Der Titel, der lediglich aus der Zahl 3, einmal als Ziffer und einmal als spanisches Zahlwort, besteht, will darauf hinweisen, dass es sich um ein Portrait, den Begriff müsste man aber noch etwas genauer untersuchen, eine Improvisation vielleicht, von drei Personen einer Familie handelt. So da sind der Vater Rodolfo, ein Zahnarzt, der sich von Frau und Tochter getrennt hat, aber trotzdem bei denen ein und aus geht und vor allem für Reparaturen in der Wohnung zuständig ist. Er selbst ist ein Pflanzenliebhaber, hat viel Grün auf seinem Balkon. Seine Frau Graciela ist – und da dürfte es sich sicher um eine filmische Rarität handeln – Stenographin beim Parlament. Ich kann mich an keinen Film erinnern, wo eine Parlaments-Debatten-Stenographin eine von drei Hauptrollen gespielt hat. Wobei dieser Beruf im Film vollkommen nebensächlich ist, es gibt gerade mal zwei Szenen von ihrer Arbeit. Die Tochter Ana wohnt bei der Mutter. Sie geht aufs Lyceo, also aufs Gymnasium, ist schon erwachsen und herzlich wenig an der Schule, mehr aber an ihrem Freund interessiert, dem sie es auch gerne mal mit der Hand besorgt. Dann ist noch die über 80 jährige Tante Bebe, die im Krankenhaus liegt. Dort trifft Graciela auf Dustin, der auch einen schwerkranken Verwandten regelmäßig besucht.
Wenn nun Pablo Stoll Ward das Drehbuch von Gonzalo Delgado Galiana einigermaßen korrekt und genau verfilmt hat, glaubwürdig hat er das auf jeden Fall getan. Die Figuren spielen alle ganz prima. Wenn also vom Film her auf das Drehbuch geschlossen werden könnte, so müssten darin Beschreibungen von der Art lauter beiläufiger, alltäglicher Tätigkeiten stehen: dass die Figuren aufstehen, dass sie auf dem Weg zur Schule sind, dass der Zahnarzt sich um seine Pflanzen kümmert und eine Zigarette aus einer hohen Hochhaus-Etage auf die Straße runter wirft, dass Graciela im Parlament Diskussionen und Reden mitstenographiert, dass Ana in der Schule gerügt wird wegen Unpünktlichkeit, dass Ana mit ihrem Freund, angezogen im Bett liegt und ihm einen runterholt, während er mit andachtsvollem Gesicht daliegt. Aber auch merkwürdige Dinge wären zu lesen: wie ein Pharmazie-Vertreter Rodolfo in der Praxis Mundhygiene-Artikel anzudrehen versucht. Rodolfo erlaubt sich, um ihn loszuwerden folgenden Trick: er geht an den wartenden Patienten vorbei in den Vorraum, schraubt die Sicherung für den Strom raus, es wird dunkel, Anlass den Pharmavertreter schnellsten zu verabschieden.
Szenen in der Klinik sind eingefügt, wie viele Verwandte warten, wie der Arzt sie in eine Kapelle mitnimmt und ihnen dort Bescheid über den Zustand der Patienten gibt. Tante Bebe ist stabil. Wie Graciela wartet. Wie sie Dustin sieht. Andere Szene: wie Rodolfo in einem Geschäft Wasserhähne mustert. Andere Szene, wie er in der Wohnung seiner Frau unter der Spüle liegt und repariert. Oder wie er den bröckelnden Putz untersucht und mit ihm spielt, bis er runter kommt. Dann muss er Maler engagiert haben. Seine Frau und Tochter wissen von nichts. Die ganze Wohnung und alle Möbel sind mit Plastikfolie überdeckt. Ana hockt sich auf eine solchermaßen zugedeckte Couch. Hört Musik. Studiert die Beine des Malers, die unter kurzen roten Shorts hervorlugen und die die Kamera wie eine Frontsäule in die vordere Bildmitte gerückt hat. Später liegen Ana und der Maler auch im Bett.
Einen kleinen Spannungserzeuger hat der Autor eingebaut. Die Schule will demnächst für ein paar Tage nach Bariloche fahren. Dort hofft Ana mit ihrem Freund zur Sache zu kommen. Denn mehr als den Handbetrieb hat sie sich bisher nicht gestattet. Für die Reise ist auch Geld nötig. Einmal ist Ana in der Praxis des Vaters. Sie richtet von der Mutter aus, ob er seine Wäsche nicht zum Waschen bringen wolle. Will er nicht. Dazu gibt’s eine Szene, wie er mit der Waschmaschine zugange ist.
Ana entdeckt, wieder andere Szene, in diesem Zimmer das Portemonnaie von Rodolfo. Sie entnimmt zwei Scheine. Bald darauf untersucht er das Portemonnaie, stellt das Fehlen der Scheine fest und ruft ihr, die sich in einem anderen Zimmer befindet zu, ob sie Geld brauche. Sie verneint. Er lächelt und schließt die Geldbörse wieder. Auch das Rumpeln der Waschmaschine ist ein bemerkenswertes und bemerkenswert in den Film eingebautes Geräusch. Eine andere Szenenanweisung könnte gelautet haben: Ana geht lustlos und mit leichtem Widerstand in Körper und in Gangart die Schultreppe hinauf, Kamera steht unten an der Treppe. Es gibt einen Discoabend der Schüler, wo sie sich besaufen wollen, der Freund kotzt im Bett, statt dass er Liebe machen kann. Der Hit in der Disco lautet: „Es gibt kein Erbarmen, dafür war nie Zeit“. Dann gibt es eine Szene am Grab der verstorbenen Tante Mabel. Die Familie bedeckt die Erde mit Rasenziegeln. Der Sport spielt immer wieder eine Rolle. Rodolfo ist Fussballfan. Ana soll Handball spielen. Hat aber nicht immer Lust dazu.
So könnte das ewig weiter gehen. Nie hat man den Eindruck, die Schauspieler seien jetzt zusammengekommen, um diese und jene Szene zu spielen, um diesen oder jenen Dialog abzuliefern. Immer entsteht der Eindruck, es seien die Szenen zwischen den Szenen, die hier zu einem Familienportrait aneinandergefügt werden. Allerdings entsteht auch der Eindruck, es könnte noch ewig so weiter gehen. Da das Ganze aber mit viel Charme und trockener Selbstverständlichkeit zubereitet ist, kann man nicht so schnell böse und ungeduldig werden.
Und dann, wenn man doch allmählich schier verzweifeln will an der Endlosigkeit, es wurden gerade noch Szenenanweisungen durchgeführt wie: der Zahnarzt zieht die Rollläden hoch, er pflegt seine Pflanzen; die einzelnen Figuren bewegen sich in der Wohnung. Und plötzlich sind die drei, die titelgebenden Drei, vor dem Fernseher, stehen in einer Reihe und machen ganz offensichtlich die nicht hör- und sehbaren Gymnastikübungen einer Fernsehsendung nach. Das verselbständig sich zu einer lässig mehr aus dem Körper geschüttelten als getanzten Choreographie, zu einer kleinen, familiären Tanzshow. Sie essen gemeinsam Frühstück. Im Fernsehen ist im Hintergrund ein Brand zu sehen. Dann liegen alle drei angezogen auf einem Bett. Nebeneinander ohne jeden Körperkontakt. Jeder für sich. Der Brand und die Explosion wie eine Vulkanexplosion am Fernsehschirm wird plötzlich leinwandgroß eingeblendet und die drei, die schlafen gerade ein, machen die Augen zu. Damit macht der Film den Vorhang zu.