Alexander Kluge und Basil Gelpke, die Macher dieses Filmes, servieren uns wie ein erstklassiger Caterer bei einem hochfeinen Empfang auserlesene Häppchen zum Thema Mensch und künstliche Intelligenz. Als Dekor gibt’s zwischen den Häppchen geschmackvolle Bildimpressionen aus dem Forschungs- und Themenbereich, gekonnt garniert zu ebenso dezent-gediegener Barmusik, je nachdem elektronisch, Jazz, Klavier, wo dem Kulturmensch sein Gusto hinreicht.
So wird der Film denn eher zur bunten, unterhaltsam-lehrreichen Informationsveranstaltung, denn zur grüblerischen theologisch-philosophischen Nachfrage, wie weit der Mensch gehen kann und darf, wo die Ethik anfängt und wo sie aufhört. Diese Fragen werden zwar auch in Häppchen serviert mehr als zwingendes Resultat von sorgfältigem Sammlerfleiß denn als Beitrag zu einer weiterführenden Diskussion.
Denn Wissenschaft und Forschung finden durchaus ehrenhafte Begründungen für ihr Tun: Hilfe bei der Reha oder Lahmen wieder Bewegung zu ermöglichen – sich hier nicht allzu weit von christlichen Wunderwelten entfernt bewegend.
Ein Thema wird allerdings radikal ausgeblendet, die Verwendung dieser Produkte und Techniken für den militärischen Einsatz, zum Beispiel Drohnen. Der Rüstungsindustrie möchte man nicht unbedingt weh tun.
Fündig geworden sind unsere Sammler Kluge und Gelpke vor allem in den USA, in Japan, in England, aber auch in Frankreich, der Schweiz und auch in Deutschland. Kursorisch kann dieser Gang durch die Erforschung und Entwicklung künstlicher Intelligenz nachgezeichnet werden: als kulturgeschichtliche Anknüpfungspunkte für ihre Wissenschaftsconfiserie führen die Macher zuerst das I Ging, Leibniz, Joyce und Beuys an, dann Goethe und Schiller, dazu wird Herr Schirrmacher um eine Stellungsnahme und eine Verwunderung gebeten, der einen Vergleich zu google-Earth bringt. Auch Hans Magnus Enzensberger bekommt einen Auftritt in dieser auseinanderdividierten, intelligenten Talkrunde.
Dann geht’s nach Japan zu Hiroshi Ishigaro, diesen und seinen Roboter-Doppelgänger kennen wir schon aus einem anderen Film. Der Forscher arbeitet jetzt daran, einen Telefonroboter zu entwickeln, ein Roboter, in dem Mensch und Maschine verschmelzen sollen.
Unser Tour d‘ horizon bei dieser sonntagsmatineetauglichen Veranstaltung wird jetzt mit dem Zwischentitel „das zänkische Gehirn“ mit der Info angereichert, dass das Gehirn das komplizierteste menschliche Organ sei, die Eigentätigkeit von einigen Milliarden von Synpasen. Hans Magnus Enzensberger meint, 5 Sinne seien nicht genug, man denke an Temperatursinn, Zeitsinn, den rebellischen Sinn. Anselm Kiefer äußert sich daraufhin zum galaktischen Jahr, das seien 250 Millionen Jahre, in denen unser Sonnensystem einmal um das Zentrum der Milchstraße rotiere; er spricht auch über die kosmische Zeit, die Pflanzenzeit, das seien Parallelwelten; überhaupt sei die Zeit etwas Dehnbares.
Next Stop Japan: Takashi Minato entwickelt einen Roboter, der reagiert, einen Kommunikationsroboter, den CB2. Weiter geht’s in die Schweiz, hier arbeitet Aude Billard an einem humanoiden Roboter, der vor allem durch große Bewegungsfreiheit und Lernfähigkeit punkten soll. Prof. Rolf Pfeifer, ein Erforscher künstlicher Intelligenz, meint, Intelligenz sei über den ganzen Körper verteilt, sensomotorische und Informationsprozesse sind gekoppelt, das Gehirn ist in den physikalischen Organismus eingebettet. Und Rodney Douglas meint, selbst der größte Supercomputer habe bis jetzt nicht eine einzige kreative Idee gehabt.
Zurück nach Japan. In Kyoto stellt uns Angelica Lim einen Roboter vor, der sowohl mehreren Personen gleichzeitig zuhören als auch in Reaktion auf einen Mitspieler metallische Musik spielen kann. Yuzo Takahashi ist der Überzeugung, dass unser Körper ein Meisterwerk sei, dass aber Trainingsroboter für Medizinstudenten einen gute Dienst leisten.
Es folgt ein kleiner Show-Act: ein Soldat in Weltkriegsuniform rettet 25 rohe Eier durch Kanonendonner, Kugelhagel und über ein Minenfeld. Das Beuys-Zitat „ich denke mit dem Knie“ nimmt der Hirnforscher Detlef B. Linke zum Nachdenken darüber, das Nervenzellen im Gehirn zum Beispiel durch Nervenzellen vom Knie ersetzt werden können – oder gar durch eine Benzintankmembran. Er trägt das in einem eintönigen Singsang vor, so dass nie klar ist, ob er das jetzt im Scherz erzählt oder ob es ihm ernst ist.
Weiter geht’s in die USA, hier treffen wir auf den Kybernetik-Forscher Kevin Warwick, er hat einen Selbstversuch mit einem kleinen Chip-Implantat gemacht (das war 2002) und hofft dadurch den fundamentalen Mechanismus des menschlichen Hirns besser verstehen und damit auch ein Mittel gegen Alzheimer entwickeln zu können. Er sieht aber auch die Gefahr, das müsste Science-Fiction-Autoren anturnen, dass die intelligenten Robotiksysteme eines Tages die Menschen überflügeln würden und der Mensch zur Subspezies wird.
Es folgt ein künstlerisches Intermezzo mit dem Iron Man aus Salt Lake City. Anschließend äußert sich der Autor Manfred Osten zum Thema der künstlichen Zeugung, er erwähnt den Homunculus, den postfaustischen neuen Menschentypen; dem setzt er Anaxagoras mit seinem antiquierten Bild, das den Menschen zum König der Pygmäen krönen wolle, entgegen. Und gleich noch eine semi-künstlerische Einlage: die Show vom Roboter Kismet, der Kopf, Hals und viele Gefühlskategorien aufweist.
Bevor jetzt Brian Cox, Marsforscher von der NASA dran ist, wird der gute alte Leibniz bemüht, seine Monaden, die kleinsten Teile, die mechanistisch seien (der Lehre, in der raffinierterweise eh schon alles enthalten ist per definitionem!).
In Lausanne führt uns jetzt José del R. Millàn einen intelligenten Rollstuhl vor, der auf gedankliche Befehle reagieren kann, aber der Befehlsgeber muss sich schon sehr konzentrieren dabei, das meint Miguel Gubler, der Proband.
Wieder über den großen Teich nach Santa Cruz. Hier entwickelt Jacob Rosen Hilfen für Schlaganfallpatienten. Er geht von der Plastizität des Gehirns und dessen Lernfähigkeit aus, Lernen über die Symmetrie der Bewegungen (wobei erhöhtes Bewegungstempo erhöhtes Lerntempo zur Folge hat). John Foglein arbeitet derweil am Exoskelett, das Lahme wieder gehen lässt.
Dazwischen ein weiterer Show-Act: Stelarc aus Australien ist ein Performance Artist, der sich einen elektronischen Dritten Arm verpassen lässt, er nennt seine Performance „posthumane Kunst“.
In Bristol, Vermount, möchte Bruce Duncan das Bewusstsein des Menschen in einen Roboter transferieren. Bina 48 heißt sein Model, sie ist nur ein Kopf, sie ist eine digitale Version von Bina Rothblatt. Ziel von Duncan: er möchte dem Menschen Hindernisse aus dem Weg räumen (und im Hinterkopf das ewige Leben?). Genau, in Boston arbeitet Ray Kurzweil, der 62 ist, wie 70 aussieht und behauptet, organisch sei er wie 40, an der künstlichen Lebensverlängerung. Es folgen einige Beispiele für hyperaktive Greise, der 96jährige Ellsworth Warenham, der vor einem Jahr pensioniert wurde oder ein Greis beim Marathon.
Dagegen wird die Meinung von Aubrey de Grey, einem Altersforscher gesetzt, der meint, gegen das Altern seien wir machtlos; und Gerald Edelmann, der einen Nobelpreis für Medizin erhalten hat, findet es auch keine gute Idee, das Leben immer mehr verlängern zu wollen. So versucht denn stattdessen Takashi Ikegami in Tokyo, ein Informatiker, einen Organismus zu entwickeln, der sich selbst erhalten kann. Er beginnt vorsichtig, erst bei Einzellern.
Zum Ausklang serviert uns Kluge noch das Rätsel des Labyrinths, er unterhält sich mit dem Philosophen Michel Serres darüber; und der meint, wenn man das Labyrinth von oben betrachte, dann sei es ja gar keines mehr, dann sei die Lösung leicht zu finden, dann brauche man den Faden der Ariadne gar nicht – und Europa sei das bestmögliche Labyrinth heute – eine labyrinthische Aussage zu Zeiten der Währungskrise. (KLUGE: Katakombe?).
Forscher und Tüftler, Kuriose allerorten – und hin und wieder fällt für die Menschheit etwas Nützliches ab – eine äußerst anregende wie wohl auch unterhaltsame Sammlung und Zusammenstellung von pointiert ausgewählt Wissenswertem zum Thema künstliche Intelligenz, künstlicher Mensch.
Alexander Kluge und Basil Gelpke, die Macher dieses Filmes, servieren uns wie ein erstklassiger Caterer bei einem hochfeinen Empfang auserlesene Häppchen zum Thema Mensch und künstliche Intelligenz. Als Dekor gibt’s...