Iron Sky

Timo Vuorensola, der Regisseur, zeigt uns hier eindrücklich, wie mit Hilfe moderner Computertechnik ein schwacher Witz (die Nazis haben sich seit dem 2. Weltkrieg hinterm Mond versteckt gehalten und wollen jetzt wieder zurück auf die Erde) zu einem donnernden, belang- und spannungslosen Nichts an Bilderwust aus dem Flohmarkt des Sci-Fi-Genres aufgebauscht werden kann.

Vom geistigen Horizont her gehört der Film eher in die Ecke „Studentenulk“; es kommt darin vor der „Albinisierer“ damit kann die Haut von Schwarzen gebleicht werden, denn ein solcher verirrt sich zu den vergessenen und zurückgebliebenen Nazis oder der Begriff des USB-Sticks wird veralbert in umfassende, systematische Beschönigung oder Beschleunigung oder egal welches B auch immer.

Vuorensola scheint ein Bildberserker zu sein. Nur ist ihm und seinen Drehbuchautoren Johanna Sinisalo und Michael Kelsniko nicht so ganz klar, was sie uns zu erzählen und mit wagnerianischem Musikgetöse aufzudonnern versuchen. Wegen den paar Witzchen einen so aufwändigen Film zu machen, das kanns doch nicht gewesen sein. Ein bisschen die Nazis verscheissern und einen Ausschnitt aus dem großen Diktator von Chaplin als einen erfolgreichen Kurzfilm zu apostrophieren.

Götz Otto gibt einen glaubwürdigen Nazi. Aber alle Figuren, bis vielleicht auf den skurrilen Computerforscher Tilo Prückner als Dr. Richter, sind todernst und böse. Es gibt nicht eine einzige Sympathiefigur in dem Film. Denn auch die Amis sind krass negativ gezeichnet. Da ist es am Schluss vollkommen egal, wer wen besiegt. Schade ist es um keinen, den es am Ende erwischt.

Ein geistiger Verhau, der sich da auftut. Ein Mangel auch an Kenntnis im Geschichtenerzählen. Begeisterung für Science-Fiction allein garantiert, wie hier bewiesen, noch für keine spannende Geschichte.

Erstaunlich immerhin, wer hier alles mitgetan hat, wer sich von diesem Film etwas versprochen hat, von Udo Kier über Julia Dietze, Götz Otto, Tilo Prückner, die hier alle als große Stars angekündigt werden.

Spieglein, Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen.

Die gar nicht so große Geschichte von Schneewittchen und den Sieben Zwergen hollywoodisch megamässig aufgemotzt schier zu einem Opus Magnum aus Show und Action und Ausstattung und Kämpfen und Animation und Jokes, mit einer kleinen Prise „wahre“ Gebrüder Grimm immer noch drin.

Ein fettes Menü mit viel zusätzlich reingeschütteter Joke-Dialektik. Die Zwerge sind nicht nur klein. Sie gelten auch als Monster des Waldes. Wenn sie sich Stelzen unterbinden mit den fantasievoll-eleganten Wadenverkleidungen, dann gelten sie als die Ungeheuer vom Walde und sind eine faszinierende Show.

Man könnte auch sagen: Schneewittchen kräftig entniedlicht und auch die Armutsproblematik und die wirtschaftlichen Halloderitums der Königin beigemixt.

Die Königin schwelgt im Luxus. Sie spielt Schach mit wundervoll kostümierten lebendigen Menschen-Schach-Figuren-Darstellern. Sie hat ihren Exgatten längst in den Wald geschickt und dem richtigen Ungeheuer zum Fraß vorgeworfen. Sie kämpft, wenn sie was will mit allen Mitteln auch der Meinungsunterdrückung, der Verdrängung, der Vergiftung und gnadenloser Ausbeutung des Volkes, des Aussaugens mittels Steuern. Sie lebt in einer abgehobenen, realitätsvergessenen Welt wie vielleicht eine heutige weltweite Luxusklasse lebt.

Der Prinz kommt früh ins Spiel. Er wird samt seinem Diener gleich Opfer der Zwerge, die sich im Wald als raffinierte Wegelagerer ihren Unterhalt redlich verdienen. Zum Glück macht Schneewittchen, die längst eine junge Dame ist, einen Spaziergang in den Wald und entdeckt den Prinzen, ohne zu wissen, dass er ein Prinz ist, an einem Seil mit seinem Diener gefesselt kopfunter vom Baum hängend. Schneewittchen befreit die beiden und verabschiedet sich artig. Wer weiß, wozu ein frühes Inkognito-Kennenlernen noch mal gut sein kann.

Der abgerissene Prinz schlägt sich zum Schloss durch. In der Königin weckt er, wie er mit nacktem Oberkörper und in langer Unterhose vor ihr steht, gleich Heiratssehnsüchte. Die Königin lässt ihn und seinen Diener mit lächerlichen Klamotten ausstaffieren und lädt sie gleich zu einen prunkhaften Kostümball ein. Auch Schneewittchen hat sich gegen den Willen der Mutter hineingeschlichen. Und trifft auf den Prinzen.

Elegante Nummer, wie der Prinz beim Partnerwechsel-Tanz trickreich immer bei Schneewittchen bleibt, gelungene Slapsticknummer, so eine ausgiebigere Konversation mit ihr ermöglichend.

Die böse Königin kommt der Sache auf die Spur. Sie denunziert die Stief-Tochter als geistig krank. Sie will den Prinzen. Die Ereignisse verkomplizieren und beschleunigen sich. Der Höfling Brighton soll für ein großes Bankett zu Ehren des Prinzen, der reich ist und deswegen geheiratet werden muss, noch mehr Steuern beim Volk eintreiben. Er wird aber mit dem prallen Geldsäckel Opfer der Zwerge. Schneewittchen landet inzwischen auch bei diesen und absolviert einen Schnellkursus in Selbstverteidigung. Selbst ist die Frau.

So nehmen denn die Dinge ihren Lauf. Zwischendrin begibt sich die Königin mit großem Hokuspokus zu ihrem sprechenden Spiegel. Nie aber fragt sie, Spieglein, Spieglein…? Nein, sie hält mit dem Spiegel, der eh eine verzwickte Konstruktion ist, Strategiegespräche ab, wie sie Schneewittchen los werden und der Prinzen gewinnen kann.

Schöne Szene, die die Kinder bestimmt zum Lachen bringt – und natürlich nicht nur diese -, wenn Brighton Schneewittchen hätte töten sollen und dann grimmsch originalgemäss als Beweis die Innereien der Königin bringen soll, bei Grimm die von einem Frischling, hier bei einem Metzger besorgt und wie er sie zeigen will, noch eine ganze Reihe geklauter Würste zum Vorschein kommen. Auch diese Szene hier nur als ein Beispiel für die trickreiche Konstruktion und Nebenbei-Charakterisierung der Figuren angeführt.

Next Step mit dem Prinzen: die böse Königin will ihm einen Trunk verabreichen, der ihn willig machen soll. Dummerweise erwischt sie das Mittelchen für Hunde. So spielt er denn den Hofhund und stürzt sich entsprechend auf sie. Hündische Männer und selbständige Frauen.

Grandiose Parodie auf jeglichen Schönheitswahn: die Behandlung und Schönheitskur, die sich die Königin für ihre perfekte Erscheinung am Ball angedeihen lässt. Die fängt damit an, dass die Bäckerin Papageienkacke wie Schokolade der Königin ins Gesicht streicht. Und das ist erst der Anfang. Was dann folgt, lässt die Dschungelcamp-Erfinder als arme Leute dastehen.

Ein opulentes Werk, die Macher waren sich nicht zu schön, wo auch immer im breiten Feld der Kulturen ikonographisch und thematisch (die New York Times sieht im Ungeheuer eine Replik zu Cocteaus „Die Schöne und das Biest“) zu wildern, um das gute alte gemütliche Grimm-Märchen kräftig zu tunen. Einer der Zwerge ist zum Beispiel Asiate. Man will ja alle Märkte bedienen. Einer heißt Napoleon, einer Romeo, einer Grimm und von dem lesen wir im Abspann, dass er nachher, also nach Ende des Filmes, angefangen habe, Märchen aufzuschreiben. Vielleicht holt der sich jetzt die Inspiration in Hollywood. Aber das ist sicher das einzige Märchen, was Hollywood je selbst erfunden hat, dass es Märchen erfinde. Es mischt sie eher neu zu einem bunt-spritzigen Cocktail.

The Lady

Luc Besson, den man eher mit Action-Filmen wie “Colombiana “ oder “Leon, der Profi” in Verbindung bringt, hat hier einen politisch engagierten Film gemacht, ein Biopic über die birmesische Friedens-Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

Der Spielfilm endet 2007 mit dem birmesischen Aufstand der Mönche und der schönen Schlussgeste von Suu, die von Michelle Yeoh immer ganz Dame gespielt wird; sie erscheint über dem Gittertor ihres herrschaftlichen Anwesens, in welchem sie unter Hausarrest steht, und wirft den Mönchen eine Blume zu. Dort endet Besson mit einem Freeze. Das Buch hat Rebecca Frayn geschrieben. Die Entwicklung ist bereits überholt, die Blume erweist sich als ein positives Zeichen, ist doch inzwischen in der birmesischen Diktatur ein unverhofftes Tauwetter ausgebrochen.

Besson malt das Leben von Suu wie ein plakatives Wandgemälde mit pointiert ausgewählten Szenen. Wo er die Möglichkeit hat, seine Action-Erfahrung einzubringen, da tut er es knallig. Zuerst lässt er allerdings eine Erzählerstimme die Vorzüge und Schätze Birmas, Natur- wie Bodenschätze loben und dass eines Tages fremde Soldaten gekommen seien und diese in Besitz genommen hätten. Der Weg von Suu ist der Kampf um Freiheit und Demokratie, der Aufruf am Ende des Filmes lautet, wir mögen unsere Freiheit nutzen, um ihre zu ermöglichen. Etwas davon scheint inzwischen wahr geworden zu sein.

1998 steigt der Film in Oxford ein. Beim englischen Gatten der burmesischen Suu wird Prostata-Krebs diagnostiziert. Er hat noch eine Lebenserwartung von maximal fünf Jahren. Dann springt der Film auf 1988 zurück. Die Familie von Suu mit ihrem Mann und den zwei Söhnen ist glücklich. Suu ist einen Text am Schreiben. Am Fernsehen kommen Bilder über einen Aufstand in Burma. Suu weiß, sie muss jetzt dorthin.

Ein Beispiel, wie Besson cool auf seine Effektenkiste zurückgreift. Wie Suu in Birma einreist und den Pass vom Beamten zurückbekommt und der den Pass auf das Schalterbrett haut, da spielt Besson einen Knall wie aus einen Actionfilm ein. Wie er überhaupt die Szenen sehr ausgestellt inszeniert und wie die auf die wichtigen Dinge, die sie erzählen sollen, reduziert sind. Didaktisch gut aufbereitet folgen die weiteren Schritte auf dem Weg zur Diktatur, der Diktator als Brutalo gezeichnet. Er befragt eine Wahrsagerin, die im Knast einsitzt. Dann hat sie nicht nach seinem Gusto wahrgesagt. So geht er nochmal hin und erschießt sie. Er wird noch weitere Menschen abknallen respektive abknallen lassen.

Gegen diese Diktatur kämpft Suu. Ihre Unterstützer im Ausland setzen sich dafür ein, dass sie zur Kandidatin für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird. So wie Besson mit Action-Szenen nicht zimperlich ist, so ist er genauso wenig zimperlich, wenn es ums Gefühl geht, um die Rührung über die Verleihung. Denn der ältere Sohn darf den Preis im Namen seiner Mutter verdanken. Die Rede wird übers Fernsehen und Radio in alle Welt ausgestrahlt. Ausgerechnet in ihrem Haus in Birma aber fällt der Storm aus. So kann Besson eine ausgeklügelte Szene einfügen, wie Suu sich mit einer Angestellten zu helfen weiß.

Besson erzählt durch seine Methode scheinbar luzide, weil er nicht komplizierte Sachverhalte oder Machtgeflechte, die eine solche Diktatur ermöglichen und am Leben erhalten, analysieren will. Ihn interessieren Szenen, die eine Art News-Wert haben: Auftands-Szenen, Massaker-Szenen, Gefängnis-Szenen, aber auch Zeremonien oder Arztbesprechungen.

Ein grob-gestricktes, knalliges Heldinnengemälde im Sinne der guten Sache. Könnte ich mir gut als Illustration zu und Ersatz für zwei Schulstunden vorstellen. Andererseits sind die Entwicklungen in Birma im Moment so überraschend und rasant, dass man bereits ein weiteres, aktuelleres Gemälde bräuchte, um zu kapieren, was dort vor sich geht.

Und wenn wir alle zusammenziehen?

Die ersten Bedenken, uh, ein Film übers Altern, ein Themenfilm übers Altwerden, eine Lebenshilfefilm, die waren schnell verflogen; es ist kein Themenfilm übers Altwerden; es ist ein Film über eine Freundesclique, zwei Ehepaare und ein Single, die im Zuge des Älterwerdens und aus rein praktischen Gründen in einem Haus zusammenziehen wollen. Insofern sogar eine nicht ganz gewöhnliche Geschichte, die aber Stéphane Robelin einzig benutzt, um darum herum sorgfältige Alltagsszenen zu schreiben, zusammenzufügen und zu inszenieren.

Albert ist oft vergesslich, seine Tochter bringt seinen Zottelhund Oscar in den Zwinger, die Freunde Jean und Claude befreien ihn wieder; Claude der Single und Frauenliebhaber und –fotograf hat beim Treppensteigen zur käuflichen Liebe einen Zusammenbruch; die Freunde Jean und Jeanne und Albert und Annie befreien ihn wieder aus dem Spital; auch Albert landet einmal im Spital oder er vergisst das Badewasser abzustellen, was eine Überschwemmung zur Folge hat; Jeanne möchte ein Schwimmbassin im Garten, damit die Enkelkinder wieder häufiger vorbeischauen; sie wünscht sich einen Sarg in Pink. Dies und vieles mehr sind ganz und gar alltägliche Begebenheiten und Sonderlichkeiten, weswegen man noch nicht unbedingt einen Film draus machen müsste.

Was die 96 Minuten aber so umwerfend macht, das sind hier die Stars. Jane Fonda als Jeanne, Geraldine Chaplin als Annie, Pierre Richard als Albert, Claude Rich als Claude und Guy Bedos als Jean. Dieser Starpower potenziert sich noch dadurch, dass sie alle die Schauspielerei als Zusammenspiel verstehen und aus einem lebenslangen Erfahrungsschatz zehren und diesen einbringen.

Beispielsweise das Gezänk, was Geraldine Chaplin mit ihrem Gatten hat, während sie mit Absperrband versucht die Abmessungen des von ihr durchgesetzten Swimming-Pools abzustecken. Oder wie Claude Rich selbst im Heim, in dem er kurzzeitig untergebracht ist, es nicht lassen kann, Frauen zu fotografieren, wenn Frau, dann bei ihm Alarm, egal wie alt. Wie Pierre Richard im Keller einen Blechkasten öffnet und hinter erstaunliche Geheimnisse der WG kommt. Oder der Student, den die WG zum Gassi gehen mit dem Hund anheuert, der aber sofort ethnologischen Studien über die Alten anfängt statt diejenigen über irgendwelche afrikanischen Völker fortzuführen, und wie die Fonda mit ihm ins Gespräch kommt.

Leider ist dieser Student, der vermutlich aus Koproduktionsgründen ein Deutscher sein musste, mit dem verbissenen, humorlosen Daniel Brühl eher so besetzt, als wolle die Produktion den Deutschen Geldgebern die lange Nase zeigen. Er spricht zwar ein passables, leicht gepresstes Französisch, ist jedoch schlicht zu alt für die Rolle, zu fett und zu unbeweglich. Was hätte da ein junger, smarter, weltoffener Deutscher noch für zusätzliche Energien ins Spiel reinbringen können. Der Regisseur hat zwar versucht ihn zu lockern, indem er ihn oft mit Jane Fonda und Zottelhund Oscar durch den Waldfriedhof spazieren lässt, aber das wirkt gelegentlich etwas angestrengt. Das schmälert allerdings den Gesamtgenuss an Chaplin, Fonda, Rich, Richart und Bedos in keiner Weise. Sie haben alle Schauspielertrümpfe parat, sie haben nichts mehr zu verlieren, sie können sie ausspielen, sie erzählen mit ihren Figuren aus einem reichen Leben, das sie gehabt haben – und sie tun es launig zum Vergnügen des Publikums. Oder man könnte sagen, durch den Eiszapfen Brühl wird die Brillanz der anderen Darsteller nur umso deutlicher, salé à l’Allemande.