Hasta la Vista – Pflücke Dein Leben!

Sicher keiner der Filme, von denen man sagen würde: nach einer wahren Begebenheit. Die Idee von Asta Philpot, die von Pierre de Clercq nach der Geschichte von Mariano Vanhoof zum Drehbuch ausgearbeitet worden ist: wir möchten auf vergnügliche Art zeigen, dass auch Behinderte ein Recht auf Sex haben, sich das Recht auf Sex nehmen dürfen und nebenbei sie ausrufen zu lassen „fickt die Ärzte, fickt Ryanair“ (wobei mir der letztere Teil nicht plausibel wurde).

Das ganze in Form eines eher grob gestrickten, in der Grobmaschigkeit aber durchaus schön aufbauend gearbeiteten Roadmovies präsentiert. Die Grobgeschnitztheit von Figuren und Dialogen wird besonders augenfällig, wenn man an ein ähnliches Roadmovie aus Deutschland denkt, „Vincent will Meer“, was hier ein großer Erfolg war und bei dem sich auch drei Behinderte auf den Weg zum Glück aufmachten.

In diesem belgischen Kinostück sind die Behinderungen simpler: lahm, Tumor und blind (bei Vincent und Meer gabs immerhin ein Tourette-Syndrom, einen Stotterer). Das Thema ist offensichtlich: Behinderung und das Recht auf Sex.

Die Eltern sind verständig (wenn auch als Figuren wenig differenziert gearbeitet und recht willkürlich zusammengecastet): die Mutter bringt den lahmen Philipp zu Bett und fragt, ob sie seine Hand nach unten legen soll und ob das genüge, oder ob sie helfen soll. Seine Kumpels sind der blinde Jozef, der als einziger Claude nicht nur als Betreuerin sondern auch als Frau wahrnehmen wird und der blondlockige, breitlippige Lars, der wegen eines Tumors an den Rollstuhl gefesselt ist und dem die Ärzte in ihren Prognosen keine langes Leben mehr geben. So ist er es denn, der den schon im Scheitern begriffenen Plan durchboxt, jetzt erst recht.

Der Plan der drei gut umsorgten und behüteten Behinderten ist der, mit einem betreuenden Sozialarbeiter eine Fahrt nach Spanien zu untaernehmen, um dort das im Internet gefundene Bordell El Cielo aufzusuchen, denn Sex sei gut gegen Krebs.

Selbstverständlich sind die Eltern nicht erbaut von den Plänen, wobei sie über den Zweck der Reise gar nicht informiert werden und statt des vertrauenerweckenden Pflegers Theo, der sich erst vorgestellt hat, taucht schließlich dieser Berg von Frau auf, Claude, eine sehr robuste Darstellerin, wenn sie sich denn auf ein Adjektiv verkürzen lassen sollte. Dazu passt ihre Bio, dass sie im Knast war, weil sie ihrem Mann, nachdem sie ihn auf einer anderen Frau liegend überrascht hatte, eine Insulinspritze in den Arsch gegeben habe, die leider nicht tödlich war.

Das haben die Macher des Filmes alles schön step by step eingefädelt, vorgestellt, ohne sich um psychologische Nuancen zu kümmern und auf dieselbe Art schicken sie die Vier auf die Reise von Belgien nach Spanien über Paris.

Die ganze Story und Inszenierung und auch die Typenauswahl hält sich strikt an die enge Themenbegrenzung ‚Behinderung und Sex‘, verzichtet auf weitere, verkomplizierende psychologische Verfeinerungen und Dimensionen, bleibt im Bereich der Gürtellinie gewissermassen eindimensional.

Die Freiheit, die sich dieser Film nimmt, beschränkt sich auf die Freiheit im Rahmen der engen Themenvorgabe. Das Hotel Mercure wird einmal groß gezeigt, bekommt hier einen negativen Beiklang, denn in demselben wird ein Verrat offenbar.

Eine mir nicht ganz ersichtliche Anspielung ist die Frage „where ist my hat“ an Lars durch eine schöne Spanierin, die ihn im aufgesetzt hat und er antwortet „lost … lost in translation“ – Bei allen Überraschungen, die in so ein Raodmovie schon dem Genre zuliebe eingebaut werden müssen, wirken sie hier doch durchs Band nicht sonderlich überraschend, es gibt aber einige gut präsentierte Pointen, die ich allerdings schon wieder vergessen habe beim Verlassen des Kinos.

Babycall

Auf nüchternen Magen ist der Film nicht unbedingt zu empfehlen, nein, nicht weil es darin besonders blutig und brutal zu und her ginge, überhaupt nicht, der Aufwand für Kunstblut hält sich sogar in Grenzen und dürfte sich auf ein kleines Döschen beschränkt haben. Andererseits ist der Film gewiss auch für Dumpfbacken, für die es nur eine Realität gibt (vermutlich die des TV) auch nicht zu empfehlen.

Wer von diesem Film des Norwegers Pal Sletaune etwas haben möchte, der darf nicht völlig immun sein gegen die Frage, was denn unsere Realität sei, ob das beispielsweise die Summe der Bilder sei, die wir uns von uns und von der Welt machen. Wer von diesem Film was haben möchte, der sollte vielleicht ein Gespür für eine Grenzerfahrung haben, einer Grenzerfahrung, die durch Bilder erzeugt wird, und einem das Gefühl gibt, dass der Boden unter den Füssen wegsackt. Wer dann auch noch ein Feeling dafür hat, wie Kino mit Bildern Realität fingieren kann, der dürfte den höchsten Genuss an diesem wundersam-spröden Streifen finden.

Bildrealiter kommen wenige Figuren und einige ausgewählte Räumlichkeiten in diesem Film vor. Noomi Rapace spielt Anna. Sie hat einen 8 – 10jährigen Buben, Anders. In ihrer neuen Wohnung kriegt sie gleich Besuch von Grete und Ole vom Jugendamt. Später lernt sie Helge kennen, der ist Verkäufer. Helge hat eine sterbenskranke Mutter. In der Schule, in die Anders gehen soll, sind Lehrer und Schüler. Ein Bub wird zum Schulfreund von Anders. Im Haus, in das Anna gleich zu Beginn einzieht, gibt es noch Nachbarn. Und ein paar weitere, kleinere Rollen.

Das Haus, in das Anna einzieht, ist eines dieser anonymen Vorstadthochhäuser, mit unangenehm langen Korridoren. Anna zieht im 7. Stock ein. Die Wohnung ist verwirrend groß mit mehreren Zimmern und einem Zwischenflur. Die Fenster sind Kippfenster, die nichts Gutes ahnen lassen, sie sind seitlich auf mittlere Höhe befestigt und man schiebt sie einfach von unten heraus. Ideal um Überflüssiges, Lästiges zu entsorgen.

Es wird schnell klar, warum Anna in dieses Hochhaus zieht. Denn sie fühlt sich vom Vater ihres Buben verfolgt. Die Beamten vom Jugendamt versichern ihr gleich zu Beginn, dass sie hier keine Angst haben brauche, denn es sei alles sehr anonym und der Vater könne nicht erfahren, dass sie hier wohne und der Bub hier zur Schule gehe.

Die Ausgangssituation ist also alles andere als beruhigend. Sie ist hochriskant. Wer so etwas sieht und bei solchen Gefahren gefährdet ist, der sollte diesen Film meiden. Diese verängstigte Frau, wie sie allein die Wohnung checkt, wie sie gleich alle Vorhänge zieht, wie sie um ihren Buben Angst hat und den dann doch bei sich schlafen lässt. Jedenfalls ist diese furchtbar alltäglich-anonyme Umgebung nicht gerade Vertrauen erweckend, und das desto weniger, je mehr sie ihren Buben nicht aus den Augen lassen möchte. Wie sie vor der Schule sitzen bleibt während des Unterrichtes, bis sie, auch das kann einen schütteln, wie die Szene aus riesiger Distanz zu diesem kahlen Schulhof aufgenommen wird, von einer Lehrkraft wegkomplimentiert wird. Ihr Angst ist so groß, dass sie in einem Warenhaus ein Babyphon ersteht. Der Verkäufer ist Helge. Sie wird schon bald wieder in dem Laden auftauchen, weil sie über das Babyphon beängstigende Geräusche und böse Stimmen gehört hat. Und sich nicht ganz sicher ist, ob das Einbildung war. Helge beruhigt sie, sie müsse nur auf einen anderen Kanal wechseln. Gut, wenn das geholfen hätte, dann hätte man den Film auch gleich beenden können.

Die Handlung im Film ist sehr wenig, Anna zieht in die neue Umgebung, nein, das wird völlig banal, hier irgendwas vom Narrativen nachplappern zu wollen, das ist nicht zielführend bei diesem Film, der ein echter, harte Psychohorrorfilm ist, in seiner Banalität der Bilder; die Haupthandlung in diesem Film ist, genau das ist es, die Herstellung einer fiktiven Realität, die uns nicht ganz begreifbar wird, die in uns Zweifel an unseren herkömmlichen Methoden der Realisierung von Realität mittels verlässlicher Bilder aufkommen lässt. Hinterlässt Fragen zu Wahrnehmung und Täuschung. Der Film ist was für Leute, die ein Auge haben für Menschen, die möglicherweise eine andere Wahrnehmung haben, die Dinge sehen, die wir nicht sehen. Der Film ist was für Menschen, die eine Antenne, einen Radar haben für jene schmale Grenze zwischen Realität und Irrsinn. Für Menschen, die vielleicht schon erlebt haben, wie Gedanken und Gedankengebäude sich verselbständigen und eine Eigendynamik entwickeln können.

Mein Fazit: nordischer Horror vom Feinsten, weil er sich so ganz normal‘ gibt, als hätte er von Horror keine Ahnung.

Bis zum Horizont, dann links!

Eine feine, runde Ensemblesache ist diese Geschichte von den Senioren, die bei einem kleinen Rundflug die Tante Ju kapern und dann ausgerechnet in Griechenland bruchlanden, was vor dem Hintergrund der Eurokrise nicht ganz ohne Hintersinn ist.

Bernd Böhlich ist der Spiritus Rector, der Autor und Regisseur des Filmes und für das Casting zeichnet Doris Borkmann.

Das Altenheim „Abendstern“. Hier muss sich Otto Sander als Tiedgen ein Zimmer mit Ralf Wolter als Willy Stronz teilen. Anna Maria Mühe ist als Amelie und als Pflegerin gerade so charmant, wie es im Rahmen eines solchen Altenheims nötig ist.

Ein Beispiel dafür, wie trockenhumorig dezent der gewiss nicht gloriose Alltag im Heim „Abendstern“ von Böhlich geschildert wird, ist die Szene, in der Walter irrtümlich die Zähne von Sander aus dem Wasserglas auf dem Nachttischchen sich in den Mund tut. Viel zu groß, findet Sander, der sowieso auf jede Situation mit trocken, sarkastischem Altherrenhumor reagiert.

Angelica Domröse als Anne-Gret Simon ist ein Neuzuzug. Bei ihr wird später eine Rolle spielen, dass ihr Sohn in diplomatischen Diensten arbeitet. Auch Herbert Feuerstein als männliche Hälfte des mehrfach geschiedenen und wieder verheirateten Ehepaares Miesbach ist mit von der Party. Seiner Frau ist vor allem wichtig, für den kleinen Berlinrundflug amtliche Papiere dabei zu haben.

Auch das Thema Altenheim als Endstation wird nicht ausgespart. Und Otto Sander, der eine Polizistenpistole ergattert und erst sich umbringen will, hat, wie er ein Flugzeug am Himmel sieht, die plotentscheidende Idee und wird also beim für den nächsten Tag geplanten Rundflug, die Maschine unter seine Herrschaft bringen. Auch die beiden Piloten, Tilo Prückner als Schlepper und Robert Stadlober als Mittwoch, die nach der ersten Überraschung die Entführung eher vergnügt mitmachen, sind als köstliche Charaktere gezeichnet in wenigen Szenen.

In Wien müssen sie aus Benzinmangel zwischenlanden. Dort wird gerade der russische Präsident erwartet, höchste Sicherheitsstufe und Flugverbot. Aber die Herrschaften im Tower sehen ein, dass die Maschine betankt werden muss und das gibt dem Österreicher Thomas Nash Gelegenheit für einen beherzten Auftritt, er darf nämlich den Proviant, Tafelspitz und Kaiserschmarren und Windeln, zum Flugzeug bringen.

Man könnte hier ohne weiteres alle anderen Schauspieler auch anführen, jeden hat Bernd Böhlich dazu gebracht, individuell zu sein, er hat nicht den Hauch von Routine oder Startum zugelassen. Das gibt so eine Art fast würde ich sagen: Fernsehwohligkeit, Zillehaftigkeit, liebevoll ohne kitschig zu sein, eine respektvolle Haltung zu Figuren und Thema.

Andererseits erinnert mich der Film in seiner Behaglichkeit an Filme aus den 50erJahren, da muss ich noch dahinter kommen, wenn man zum Beispiel an Best Exotic Marigold Hotel denkt, was einfach mit viel größerer Kelle angerührt war oder an „Wenn wir alle zusammenziehen“, wo die Stars viel ungenierter ihr Startum ausleben, so hat das hier auch was Biederbescheidendeutsches. Es ist eine Komposition aus liebevollen Miniaturen, die Böhlich zu einem beschwingten Altenfilm zusammenstellt mit vielen, großartigen Flugaufnahmen von Tante Ju über den Alpen und über dem Mittelmeer.

Der Film verbreitet für mich eine Stimmung, wie sie vielleicht an einem Gemeindenachmittag, wenn er gut verläuft herrscht, hat leicht was Nettes, das niemandem weh tun will, rutscht aber nicht ins Sentimental-Rührselige ab. Vielleicht ein moderner Berlingeist-Artikulationsversuch?

Schöner Spruch bei der Entführung: Die Pflegerin sagt zu Sander, das ist Freiheitsberaubung, worauf er trocken antwortet, „kenn ich seit 8 Jahren“ (so lange ist er nämlich im Seniorenheim).

Die Schweizer Ju-Air, mit einer Junkers Ju-52 Oldtimer Flugzeug, gute Werbung für das Oldtimer-Fluggefährt: www.ju-air.com

Wohlige Kinowärme, ohne halbseiden zu wirken. Herzerwärmend die Rollstuhlmargarete, wie sie in Griechenland am Meer ist und die Augentropfen nicht dabei hat.

Der Titel ist die Antwort auf die Frage nach dem Start in Wien, wo bittschön geht’s nach Griechenland?

Das Haus auf Korsika

Eine aus der Synopsis des Pressematerials destillierte Kurzzusammenfassung des Filmes könnte lauten: 30jährige Frau, die in einer lustlosen Lebensroutine lebt, erbt ein Haus auf Korsika. Dass dieses Haus ihr Leben verändern wird, das wird die empirische wie die logische Konsequenz sein.

Es gibt jede Menge Filme, die so oder ähnlich anfangen. So überlege ich mir vor dem Screening, was es bräuchte, um so eine an sich nicht gerade umwerfende Story spannend und frisch und aufregend zu machen; es bräuchte wohl exquisite Darsteller, exquisite Ideen, exquisites Studium der Charaktere. Ein Mensch in einer Routine, in einer festgefahrenen Beziehung, ein Ereignis tritt ein und verändert alles. So werden solche Filme in der Kurzangabe gerne auch zusammengefasst und das wäre zumindest solides Drehbuchrezept.

Hier stirbt die Oma von Christine, der Protagonistin. Christine arbeitet in der Pizzeria ihres Schwiegervaters. Irgendwo in Italien. Was tun mit der Urne, das ist die eine Frage. Die andere wirft die Testamentseröffnung auf. Christine erbt nämlich ein Haus auf Korsika, von dem niemand in der Familie etwas wusste. Da die Stimmung zwischen ihr, ihrem Mann und ihrem Schwiegervater nicht sonderlich gut ist, findet sich bald ein Anlass für Christine, mit kleinem Gepäck und Hals über Kopf sich auf den Weg nach Korsika zu machen, nach dem Ort, der lustigseinsollenderweise Mausoleo heisst.

Bis hierher geht Pierre Duculot, der Autor und Regisseur dieses Filmes, direkt auf sein Ziel zu, kurze knappe Szenen skizzieren die Ausgangssituation, den Hals-über-Kopf-Aufbruch aus der Routine, die Ankunft auf Korsika, die ersten Begegnungen, die zusehends auf die Problematik des Erbes aufmerksam machen, die Hindernisse auf dem Weg nach Mausoleo. Die Zeichnung der eher abweisenden oder scherzenden korsischen Männer am Rande der Wildheit. Die ersten Begegnungen in Mausoleo, die Erstbesichtigung des Erbstückes, einer halben Ruine. So weit so gut, so weit so pragmatisch. Bis jetzt dominiert der Eindruck eines Kinos, das den Geist des Zuschauers beschäftigt, oft sind Entscheidungen fällig, eines kommt zum anderen.

Dann aber fängt es sich an zu rächen, dass der Autor, dessen Familienname ein Künstlername sein könnte, Duculot, Culot heißt laut Leos: Bodenkappe, Dreistigkeit, Frechheit, Gehäuse, Gerissenheit, Glühlampensockel, das „du“ meint „vom“, der sich also möglicherweise seiner besonderen Dreistigkeit loben möchte, wird dann allerdings sehr, sehr brav, also wie gesagt, rächt sich jetzt, dass er vielleicht nur dreist sein wollte, wird dann ganz brav, fängt jetzt auf der Alm, fast auf der Alm, oder erst mal in Mausoleo eine Liebesgeschichte mit dem Ziegenhirten an. Weil ihm nichts anderes eingefallen ist?

Denn der Mann von Christine zuhause ist nun nicht gerade ein Temperament- und Intelligenzbolzen. Somit fängt die Geschichte an soapig zu werden. Ich würde das darauf zurückführen, dass der Autor die Konfliktstruktur der Hauptfigur nicht genügend analysiert hat, dass er darauf verzichtet hat, ihr eine brisante Eigenschaft zuzueignen, die die an sich gut und solide geplanten weiteren Szenen in einen zwingenderen Zusammenhang brächten als wie nur hier, wo es einem vorkommt, als wolle er einfach verschiedene Aspekte dieses Abenteuers von Christine noch herausarbeiten; das wirkt erfunden, führt dazu dass die Verhältnisse und Situationen zusehends klischeehaft werden, und damit nicht gerade aufweckend für einen Zuschauer; es fehlt die Resonanz zum Leben, wie es der Zuschauer außerhalb des Kinos kennt.

Die Liebesszenen sind nicht eben aussagekräftig. Was diesem durch und durch ordentlich und solide gebauten Film fehlt, ist schlicht das Besondere. 30 Jahre war die Frau „raisonnable“ gewesen, vernünftig, jetzt behauptet sie, nicht mehr vernünftig zu sein? Eigentlich handelt sie doch ganz vernünftig, zu überlegen, das sind eigens ausgearbeitete Szenen, ob das Haus für 40’000 Euro verkauft werden soll oder ob man den kühnen Reparaturentwurf des Architekten für 90’000 zustimmen soll. Solche Szenen verleihen dem Film momentweise den Touch eines Schulungsfilmes, eines Lehrfilmes für Hausrestauration vor lauter Sachlichkeit, was auch Christine eher als mittelmässig sachlich definiert, also gerade kein besonderes Interesse an ihr weckt.

Ferner muss noch eine Art Leidens- und Versöhnungs-Story mit der Familie ihres Mannes her, das scheint mir reichlich erfunden, als Füllmaterial für die dünne Geschichte auf Korsika zurechtgebogen; aber das passiert exakt dann, wenn ein Charakter nicht gründlich genug studiert wurde und also nicht ergiebig genug ist für eine dynamische sich entwickelnde Geschichte.

Schließlich noch, auch das ein Symptom des Ersatzes für mangelnde Figurbearbeitung, die nervige Streichermusik, wenn Christine auf der Alp den Hirten sucht und durch den Steingarten irrt. Auch die Besetzung mit Christine als einer eher schwerblütigen Frau ist nicht dazu angetan, Interesse mittels Brisanz zu wecken. Weiterer witzig sein wollender Name: Roman Nervoso ein Musiker, der Hard Core Musik macht. Diesem Film fehlt die Kinoradikalität, er bleibt zu brav, zu anständig, zu grundsolide und will mit Namensgebungen originell sein.

Pommes Essen

Wie Thekla Carola Wied als die zupackende Spitzenmechanikerin Besjana Simicics, die noch dazu so herrlich ausländisch-deutsch radebrecht, kurz vor Ende die neue Curry-Sauce probiert und welches Strahlen sich daraufhin auf ihrem Gesicht ausbreitet, so täten die Kinos gut daran, gleich nach der Vorstellung diese auch anzubieten, denn Appetit macht das auf alle Fälle. Tina von Traben ist die Regisseurin und zusammen mit Rüdiger Bertram auch die Autorin dieses Kino-Schmankerls.

So setzt Thekla Carola Wied die schauspielerische Würze in diesem rundum gelungen besetzten deutschen Kinderfilm, der eine universelle Erzählweise versucht und sie auch schafft.

Dabei wäre es einfacher, mit einem klaren Protagonisten zu arbeiten, denn mit einer ganzen Familie. Die Familie im Zentrum, das sind die Freys, reduziert auf Mutter Frey und ihre drei Töchter. Der Opa, der für seine Curry-Sauce berühmt ist, ist schon über zwei Jahre tot. Mutter Frey versucht ihre drei Töchter mit dem Imbisswagen, der schon bessere Zeiten und größere Kundenströme gesehen hat, über Wasser zu halten.

Der andere Sohn des Opas, der Bruder der Mutter, arbeitet als Saucen-Desinger in einer sterilen Burger-Welt; er sucht verzweifelt nach dem Rezept des Großvaters. Das aber hat seine Schwester gepachtet. Darum macht er ihr auch einen unfreundlichen Besuch, der damit endet, dass sie in ihrem Imbisswagen zusammenbricht. Sie muss zur Kur fahren. Damit fangen die Ereignisse prompt an, sich zu überschlagen.

Es geht darum, dass die Töchter Mutters Imbissbetrieb aufrecht erhalten. Gleichzeitig möchte die Älteste, Patty, beim Spitzenkoch des Sternelokals „3 Gänse“ in die Lehre gehen. Gleichzeitig schreibt auch der Fussballverein die Imbisspacht für das Stadion in Duisburg neu aus. Ein Wettbewerb, den die Fans entscheiden, soll den Ausschlag geben. So werden die Töchter Frey ihrem Onkel Walter in einem finalen Countdown gegenüberstehen, dem schon viele dramatische Höhepunkte vorausgegangen sind.

Zuallererst die sorglos genossene Freiheit der drei Mädels mit einem nächtlichen Ausflug ins Schwimmbad, dann das Abfackeln der Imbissbude. Der rettende Engel Simicics. Die Versuche von Walter, dem Bruder der Mutter, an das Rezept zu kommen und um die Imbiss-Pacht im Stadion zu kungeln. Schließlich auch die Entwicklungen in der Sterne-Küche in Düsseldorf. Und die Schule ist hinter den nicht auftauchenden Mädchen her. Die Polizei braucht eine Unterschrift der Mutter wegen dem Brandschaden. Zu allem Unglück und aus Wut verrät Patty, die plötzlich ein Praktikum in Düsseldorf machen kann, das Rezept des Großvaters an den Onkel Walter.

Es wird also am Tag des Wettbewerbes hoch zu und her gehen vor dem Duisburger Stadion. Viele Fans haben sich als Komparsen für den Filmdreh zur Verfügung gestellt und bevölkern die angespannte Lage. Bis sich zeigen wird, dass sich Mut und Durchhalten und auch Träumerei und Eigensinn doch lohnen werden.

So wie sich der Besuch dieses gut durchdachten und gut gespielten und gut in Szene gesetzten Filmes auch lohnen wird. Er unterscheidet sich angenehm von so vielen oft großkotzig und lieblos nur auf Zuschauerzahlen hin kalkulierten Bestseller-Kinderbuch-Verfilmungen aus deutschen Landen.

Kleine Mäkelei zum Schluss, wenn wir schon Sterne-Ansprüche stellen: ein bisschen mehr vom Duisburger Dialekt hätte man schon gerne gehört. Aber das ist nun wirklich das einzige Haar in dieser Suppe, für die als Produzentin Dagmar Niehage verantwortlich ist und die unbedingt auch erwähnt werden muss. Schöner Spruch von Simicics zum Schluss: Menschen müssen machen Fehler, Frage ist, repariert man oder nicht.