Breathing Earth – Susumu Shingus Traum

Dieser Dokumentarfilm ist eine wunderschöne Träumerei, die sich direkt vom Objekt ihres Interesses, dem japanischen Künstler Susumus Shingu, hat inspirieren und anstecken lassen.

Die Träumerei ist so schön, dass man sie im Kino betrachten sollte. Es geht um den Traum von Shingu von einem autarken Modelldorf, das irgendwo auf der Welt oder gleich an mehreren Orten mit Rücksichtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten erfunden und gebaut werden sollte, das Projekt „Breathing Earth“ als ein Modell, mehr auf die Natur zu achten und als eine Botschaft an die kommenden Generationen.

Thomas Riedelsheimer, der dieses Projekt, was bis zur Beendigung der mehrjährigen Dreharbeiten noch keine Realisierung gefunden hat, dokumentarisch begleitete, macht aus dem Kinosessel direkt einen Träumerfauteuil. Als ob der Zuschauer auf einer Wiese liegt und die Wolken beobachtet oder am Seeufer den Wellengang betrachtet oder wie Pflanzensamen oder Schmetterlinge durch die Luft wirbeln. Denn der Wind ist der Atem der Erde, aber er ist unsichtbar. Er wird nur sichtbar, indem er auf Gegenstände stößt und diese bewegt.

Das macht sich der Künstler Shingu, der mit seiner Frau Yazuko ein ideales Künstler-, Liebes- und Lebenspaar abgibt, schon lange zunutze mit der Konstruktion der traumhaftesten, fantasievollsten Mobiles und Gebilde, die sich im Wind drehen, sei es in der feien Natur und dieser nachempfunden oder in moderner Architektur, zum Beispiel in Renzo Pianos japanischem Flughafen Kansai mit den abstrakten Elementen, die an der Decke hängen und durch die Klimaanlage ständig in Bewegung gehalten werden.

Der Film verfolgt das Projekt „Breathing Earth“ bei der Location-Suche in Mutera in Süd-Italien, einer wunderschönen Ruine, aber da ist das Restaurant im Dorf nicht erwünscht, man möchte keine Konkurrenz. In Schottland, dem Land, das etwa einen Viertel des Windes von Europa zu verzeichnen hat, kommt von einem Ingenieur des Wind Centre die bohrende Frage, ob Susumu denn für die Realisierung mit Fachtechnikern zusammenarbeite. Im Ruhrgebiet steht schon eine endlose Prozession an Totempfählen auf dem Grat der großen Abraumhalde, dieser Mondlandschaft, und ein Amphitheater gibt es auch schon. Vielleicht wird aus der Insel vor Istanbul, die „der Löffel“, Kusk, heißt, etwas. Auch hier hat Shingu sofort eine Idee, wie er der schönsten Ecke ein paar Windräder aufsetzen könnte.

In Paris gibt’s einen Besuch in der Galerie Bucher; da trifft Shinghu auf einen alten Bekannten, Renzo Piano, der verzückt auf die ausgestellten Mobiles und Windräder und das Modell des Dorfes „Breathing Earth“ reagiert und es für eine Weihnachtskrippe hält.

Dieses „Faktische“ präsentiert Riedelsheimer nie dozierend oder absolut, sondern immer so, dass er gleich selbst sich verführen lässt von Windspielen auf einem Teich, vom Flug eines behaarten Samens, vom Rauschen des Windes in Bambusrohren oder im Blätterwald und natürlich immer wieder von fantastischen Ausstellungsstücken von Shingu, immer mit passender Vertonung dazu. Dass er mit unterschiedlichem Filmmaterial und Kameras gedreht hat, diese Unterschiede aber sehr gut angeglichen hat, ohne sie zu verleugnen, verleiht dem Film ein weiteres Element von Leichtigkeit und Lebendigkeit.

Shingu sei der Leonardo da Vinci unserer Zeit, meint ein Italiener. Shingu spricht übrigens sehr gut Italienisch. Er selbst sieht sich als ein Kind von 7 mal zehn Jahren. Man dürfe den Kinderblick, diese Offenheit, nie verlieren, sich nie mit den Gegebenheiten abfinden.

Am liebsten, gesteht Shingu, würde er am Meer leben und arbeiten und nichts mehr verkaufen müssen. Und Fisch essen, fügt lachend seine Gefährtin hinzu.

Ein mitreißender Film von großer Leichtigkeit zum Abheben und Träumen.

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