unter dem Zwischentitel „Human Error“. In theatralischer Rede bekundet ein Beamter: we are failling… billions of dollars and no closer to the target.

Und noch eine kleine Werbung für die Drohnen: wie schön man doch mit denen das Anwesen, in dem Osama vermutet wird, aus der Luft beobachten kann. Nur weiß man nicht, ob er drin ist. Allerdings ist bei der entscheidenden Besprechung unsere süße, schuldbewusste, gewissenhafte Menschenjägerin 100% sicher. Ihre männlichen Kollegen sind es zu mindestens 60 Prozent. Das wird die Grundlage für den Befehl des Präsidenten, Friedensnobelpreisträgers und Menschenjägers zum Sturm auf das Anwesen. Dead or alive. Einer schickt ihm noch einen Todesschuss hinterher wie er schon am Boden liegt.

Lustiger Begriff aus einer Besprechung: Clust-Fuck. Vielleicht gilt etwas davon auch für diesen Film. Und am Schluss, wenn sie ihr Wild erlegt hat, lässt sich unsere Menschenjägerin ganz filmstarlike ablichten mit offenem Haar und Sonnenbrille.

Das wahre Drama von dieser Menschenjägerin ist doch, dass sie einen Mann zur Strecke gebracht hat, der längst keine Gefahr mehr weder für die USA noch für den Rest der Welt war. Da hätte ein echtes Drama draus werden können, statt nur ein nettes, auf Betroffenheit schielendes Menschenjägertum.

2 Gedanken zu „Zero Dark Thirty“

  1. „Das wahre Drama von dieser Menschenjägerin ist doch, dass sie einen Mann zur Strecke gebracht hat, der längst keine Gefahr mehr weder für die USA noch für den Rest der Welt war.“

    Uiuiuiuiui…

  2. Das muss ich natürlich etwas erläutern, worin ich das Drama sehe. Ich habe die Geschichte schon etwas weiter gesponnen. Wie es ja heißt, das Ende eine Geschichte muss der Anfang einer neuen Geschichte sein können. Eine Geschichte, die mit einer Figur anfängt, die, so weit war es im Film ja nicht, erkennt, dass sie jahrelang für nichts und wieder nichts einem Typen nachgejagt ist. Und wie sie ihn dann erledigt hat, sehen muss, dass es sich nicht um einen Giganten, als der er ihr eingetrichtert worden ist, sondern nur um ein elendes Häufchen schwächlichen Greises handelt, der keinen Einfluss mehr hat. Und dass sie erkennen muss, dass der Terrorismus sich längst woandershin verflüchtigt hat. Das könnte ich mir schon als spannendes Drama eines Menschen vorstellen: dass er erkennt, dass er jahrelang für einen Shit, für nichts gearbeitet hat. Dass ein wichtiger Teil seiner Lebensleistung zu nichts führte. Der Welt nichts nützte. Denn die Terrorgefahr, so deklinieren es uns die Experten auch hierzulande vor, ist nicht gebannt, im Gegenteil, unser Innenminister möchte eher mehr als weniger Sicherheitsgesetze. Der Einsatz dieser Verbrecherjägerin, auch der Foltereinsatz!, war als für Nullkommanichts. Hat die Welt nicht sicherer gemacht, was sie sich aber als Ziel und erhoffte Folge ihrer Mission die ganze Zeit eingebildet hat. Sie müsste sich von ihren Chefs sogar richtig verarscht vorkommen. Denn die haben ihr doch immer vorgemacht, die Welt würde ein Stück sicherer, wenn dieser Mensch exekutiert würde. Oder ist es im Film anders dargestellt? Ich denke nicht, sie hat die Verbrecherjagd nicht aus reinem Blutdurst heraus betrieben. Dabei fällt mir gerade auf, dass ihre Motivation im Film überhaupt nicht richtig herausgearbeitet worden ist, ein essentieller Schwachpunkt des Drehbuches; darum dürfte ihr persönliches Drama, was ich sehe, allein aus dem Film heraus auch nicht sofort einleuchtend sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert