Ende der Schonzeit (Filmfest München)

Flüchtiger Jude soll auf Schwarzwaldhof die Bäuerin besamen, so würde mindestens der tumbe Bauer es sagen, der sich für unfruchtbar hält, wobei das nicht verwunderlich ist, wenn man ihn in der Leibwäsche sein Weib besteigen sieht.

An diesem Film macht schon der Vorspann deutlich, dass es sich um ein Funktionärs-Planwirtschaft-Produkt handelt, denn als Erstes kommen groß die fördernden Anstalten, die diese Story gut fanden, sie glauben offenbar nicht, dass sie sich damit blamieren könnten, dann erscheinen die Produzenten. Solche Wichtigtuerei von Funktionären verdirbt einem gleich schon mal den Einstieg in den Film.

Denn wir interessieren uns für die Künstler, in erster Linie für die Darsteller, dann vielleicht noch für die Regie, in diesem Falle von Franziska Schlotterer, die mit Gwendolyn Ballmann auch das Buch geschrieben hat, als ob die Nazizeit nicht längst schon ausgemolken sei, wie die Resi an diesem Schwarzwaldhof, die immer weniger Milch gibt.

Der Film fängt allerdings nicht im Schwarzwald an, sondern im Israel von 1970. In einem alten Bus reist ein etwa 20jähriger Mann zu einem Kibbuz, stellt schroff den einzigen Menschen, den er gleich beim Misten antrifft zu Sprache, der allerdings, als wüsste er genau, was auf ihn zukommt, ganz schroff erst den Taubstummen spielt und dann nichts vom Besuch wissen will. Er war der Samenspender von damals in Schwarzwald. Der Sohn hatte eine Hinterlassenschaft der Mutter, einen Brief, den er nach ihrem Tod nun nach Israel brachte.

Bald geht’s zurück nach 1942, ein Schuss in der Nähe der Schweizer Grenze, ein Flüchtling, ein Bauer, der ein Reh geschossen hat und den Flüchtling als Trägergehilfen benutzt, Grenzer, die glauben, sich verhört zu haben.

Der Flüchtling wird auf den Hof gebracht, wo nur der Bauer mit seiner Frau lebt. Die sprechen im Schwarzwald ein merkwürdig farbloses Hochdeutsch, was immer in solchen Filmen ein zusätzlicher Stimmungskiller ist und auch die Besetzung geht mal wieder hinten und vorne nicht zusammen.

Der Bauer ist ein Säufer und bräuchte bei aller Unfruchtbarkeit einen Erben. Den soll der Flüchtling nun zeugen, was er nach anfänglichem Zögern nur allzu gern tut. Und man fragt sich, wie es diese Frau, die doch was Kultiviertes und so gar nichts Bodenständiges hat, auf diesen Hof verschlagen konnte, und warum sie nicht die erstbeste Möglichkeit für eine Flucht vor dem groben, Hochdeutsch sprechenden Bauern ergreift, der menschlichen Sex nicht anders sieht als tierischen, was ja im Sinne der Fortpflanzung nicht ganz abwegig ist, was aber hier auch nicht vertieft wird.

Der Hof scheint mir übrigens für zwei Personen viel zu groß. War sicher in der Zeit ein Unikum mit nur zwei Menschen drauf; der Bauer dabei auch noch ein Wilderer. Er hat einen Bruder im Dorf, ein strammer Nazi. Dass der Bauer mit seiner Frau einmal zur Hochzeit vom Kappeler Herbert und der Meisinger Anneliese oder ähnlich fährt, wenn eine solche nicht vorkäme, wäre der Film vollkommen unerträglich, das dürfte selbst die Autorin gemerkt haben, bringt aber die Geschichte überhaupt nicht vorwärts, wird einzig eingeführt, um den Flüchtling als literarisch interessiert zu zeigen, die haben eine Bibel am Hof. Später radelt die Frau dann wie wild ins Dorf, so dass alle glauben, es habe endlich mit der Schwangerschaft geklappt, aber sie will nur Lektüre für den ihr von ihrem Mann verschriebenen Besamer besorgen.

Es ist nie ganz klar, ob diese Personen überhaupt Handlungen machen, oder ob sie nur unüberlegt, rein vegetativ agieren. Das reduzierte Menschenbild, das der deutschen Filmplanwirtschaft so entgegen kommt. Die Figuren selbst sind wieder lediglich Funktionsträger um dieses Thema hier zu postieren, Jude begattet deutsche Frau im Schwarzwald.

Was solls. Mehr ist nicht, mehr erzählt der Film nicht, er erzählt die Geschichte nicht so, dass man das Gefühl hat, das sei eine Geschichte, die unbedingt erzählt werden müsste, weil sie zum Beispiel eine Seite in der Diskussion um Samenspender zum Erklingen bringen könnte. Er erzählt die Geschichte leider so, dass man eher denkt, die könnte einem wirklich gestohlen bleiben, denn auch die Verhältnisse der Figuren untereinander sind ohne jede Tiefe geblieben. Es sind Schauspieler, die aus irgendwelchen Gründen die Rollen zugesagt haben, und schier daran verzweifeln, dass das Drehbuch ihnen absolut kein Futter gibt, und darum vermutlich weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben, wenn sie sich nicht sogar schlecht verkaufen. Weil es wieder Figuren ohne Geschichte, ohne Konflikte sind,

Aber fürs „Gasthaus zum Rössel“, da hat die Requisiten-Abteilung ein fein schönes Schild organisiert.

10 Gedanken zu „Ende der Schonzeit (Filmfest München)“

  1. Sie nennen sich Filmjournalist? Traurig, dass da die gehässige Dummheit auch schon Einzug gehalten hat! Ich lasse mir von Ihnen nicht unterstellen schlechte Drehbücher anzunehmen! Geschmack ist ja bekanntlich individuell, aber bessern sie wenigstens Ihren Stil, wenn sie sich schon Journalist nennen wollen! Mit Verlaub….. ( den Rest können sie sich denken)! Wir hatten jedenfalls eine erfolgreiche Premiere gesteen in München! Und schön, dass Sie nicht da waren!

  2. Sehr geehrter Hans-Jochen Wagner!

    Vielen Dank für Ihr Feedback auf meinen Text zu „Ende der Schonzeit“.
    Dazu zwei Punkte von mir.

    1. Sollten wir zwei Dinge unterscheiden, ich habe das andernorts auch schon geschrieben. Es ist eines, einen Film bis zur Premiere zu bringen – das ist immer eine Leistung von allen Beteiligten, in diesem Falle speziell auch der Schauspieler; dafür gebührt ihnen bei der Premiere Applaus und Komplimente. Wer aber einen Film auf einem solchen Festival zeigt, der muss akzeptieren, dass er vor dem Hintergrund beachtlicher internationaler Kinoproduktionen betrachtet wird. Es wäre unfair dem Deutschen Film gegenüber, an ihn nicht dieselben Maßstäbe anzulegen wie an jeden anderen Festivalfilm auch, es wäre unfair, den Deutschen Film a priori als einen Behinderten zu behandeln.
    2. Mein Vorschlag: verzichten Sie auf die ganzen Ausrufezeichen-Sätze und widerlegen Sie meine Argumente. Das wäre sachlicher und energiesparender. Zeigen Sie mir auf, wo das enorme Konfliktpotential in der Begegnung zwischen dem Sohn und dem samenspendenden Vater liegt. Warum der Zuschauer das als spannend empfinden wird, bei den Infos, die er über die beiden vor ihrer ersten Begegnung erhalten hat. Dasselbe gilt für die Rückblende. Widerlegen Sie mich, bevor sie meine Daseinsberechtigung als eines über Film Schreibenden und Nachdenkenden in Zweifel ziehen, ich bitte Sie darum.

    Mit besten Grüßen
    stefe

  3. Ich will Ihnen doch nicht den Film erklären, das wäre ja furchtbar! Sie haben doch das Recht einen Film schlecht zu finden. Sie haben aber kein Recht sich Filmjournalist zu nennen und offensichtlich so wenig Ahnung von historischen und psychologischen Zusammenhängen zu haben, ganz zu schweigen von Ihrem Filmplanwirtschafts Gesabbel, das ist so peinlich und polemisch, dass ich eigentlich nur Mitleid empfinde. Seis drum, Ende der Dikussion, wir hatten eine tolle Premiere und sachkenntnisreichere Menschen haben uns ein sehr gutes und differenziertes Feedback gegeben! Das ist es warum ich diese Arbeit mache, darum bin ich glücklich und wünsche Ihnen einen schönen Abend, wer immer Sie auch sind, denn zu feige wenigstens Ihren Namen zu nennen scheinen sie ja auch noch zu sein! Auf Nimmerwiederhören! Hans Wagner

  4. Schade, Herr Wagner, dass Sie sich so entrüstet abwenden. Ich habe Sie ja nicht gebeten, mir den Film zu erklären, ich habe Sie lediglich gebeten, mir zu erläutern, was in der Exposition der Figuren Ihrer Meinung nach denn so spannungserzeugend sein soll. Möglicherweise hatte ich da was übersehen.

  5. Na, so daneben kann die Kritik gar nicht sein, wenn sich Schauspieler Wagner einschaltet und seinen Film verteidigt. Wie eitel und peinlich! Und ich stimme zu: Was sollen die Ausrufezeichen? Außerdem: jeder darf sich Journalist nennen, genauso wie sich jeder Schauspieler nennen darf, der in „Adel Dich“ „Löwenzahn“ und „Liebe am Fjord“ mitgespielt hat. Mich hat die Kritik jedenfalls amüsiert und ich werde mir bei Gelegenheit die Besamung anschauen.

  6. Hallo Claudia, vielen Dank für das Feedback. Vielleicht haben wir es hier mit einem besonders schönen Beispiel zu tun, was uns zeigt, was sich so ein Schauspieler heutzutage alles vormachen muss, um offenbar überleben zu können. Dass Sie sich den Film anschauen wollen, ist ganz in meinem Sinne, vielleicht sehen Sie ihn ja völlig anders. Lassen Sie es mich gegebenenfalls wissen – Ausrufezeichen.

  7. Ich habe den Film gestern Abend gesehen und war mehr als enttäuscht! Für so etwas hat Birgit Hobmeier den Bayerischen Filmpreis erhalten? Wirklich gute Schauspieler, die hier in diesem nichtssagenden und tumben Spiel ohne Tiefgang gezeigt wurden. Die ländliche Bevölkerung kann ja stets bestens dazu herhalten, als rückständig, stur, dumm und vor allen Dingen maulfaul dargestellt zu werden. Sieht so für die Macher der Alltag auf einem (für zwei Personen tatsächlich recht großzügig bemessenen) Bauernhof in der Kriegszeit aus? Wirklich mehr als seltsam! „Den Zuschauer von Anfang an in seinen Bann gezogen“, wie in der Frankfurter Allgemeinen zu lesen war – das kann ich wirklich nicht unterschreiben. Ich habe zwischenzeitlich mit dem Gedanken gespielt, abzuschalten und lieber ein gutes Buch zu lesen. Gerade Hans-Jochen Wagner und Birgit Hobmeier sind mir aus anderen Filmen als tolle Darsteller lebhaft in Erinnerung geblieben. Schade, dass das bei diesem Film nicht der Fall sein wird!

  8. Vielen Dank, Hucki, für Ihre Schilderung. Manchmal wundere ich mich auch, wer wofür einen Preis bekommt und was wo über manche Filme geschrieben wird.

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