Lady Vegas

In der Gastronomie gibt es einen Trend, ältere Traditionen und Gerichte wieder aufleben zu lassen, Omas Küche. Das sind oft exzellente Gerichte, die aus Gründen des technischen und gesellschaftlichen „Fortschrittes“ fast vergessen worden sind. So kommt mir dieser Film vor, wie nach Omas Kino. Ein Kino, was vor Kinoingredienzien bebt, wie sie vielleicht New Hollywood mal kannte. Eine Frische, eine Lust am Kinoschauspielern. Die Geschichte scheint mehr ein Vorwand um die Mimen hier, allen voran Rebecca Hall als Beth Reymer ein urständiges Leinwandleben produzieren zu lassen; mit einer merkwürdig gekünstelten, supergekünstelten Naürlichkeit. Wie denn alle Schauspieler ständig so spielen, als wollten sie im Untertext doch bittschön zu verstehen geben, you know, we know!

Die Geschichte muss man vielleicht von der Hauptfigur her aufdröseln. Was will Beth? Was will sie im Leben? Was will sie von Männern? Zuerst wird gezeigt, wie sie als Tänzerin Hausbesuche bei meist älteren Herren macht. Das ist in Tallahassee. Mit Tallahassee, da war doch mal was. Bushs Wahlbetrug. Verständlich, dass Tallahassee und das Leben daselbst Beth anödet. Sie träumt von Las Vegas. Dort als Kellnerin zu arbeiten. Doch wer aus Tallahassee kommt, den straft das Leben. Nicht ganz.

Erst ist Beth in Las Vegas erfolgreich als Mitarbeiterin im Wettbüro von Dink. Bruce Willis spielt den so, als bringe er die gute Laune aus der Schauspielergarderobe voll ans Set mit und wisse sowieso, wie der Karren läuft, sowohl im Schauspielermetier als dito in dem Metier seiner Rolle. Das hat durchaus was Cooles, was recht Ungekünsteltes. Zu ihm und seinen beiden Mitarbeitern am Telefon passt Beth also wunderbar. Sie ist immer als Frau vorhanden, sozusagen immer gepiesackt durch die Anwesenheit von Männern, denn für die sind Frauen ja geschaffen.

Allerdings taucht plötzlich die zur herrlich gelifteten Dame stilisierte Catherine Zeta-Jones als Gattin von Dink auf. Da muss das Flittchen den kürzeren ziehen. Das nutzt Stephen Frears, der Regisseur, um sie nach New York fliegen zu lassen. Ohne Skyline oder die üblichen New York Symbole bereitet er uns einen köstlichen Unterschiedsschock, vielleicht ein klitzekleines Schöcklein nur, wie verschieden doch diese Welt ist. Zum Glück gibt’s hier auch Männer. Und nicht nur solche, die im hier illegalen Wettgeschäft tätig sind. Dort jedoch steigt sie ein, lernt aber auch den netten Journalisten Jeremey kennen. Da könnte vielleicht mehr draus werden.

Frears inszeniert den Film als fröhliches Genre, überhaupt nicht als angestrengtes Biopic, das einen Wahrhaftigkeitsanspruch anmeldet. Wahrhaftig für ihn ist das Kino, die Figurzeichnung. Sicher kommt über das Buch von Beth Reymer, die hier die Hauptrolle ist, ein biographisch wahrhaftiger Kern dazu. Aber Frears verpackt es als heillos schön, altmodisches Kino, was heißt hier altmodisch, ein Kino was sich in Liebe den Figuren und deren Verhältnis zueinander, aber auch deren kinogerechten Zeichnung hingibt, ohne Wenn und Aber, ohne biophiliströses Kleinklein.

Das Schicksal hat Beth in der Gegend rumgewirbelt, von Ohio nach Florida, dann Vegas, New York, in die Karibik (?).
So ganz nebenbei gibts Gelegenheit für kleine, für den Zuschauer informative Gespräche, zum Beispiel zwischen Beth und ihrem Vater, dass beider Eltern keine Ahnung hatten, wer sie seien.

Andererseits scheint Frears einen Mordsspaß an der oft aufgesetzt-kindisch-naiven amerikanischen Art zu haben, diese Aufgedrehtheiten, hier besonders wenn die Sportwettkämpfe um die gewettet wurde, auf den Bildschirmen laufen.

Beht: die Frau als ein Luxusgut für Männer. Die Frau als Frau.
Ein köstlicher Satz von ihr: Alkohol erlaube ihr, artikulierter über ihre Gefühle zu sprechen.
In einem Karibik-Hotel liest sie Lolita. Nun, eine Lolita ist sie nun nicht unbedingt.
Köstlich der von Dink initiierte Besuch von Beth bei seiner frisch gelifteten und darum fast total-gesichtsbandagierten Gattin. Do not fuck my husband.

Als Musik setzt Frears gerne diese recht bekannten Lakonie-Streich-Zupf-oder Pianoakkorde drunter.
Wetten auf alles, was sich bewegt.
(ist doch sicher besser als Schießen darauf)
Die expressive Darstellungsart.

Ein kleiner Scherz muss sein, am Telefon: I call you back in 5 Minutes. Und sie brüllt trotzig, auch so eine schöne Reaktion, entgegen: in 4!
Immer wieder kleine Zwiegespräche, über Gefühle und mit Gefühlen, aber ohne Beichtfeierlichkeit.
Beth hat einen merkwürdigen Charme, wie ein anschmiegsames Sofa.
Das macht vielleicht den stärksten Reiz aus an diesem Film, dass er von Frears bewusst und dezidiert und mit einer großer Lust an seinem Tun resp. an den Zutaten, den Film anrichtet.