Die Männer der Emden

Eine richtige Männer-Abenteuer-Geschichte mit historischem Hintergrund hat sich Berengar Pfahl, der mit Axel Ricke auch das Drehbuch geschrieben hat, hier vorgenommen, einen Stoff für großes Kino. Gefördert von jeder Menge Institutionen.

Zeitpunkt ist kurz vor und während der ersten Monates des ersten Weltkrieges. Deutschland hatte in China eine halbe Stadt gebaut, war auf Kolonialisierungskurs. In China ist die Mannschaft des kleinen Kreuzers Emden gerade dabei ein Fest zu feiern. Da bricht der erste Weltkrieg aus. Die Männer müssen sofort antreten.

Sie fahren los mit ihrem Schiff, der „Emden“, und erobern eine kleine Insel im Indischen Ozean, die von den Engländern besetzt ist. Ein Landungszug von 50 Männern erledigt das ohne Blutvergießen. Derweil wird ihr Kreuzer in Sichtweite vom Gegner versenkt.

Der Offizier, nach dessen Aufzeichnungen das Drehbuch entstanden ist, und der insofern die glaubwürdigste Figur schon vom Buch her abgibt, Hellmuth von Mücke, sieht in der Bucht vor der Insel einen Schoner dümpeln und befiehlt seiner Truppe, den zu requirieren und damit die Fahrt zurück an den chinesischen Standort anzutreten.

Schlecht ausgerüstet nicht nur für kriegerische Verhältnisse. Sie landen auf Sumatra. Dort erfahren sie, dass ihr chinesischer Standort inzwischen eingenommen worden ist. Also entscheidet Mücke, den Rückweg in die Heimat anzutreten. Ein Wahnsinns-Entscheid.

Das Schiff wird umdekoriert zu einem italienischen Handelsschiff und kann so ungeschoren zwischen den gegnerischen Kriegsschiffen passieren bis an die Küste Arabiens. Von hier schlagen sich die Soldaten durch die Wüste bis zur nächsten Eisenbahnstation durch.

Ein wilder Stoff also, der ein wenig die Gefahr in sich birgt, bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt für Kriegspropaganda missbraucht zu werden. Doch der erste Weltkrieg ist schon lange her. Und die Machart eher bescheiden, so dass die Propagandagefahr gleich Null ist.

Was hat nun Berengar Pfahl aus diesem Stoff gemacht? Wenn ich mir die Tonspur anhöre mit dem stets voluminösen Filmorchester, so müsste es sich um großes, ja gigantisches Kino handeln. Da wir aber in Deutschland sind, dessen Drehbuchkultur irgendwo in unbekannten Gewässern verschollen sein muss, so scheitert das ganze Unternehmen wohl schon vorm ersten Drehtag, obwohl es schöne Bilder, schöne Inseln, schönes Meer, schöne Schiffe, gute bis schöne Typen von Männern und als eine der wenigen Frauen Sibel Kekilli zu bieten hat. Denn das Drehbuch hat ungefähr all das zu Szenen transskribiert, was nicht spannend ist an so einer Abenteuergeschichte.

Zum Beispiel muss so eine Reise, wenn sie spannend werden soll, einen Rahmen haben. Die Haupt-Figuren müssen einen Bezugspunkt zu einer anderen Realität als dieser Reise haben. Das ist im Abenteuerfilm nicht anders als im Horrorfilm. Das wird am Anfang zwar von Mücke geboten, der sitzt in einem Zug, und man weiß nicht recht in China oder in Europa und er räsoniert. Als Anker zum Tragen von Kinospannung ist das wenig, dass er nur über das Vergangene nachdenkt; denn mehr erfahren wir über seine Gegenwart nicht. Falls er überhaupt als Identifikationsfigur gedacht ist.

Nicht besser ergeht es uns mit den anderen Figuren. Die hängen als reine Figurinen, die fürs Abenteuerspiel gebraucht werden, in der Luft. Es fehlt die Basis für die Spannung.

Wie Mücke von der gestürmten Insel aus die Versenkung der „Emden“ sieht und seine Truppe vor sich, da entdeckt er ganz „zufällig“ den Schoner in der Bucht dümpeln und sagt, den werde man requirieren. Schnitt: jetzt sind sie schon auf See. Das wichtigste aber, um diese Seefahrt prickelnd zu machen, das wäre nicht, irgend einen Sturm aufzubieten. Das wäre vor allem dem Zuschauer die Info zu liefern, wie gut dieser Schoner beieinander ist, wie viel und was sie an Proviant an Bord genommen haben, wie und ob er überhaupt seetüchtig sei. Und auch den Konflikt von Mücke, die Abwägungen, ist das zu riskieren oder nicht. Ein elementares Spannungscharnier. Das aber fehlt hier. Dramaturgie wie ein Knie ohne Gelenk.

So aber weiß der Zuschauer so gut wie nichts über die Gefährdung der Passagiere. Also ist es auch nicht spannend. Spannend an Geschichten sind doch die Momente der Veränderung, des Überganges vom Urlaubsparadies auf ein eventuell meeruntaugliches Schiff. Genau das erzählt uns Pfahl nicht.

Hätte Mücke seine Truppe so geführt, wie Berengar Pfahl sein Drehbuch geschrieben hat, dann wären sie nicht mal bis Batavia gekommen.

Auch ist bei der Fahrt die Fahrtrichtung des Schiffes gelegentlich etwas verwirrend. Und so geht das weiter im ganzen Film. Es wird nicht gezeigt, wie die wüsten- und kameluntaugliche Truppe sich zur Karawane formt, und dem Zuschauer damit die Schwierigkeiten, als Erwartungshaltung zu pflegen, die die Spannung ausmacht. Es heißt lediglich von Mücke, wir durchqueren die Wüste. Dann fragt ein Soldat, zu Fuß? Mücke antwortet, nein, wir reiten, auf Kamelen. Schnitt. Schon sehen wir die Karawane wie eine Karawane seit eh und je durch die Wüste schreiten. Keine besonderen Vorkommnisse.

Auch ohne Vorwarnung für den Zuschauer wird die Karawane plötzlich angegriffen. Wie aus dem Nichts. Mag ja so gewesen sein. Aber für die Filmerzählung müsste das doch als Gefahr erkennbar sein. Hier bricht eine Durcheinander-Hektik aus, die vielleicht realistisch sein mag, filmerzählerisch jedoch ist sie vollkommen unergiebig.

Die Gelenke, die Scharniere einer Geschichte sind das spannende. Bei Bresson finden die meisten Szenen quasi zwischen Tür und Angel statt. Wenn ein Gefährt auf einer Schiene ist, auf ruhiger Fahrt, so ist es erzählerisch unergiebig (bestenfalls episch schön; aber hier soll ja eine Abenteuergeschichte erzählt werden von einem wilden Haufen entschlossener und verwegener Soldaten), oder die ruhige Fahrt wird von Meistern der Erzählkunst dazu benutzt, tiefere Einblicke in die Komplexität der Charaktere oder des Filmthemas zu geben. Das passiert hier aber auch nicht.

Pfahl macht es umgekehrt. Er setzt das „Gefährt“, also das ist jetzt die Truppe, auf eine Erzählschiene, von der wir vorher nichts wissen, und über die holpern unbedarft  die Ereignisse, die Abenteuer. So kann Kino nicht funktionieren. Hier fehlt eindeutig das Know-How. Die Situationen hängen in der Luft oder sind im theoretischen Rahmen der Abenteuergeschichte zwar abgesichert, empirisch aber schlecht vorbereitet, zur Austreibung des Zuschauergenusses.

Schließlich und vollkommen unersichtlich wird viel Drehmaterial für den Tod und die Verabschiedung eines Kameraden verwendet, von dem wir vorher so gut wie nichts gesehen haben und schon gar keine Vorgeschichte. Der Tod eines Unbekannten lässt einen kalt. Auch im Kino. Zu schweigen vom dämlichen TV-Gejuchze der Truppe, wie sie der Eisenbahn in der Wüste ansichtig wird. Oder es kommt zu einem langatmigen Friedensritual mit Beduinen.

Da kann man nur sagen: schade, schade, schade, der ganze Aufwand für nichts und wieder nichts.
Verkorkstes Drehbuch. Absehbar ein weiterer, vollkommen überflüssiger Millionenförderflop.

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