Die Wand

Was präsentiert uns hier der Österreicher Julian Pölsler mit der Verfilmung des Welterfolges „Die Wand“ von Marlen Haushofer? Ein hingebungs- und andachtsvoll hingepinseltes Alpengemälde mit einer Frau, die auf einer Jagdhütte eine zweijährige Robinsonade mit einer Kuh, einem Hund und einer Katze verbringt und mit einem knalligen Fremdkörper mittendrin: einer pantomimisch angedeuteten unsichtbaren Wand oder Glaswand, einer durchsichtigen Wand, die aber auch, ich meine mich zumindest an eine Stelle zu erinnern, eine akustische Wand ist von einer Undurchdringlichkeit, von der so manches Tonstudio sicher davon träumen dürfte.

Martina Gedeck ist es, die in diese Isolations- und gleichzeitig Alptraumwelt hineingerät, in die Idylle mit Tieren und Jagd, mit Kalbsgeburt und einer weißen Krähe und die selbst als Autorin an einem langen Text schreibt.

Es ist eine Alpenwelt, die vor allem dazu dient, den gesprochenen Text, der weitgehend dem Original von Marlen Haushofer entnommen sein dürfte, zu illustrieren.

Wobei das mit der Isolation der Autorin so eine Sache ist. Mit dem Solipsismus, der hier durchschimmert. Ob der in der Absicht des Romans liegt? Es scheint sich um den Versuch der Schilderung einer Grenzerfahrung zu handeln. Dieser fährt stellenweise auf dem Gleis eines sensiblen Horrorfilmes, im Hintergrund die Frage, wo fängt der Mensch an, wo hört er auf.

Wie „die Frau“, so heißt diese Haupt- und fast einzige Figur im Film, sich ihrer Isolation gewahr wird, handelt sie bewunderungswürdig vernünftig, als ob sie das Drehbuch zu ihrer Robinsonade kenne. Es gibt ausgiebige Schilderungen der Witterung, der Jahreszeit, sowohl im Text als auch in den Bildern.

Ein etwas gehobenerer Bauernkalender. Ein blattloser Baum, auf dem an den Ästen Frauenkleider hängen, ist dabei ein Fremdkörper wie die imaginierte oder auch richtige oder pantomimisch dargestellte unsichtbare Wand.

Vor einiger Zeit habe ich schon den Trailer gesehen, wie Martina Gedeck auf einer Alpenstraße diese Glaswand pantomimisch darzustellen versucht (ein Grundübung in der Pantomimenschule). Manchmal heißt es, der erste spontane Eindruck wird der bestimmende bleiben. Der von dieser Trailerszene war nicht gut.

Während dem Screening allerdings hat mich die von den Filmemachern erzeugte Atmosphäre erstmal restlos umfangen und beeindruckt. Wobei schon da einige Fragen aufgetaucht sind. Mit dem Verlassen des Kinosaales fingen die Zweifel an zu wachsen. Was will uns Pölsler mit diesem Film erzählen? Will er mehr erzählen, als dass ihn das Buch von Marlen Haushofer tief beeindruckt hat, denn das tut er auf jeden Fall und mit großer Sorgfalt. Aber kann er mir auch einen Eindruck von der Substanz des Buches vermitteln? Hm? Ehrlich gesagt, nach dem Schauen des Filmes und mit dem Anfangen des Darübernachdenkens wird mir zusehends unklar, worum es im Buch geht. Ist die Frau doch nur eine Psychopathin, die mit Tieren besser kann als mit Menschen, mit dem ständigen kleinen Zucken um den Mund, als ob sie ständig Selbstgespräche führe? Ein Mensch, der sich mittels wahnwitzigster Einbildungen von den anderen Menschen abschirmt, fernhält? Oder soll es ein verbindliches Bild für die Einsamkeit eines jeden Autoren sein; menschliche Einsamkeit angereichert mit Tieren, mit einer verwahrlosten Katz, (mit verschiedenen Darstellerinnen), die „Perle“ genannt wird?

Der Wortlaut des Textes definiert, dass der Mensch es sei, der Recht und Unrecht und auch Gnade kennt. Im Umgang mit Tieren auf einer Alp? Es gibt viele schöne Beschreibungen im Wortlaut, über Wetterlagen, über Tiere, über Ängste, die Abscheu vorm Töten, das Jagen, das gefährlich helle Schneelicht, über den Umzug auf die Alp, über das alte und das neue Ich, darüber, dass die Alp besänftige – das ist sicher schwer im Bild zu zeigen, wenn es nicht kitschig werden soll wie hier, wie die Darstellerin ins Tal schaut, keine Glaswand weit und breit nicht, die Freiheit der Alp, wie Sennen sie besingen mögen.

Nach Menschen jedenfalls scheint diese Frau keine Sehnsucht zu haben. Obwohl sie räsoniert, dass das Vernünftigste die Liebe sei. Dann ein Bild, wie die Frau gegen den Horizont steht und der tote Hund, den sie Luchs nennt und wie sie mit ihrem offenen Haar und dem inzwischen eingewohnten Berglerschritt, aussieht wie ein Waldschrat, ein ländliche Faschingsfigur. Archaik?

Fazit: eine Literaturverfilmung, die möglicherweise dem, der das Buch kennt, zumindest durch den Wortlaut und wenn er/sie gelegentlich die Augen schließt, den als gesprochenen zu Gemüte zu führen vermag; dem aber, der das Buch nicht kennt, überhaupt nicht klar zu machen versteht, worin nun die Qualitäten diese Buches liegen mögen – und leider: die Verfilmung reizt nicht mal dazu, zum Buch zu greifen. Vielleicht eine liebevolle Hommage an ein Buch, das vor allem die Grenzen des Machers aufzeigt – er muss ja dem Buch nicht gewachsen sein.

Aus der Distanz besehen: eine intensive leere Hülse von Kino.

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