Glück

Über den Abspann lässt Doris Dörrie, die Macherin dieses Filmes, den Song „When you are happy, I am too“ spielen, was ohne weiteres als die Message verstanden werden kann, die sie mit ihrem neuesten Streifen verbreiten möchte. Knifflige Aufgabe an die Drehbuchautorin: erfinden Sie nun eine kinotragfähige Geschichte, die als Moral diesen Satz zeitigen könnte. Eine Knacknuss von Aufgabe. Ich vermute, Frau Dörrie hatte einfach die Zeit nicht gehabt, diese Aufgabe zu lösen, falls sie sich überhaupt gestellt hat.

Das Drehbuch, sofern von einem solchen ernsthaft die Rede sein kann, es gibt auf jeden Fall eine Vorlage dazu, eine Geschichte von Ferdinand von Schirach, besteht hauptsächlich aus einer losen Aneinanderreihung von Szenen ätzend-spießiger, erzkonservativer Kleinmädchenfantasien zum Thema Glück zwischen Mann und Frau nebst Bildern von einem Storch, von Wolken, Rotes Mohnfeld, Schafe, ein Lamm, ein Balkon mit grünem Kunstrasen und sitzenden Rehen aus Plastik unter grünem Sonnenschirm, Honig, Kirschenblüten, auf rotem Mofa durch eine toskanische Gegend fahren, der Hirsch im Wald. Das Glück zu Zweit, was hier erträumt wird: zusammen schaukeln, zusammen Eis schlecken, zusammen Kirschblüten schütteln, zusammen in einem fremden Auto sitzen und Musik hören, zusammen picknicken am See unter einem dickstämmigen Baum auf der mit Lämmchen bestickten Decke, unter der mit Lämmchen bestickten Decke nebeneinander liegen und plauschen, über der mit Lämmchen bestickten Decke sich die Hände geben, zusammen Zigarette rauchen nach dem Akt, Essen mit einem Kind dabei und Gugelhupf mit Geburtstagskerzen drauf, Gugelhupf backen, die Uridee der Familie. Frauenträume vom Glück, in das sich die Männer widerstandslos einzufügen haben, soweit wohl das Weltbild der Macherin dieses Filmes, was sie hier mit ihren Bildern auszubreiten versucht.

Um diesen kleinmädchenhaftesten aller weiblichen Träume nun aufregend und nicht miefig erscheinen zu lassen, werden als Protagonisten zwei arme, verlorene Seelen gewählt, die in malerisch-geschmackvollem Unglück leben und schwere Schicksale haben. Nur so kann der Traum vom Liebesglück sein kitschiges Potential voll entfalten. Mit Kitsch meine ich, dass es eben um das Ausmalen von Befindlichkeiten und Gefühlszuständen und nicht um die Betrachtung mündiger Menschen mit ihren Handlungen geht, die so lange der Mensch agiert und irrt, spannende Kinogeschichten generieren können. Das ist hier nicht der Fall.

Irina wurde im Krieg vergewaltigt und geht als Folge davon in Berlin auf den Strich. Dort stößt sie auf Kalle, einen Punk mit Hund, über dessen Hintergrund wir nichts erfahren, aber es geht hier um weibliche Träume und Träumereien und Liebesausmalereien. Die beiden Figuren werden nun in einer losen Reihenfolge von Begegnungen gezeigt, in denen sie versuchen Variationen zum Thema „Glück von Mann und Frau“ zu improvisieren; einzige kleine Handlung, dass Irina aus dem Hotel in eine eigene Wohnng zieht, wobei sie doch eine Illegale ist.

Da die Aneinanderreihung solcher Szenen bald langweilig wird, macht Frau Dörrie auch noch einen Einkaufsfilm aus dem „Glück“, Shopping als Glück, Lifestyle als Glück: Einkaufen von Herrenkleidung für den Punk, Einkaufen eines Spatens für das Begräbnis des totgefahrenen Hundes, Einkaufen einer Nähmaschine zahlbar in Raten von 20 Euro für die Geliebte, Einkaufen von Teppichen und Möbeln und Dekor, Leuchte in Herzform, für die neue Wohnung, Einkaufen im Asia-Shop fürs Kochen und schließlich zum Entsorgen der Leiche: Einkaufen von blauen Mülltüten, Dialog mit der Kassiererin: „4 Euro 38. Äh. Das reicht nicht. Reichts jetzt? Kassenbon?“ Frau Dörrie, die Textjägerin im Supermarkt und immer hart am Puls der Zeit. Frauliches Shoppingkino.

In der Auswahl ihrer Protagonisten, Alba Rohrwacher als Irina und Vinzenz Kiefer als Kalle, da beweist die Filmerin allerdings Geschmack. Mindestens in den ersten zwei Dritteln und so lange Irina meist die weiße Anschaff-Perücke trägt und Kalle die blonden Strähnen kühn übers Gesicht mit dem breiten Grinsen fallen lässt und die beiden die verschiedenen Partner-Versuchsanordnungen der Regisseurin, was kann ich mit Mann und Frau so anstellen, durchspielen, schaut man ihnen gerne zu, weil sie es gut, konzentriert und attraktiv gestalten.

Da aber der Autorin dieses Filmes die dünne Grundlage ihrer Drehidee was die Tragfähigkeit im Kino anlangt, sehr wohl bewusst gewesen sein dürfte, musste eine Leiche her, der Herzinfarkt des Freiers „Fette Sau“. Ab da säuft der Film dann in öde Fernsehroutine ab mit der kleinen Abweichung, dass die um das Protagonistenpaar herum routinemäßig besetzten Routinefiguren, die routinierte Leistungen erbringen, ein paar Sätzchen über die Liebe sagen dürfen; in dieser traurig öden TV-Welt wirken auch die vorher spannenden Protagonisten verloren. Der Anwalt kommt auf die originelle Begründung für die Leichenzerstückelung, es handle sich dabei um „Unfug aus Liebe“, das wäre echt vertiefenswert oder der Aspekt unter dem sich so ein Thema vielleicht aufregend abhandeln ließe, worauf die Staatsanwältin dem Anwalt gestehen darf, dass sie für ihre erste große Liebe ein paar Gummibärchen geklaut hat – im Kindergarten. Tja, wo kein richtiger Anfang, nämlich Vorstellen einer Figur mit ihren Charaktereigenschaften und Konflikten, Konfliktpotential, was Handlung und Konflikte und damit eine Geschichte in Gang setzen könnte, da ist auch schwer wieder rauszufinden.

Als Hinweis, dass Frau Dörrie sich als Künstlerin sehe, dass auch Kunst im Spiele sei, baut sie einen kleinen Running Gag mit einer roten Hundescheißtüte ein, die zieht Kalle erst allein am Kinderspielplatz über den Kopf, worauf als origineller nicht weiter hilfreicher Gag die laute Musik aussetzt (hier lässt die Regisseurin Kinder mit Kriegsspielzeug spielen, sie will aufrütteln) später dann Kalle und Irina nebeneinander an derselben Stelle sitzend und die Tüten über den Kopf ziehend und dann noch später eine solche rote Tüte über den Kopf der Leiche. Verlegenheitssurrealismus. Kunstbastelei.

Das klassisch-konservative Bild von Liebe aus weiblicher Sicht, das Gegenteil jeglicher Emanzipationstheorie: die kleine, zarte Alba Rohrwacher darf sich, nachdem sie sich weh getan hat, anlehnen an den großen, starken, mächtigen Vinzenz Kiefer. Oder Sätze wie: Du weißt so manches nicht von mir. Weil Du nichts erzählst. Paarstereotypien aus der Paartherapie für Jedermann abgeschrieben. Dazu passen auch, man habe noch nie Glück in der Liebe gehabt, das spricht doch direkt die Mitleidsader im Zuschauer an, die Rührader und liesse sich in jedem anderen Film zum Thema x-beliebig verwenden. Nur sind das alles keine Sätze, die Handlung und Spannung erzeugen, sie geben Befindlichkeiten wieder. Ein recht beschränkter Begriff von Kino, den uns Frau Dörrie hier zumutet.

Verständlich, dass man bei so einem Film immer wartet und wartet, bis er endlich losgeht, bis man merkt, dass er nie losgehen wird oder statt dass er losgeht, läuft er dann auf eine TV-Krimi-Chose hinaus, gespickt mit einzelnen Sätzen zum Thema Glück und Liebe.

Ghost Rider 2

Vielleicht ist hier die Ambition der Macher, dem gezeichneten Comic möglichst nahe zu kommen, ihn womöglich zu toppen, mit ihnen durchgegangen. Teils werden auch, besonders am Anfang, comichafte Zeichnungen eingefügt. Der Ehrgeiz schien zu sein, jedes einzelne Bild oder jede einzelne Szene viel näher in die Richtung des Gezeichneten und weg vom Realistischen zu bringen. Aber im Kino kann sich der Zuschauer keine Zeit lassen wie beim Studieren von Zeichnungen in einem Heft. Im Heft oder Buch kann er bei einzelnen Bildern hängen bleiben, kann sich an Details und Kleinigkeiten ergötzen und verlieren, er kann zurückblättern, kann vergleichen, war jetzt diese Figur vom Anfang auch diese von Seite 30? Das geht im Kino nicht. Da braust eine Flut von Comic-Bildern, die zum Teil großartig surrealistisch, manchmal aber auch rein actionhaft sind, über den Zuschauerkopf hinweg und mitten durch die 3-D-Brille ins Hirn hinein. Wobei der 3D-Effekt hier gelegentlich etwas gestottert hat.

Vielleicht haben sich die Macher auch in der Begeisterung für Einzelnes verloren, so dass mir eine Nacherzählung der Handlung schwierig scheint, jedenfalls wird ein Kind entführt vom Bösen und dessen Gruppierung und der Gute und seine Gruppierung befreien es und führen am Ende Mutter und Kind wieder zusammen.

Den guten Engel, den spielt Nicolas Cage, der muss dann oft das Gesicht grausam verziehen, wenn nicht die Maske oder die Computerpostproduktion ihm gleich einen künstlichen Kopf, der wie ein Gemälde von Dali erscheint, aufgesetzt hätte, der ganz schwarz ist, wie die Silhouette eines Pferdekopfes oder Pferdekopfskelettes und der noch dazu Feuer speit und über schier unbesiegbare magische Kräfte verfügt, die aber immer den Bösen wieder genügend Spielraum bieten, damit der Film nicht gleich zu Beginn aus ist nach der rasenden Motorradfahrt auf ein Schloß auf einem Berg irgendwo im Osten Europas – wobei dort ein außerordentlich gepflegtes British English gesprochen wird. Denn die Mönche im Schloß bewahren das Kind auf und glauben es sei dort sicher. Aber nicht lange. Wenns brenzlig wird, verwandelt sich Cage in das Feuerspeiungeheuer, kann mit Kettenwürfen Gegner einfangen oder auf den Geschossen, die sie auf ihn richten, wie auf einem Feuerball reiten oder alles Metall, mit dem er in Konakt kommt, zum Glühen bringen. Die Mutter vom Kind, die in den Befreiungsaktionen mitmischt, ist vor allem eine hübsche Schauspielerin. Das Drehbuch gibt jedoch den Figuren zu wenig Personality, sie haben sich alle dem Diktat und der Begeisterung der Macher, möglichst an den Comic ranzukommen, unterzuordnen. So stellt sich doch die Frage, wozu die ganze Anstrengung.

Die Story fängt übrigens mit voice-over vom Ghost-Rider an und endet dann, nachdem Mutter und Sohn zusammen sind, abrupt wieder so, aber das Heil der Familie ist gerettet. Ein Familienrettungsfilm.

Das Buch stammt von Scott M. Gimple, Seth Hofmann, David S. Goyer (vondiesem ist auch die Story) und für die Regie zeichnen Mark Neveldine und Brian Taylor

Kleiner starker Panda

Mit dem Prolog im Himmel der erhabenen Pandas in durchsichtigen rosa Morgenröcken oder Umhängen – durchsichtig nicht so, dass man ihre Haut sähe, sondern die Berge oder die Wolken dahinter – machen sichs die Macher dieses deutschen Animationsfilmes, Jörg Tensing als Autor und Greg Manwaring und Michael Schoemann als Regisseure, etwas schwer. Das Operettenhafte an dieser Inszenierung lenkt ab vom konzentrierten Einstieg in die Geschichte.

Inhaltlich ist es schon ok, diese Himmelspandas, die nicht so richtig als Tiere oder Menschen identifizierbar sind, also auch auf keinen Fall lustig sein können, aber auch nicht richtig ernst, ja leider erwecken sie eher den Eindruck von flüchtiger Hinmalerei, schade, das hätte der Rest des Filmes nicht verdient. Die Exposition: eine Naturkatastrophe bedroht eine Pandakolonie und jetzt muss ein Retter gefunden werden, der denn auch mit merkwürdigem Hokuspokus und Lichtlein und rasenden Sternen ausfindig gemacht wird, ein als Retter auserwählter, noch nicht geborener Panda.

Die Macher hätten sichs leichter gemacht, den althergebrachten Märchenerzähler zu bemühen, so einer kann vom Bild her auch sehr eindrücklich sein, und vor allem würde, was später auch der Fall sein wird, viel Wert aufs Wort gelegt, so ähnlich wie beim Kasperltheater, wo die Figuren, zwar lustig aussehen dürfen, aber sie sind sozusgen nur die Kristallisationspunkte für die Fantasietätigkeit im Hirn der jungen Zuschauer. Das funktioniert hier nach dem Prolog. Wie der junge Panda die ersten Töne und Regungen von sich gibt, sind die kleinen Zuschauer, also eben jene, die sicher auch fürs Kasperltheater ideal sind, voll und ganz bei der Sache. Denn die nun eingeführten jungen Figuren, der junge Panda, das eigenartige Wesen Konfuzius, das sich selbst für einen Panda hält und dann Manchu, die den Panda bei der Abenteuerreise in die unentdeckte und von den Alten im Pandabestand tabuisierte äußere Welt begleiten, die erfüllen mit ihren wenigen Strichen und Charakterisierungen genau die Ansprüche an eine Kasperlfigur wie oben erwähnt und die Kulisse wird angenehm diskret gehalten, weit weg von jeglichem beengendem Realismus.

Zu den zwei Ausbüchsern gesellt sich Chi Chi, der kleine Leopard, der nicht von der Mama weg will und lieber Bambusrohre frisst anstatt Pandas zu töten. Mit Gewitztheit und Wagemut erledigt dieses Trio, immer verfolgt vom alten Leoparden, der hungrig nach Tierfleisch ist, seine Aufgabe, die Pandakolonie in ein sicheres Gebiet zu geleiten, auch da gibt es abenteuerliche Situationen zu bestehen, köstlich, wie aus Bambusrohren rasende Schlitten für Gletscherabfahrten gebaut werden oder die Auseinandersetzung mit den beiden russischen Boxer- oder Body-Builder-Kerlen und Brückenbewachern Vladi und Vital, die mit keckem Mutterwitz überlistet werden.

Die Vertonung ist sehr lebendig und humorvoll, man könnte durchaus sagen, an das Vergnügnen des Kasperltheaterspielers beim Sprechen seiner Figuren angelehnt und das kommt zum Ergötzen der Kinder rüber.

Was meiner Meinung nach vollkommen überflüssig und hier reine Geldmacherei ist, das ist 3D. Da es hier doch um Wortwitz, Witz, List, Dialogwitz geht, der auch ordentlich abgeht, so ist so ein Gestell auf der Nase nur hinderlich, störend und für die Zeichenfiguren nicht einen Deut hilfreich.

Safe House

Ziemlich früh im Film gab es einen Moment, der hat mich hellwach werden lassen. Nicht dass mich die Einführung unbeteiligt gelassen hätte; sie nimmt den Zuschauer an der leichten Hand; lässt ihn mit ineinandergeschnittenen Szenen die beiden Protagonisten kennenlernen. Da ist Ryan Reynolds als Matt Westen, ein CIA-Nachwüchsler, der in Südafrika ein sogenanntes „Safe House“ des Geheimdienstes bewachen muss, für einen ambitionierten Mann ein erniedrigender Job. Denn nur das Freizeitleben mit seiner französischen Freundin, die von seinem Beruf nichts weiß, füllt ihn nicht aus. Auf der anderen Seite ist Denzel Washington als Tom Frost ebenfalls in Südafrika zugange. Er hat sich seit zehn Jahren aus dem CIA zurückgezogen; ihn interessiert nur noch der Handel mit geheimdienstlichen Erkenntnissen und der Profit daraus ohne Ansehen der Käufer. Und da er einst ein Top-Spion war, ist wohl klar, dass er über brisantes Material verfügt, hinter dem mehr als nur seine ehemaligen Dienstherren her sind, in schwarzen Vehikeln wie in Agentenfilmen auch finstere Gestalten mit gefährlichen Bärten und strengen Mienen und schießbereiten Maschinengewehren auch wie in Agentenfilmen.

Die beiden Protagonisten werden sich bald begegnen. Nach wenig Vorgeplänkel mit Schießereien und Verfolgungsjagden durch Kapstadt mit einigen Leichen bleibt Frost keine andere Möglichkeit mehr als die Flucht in die Höhle des Löwen: in die amerikanische Botschaft.

Das alarmiert Lengley, die CIA-Zentrale, und schon sitzen „Interview-Spezialisten“ im Flugzeug nach Südafrika. Matt Westen bekommt in seinem öden Safe House einen very important Gast. Hier wird bald dieser Moment folgen, in dem in meinem Kopf eine Hochrechnung losging, wie CIA-kritisch kann den so ein Film sein?

Bis jetzt war aber der einen am stärksten anatmende Eindruck der von „Männern“, schön, kräftig, aus der Nähe, dass man ihre Regungen mitkriegt, ihre Konzentration und Nervosität oder ihre Abgeklärtheit, ihre Anspannung; Männertum, Männlichkeit, was zu transportieren ein Agentenfilm sowieso ein ideales Vehikel ist. Männer in Gefahr, Männer mit Mut, Intimkampf zweier Männer im Fluchtauto, der eine mit Handschellen gefesselt, das ist schon atemberaubend intim – Luftröhrenquetschen gegen Kofferraumeinsperren, Männer mit Verwegenheit, Männer, die ein großes Risiko eingehen. Männer am Puls der Zeit (das wäre doch der Traum, der hier dann doch nicht ganz in Erfüllung geht), Männer, die an Grenzen stoßen.

Jedenfalls bringt Lengleys Alarmismus die beiden Männer zusammen, Frost als Gast bei Westen, der nur ungläubig zur Kenntnis nehmen kann, wie ihm da geschieht. Er hat das Verhörzimmer ordentlich hergerichtet und schon sind die Besucher da. Jetzt wird der berühmt-berüchtigte Westen gefesselt hereingeführt. Washington sieht hier aus wie eine Mischung aus Smiley und Onkel Tom, mehr klug und weise und alles kennend als raffiniert durchtrieben, also den Geschäftsmann, der zynisch nur des Geldes wegen mit Geheimnissen handelt, den nimmt man ihm nicht so ganz ab; das macht aber vielleicht gerade den Reiz dieser Besetzung aus. Die so entworfene und dargestellte Figur wird dann zwar später im Film zu einem Problem, auf das noch einzugehen sein wird, ist aber im Moment interesse- und spannungsfördernd, denn sein Gegenüber, das Greenhorn Westen ist wirklich sehr naiv, sowohl sein Weltbild als auch die Erfahrung betreffend.

Jetzt folgt der Anfang des Verhörs. Da schnell evident wird, dass Frost nicht gedenkt zu reden, wird das Water-Boarding vorbereitet. Das ist diese Szene, die mich elektrisierte. Denn sie ruft die ganzen unsäglichen News der letzten zehn Jahre in Erinnerung über den absurden „Krieg gegen den Terror“ von Bush und Konsorten mit den illegal Renditions über die Auslagerung von Verhörgefangenen in Diktaturen, was Obama heute mit leicht veränderten Mitteln, vor allem Menschenjagd mit Drohnen in aller Herren Länder weiter führt.

Die Folter-Szene ist bemerkenswert aufgelöst. Sie wird mental vorbereitet, indem eine Diskussion über die Dicke der Handtücher zwischen Frost und seinen Verhörern stattfindet, weil jener moniert, die seien zu dünn, zu leicht und würden so nicht den gewünschten Effekt herbeiführen: das Gefühl zu ertrinken. Dann wird ihm das zu dünne Handtuch über den Kopf gelegt. Der Eimer Wasser ist hinter seinem Kopf in Bereitschaft. Der Kopf wird nach hinten gedrück. Wasser darüber geschüttet. Westen darf hinter Beobachterglasscheiben angstvoll fragen, ob das legal sei. Frost schluckt und prustet und erstickt schier. Wie die Peiniger nachlassen, wundert er sich nur, wieviele Sekunden es denn gewesen seien. Das wars dann aber schon mit dem aktuellen Bezug und allfälliger Kritik in diesem Film.

Der Rest ist – zeitgemäss sind die begehrten Daten auf einem kleinen Datenträger aufbewahrt – übliche, gut gemachte Geheimdienststory mit einer fetten Überdosis an Verfolgungsjagden und Schießereien, filmaltbekannte Verdorbenheit des CIA bis ganz hinauf. Das tut keinem weh, das ist so pauschal dargestellt, dass das eine x-beliebige Geschichte sein könnte.

Nachdem das Spiel zwischen Frost und Westen, was leider auch zusehends in bekannte Bahnen einläuft, sich geklärt hat, so bleibt als Frage übrig, was denn Frost zu all dem treibt, das passt nicht zu seinem Charakter, dass er nur am Geschäft interessiert sei.

Bleibt noch die moralische Frage, die dann auch beantwortet werden wird, ob Greenhorn Westen seine Lektion gelernt hat und korrupt geworden ist – oder ob nicht. Das sind alles Gründe, weshalb ich mit wundern würde, wenn dieser Film im Kino einen besonderen Zuspruch des Publikum erlebte.

Übrigens wirkt die deutsche Synchro angenehm zurückhaltend und somit konsumentenfreundlich, weil sie sich offenbar eher als Voice-Over denn als Rollennnachinterpretation begreift. Das wäre ein Versuch wert, in diese Richtung die Synchronisierung weiter zu entwickeln, so dass man sogar noch die Originalstimmen ganz leicht drunter legen könnte. Ein Versuch wäre das allemal wert.
Vom Drehbuch her durchaus angenehm, dass die es nicht darauf angelegt haben, besonders einen auf witzig zu machen.

David Guggenheim hat den Stoff nach dem Drehbuch von Daniel Espinosa verfilmt.

iVivan las Antipodas!

Eine grazile Spielerei, eine Meditation zum Unten und Oben und wo ist die Mitte und was kann sie bewirken. Diese Fragen werden von Viktor Kossakovsky, dem Macher dieses Dokumentarfilmes natürlich nicht gestellt. Mit kunstgewerblichem Geschick und viel Geschmack und viel, viel imponierender Orchester- und auch Chormusik stellt er Bilder zusammen, die unser Weltbild auf den Kopf stellen. Die die Welt wie ein im Wind bewegtes Mobile, bald ist unten oben und bald ist oben unten, wahrnimmt.

Kossakovsky hat sich Antipoden vorgenommen. Das sind Orte auf der Welt, die auf der exakt entgegengesetzten Seite der Erde einen Gegenort haben. Es soll gar nicht so viele geben davon, die bewohnt seien.

Und wie bei einem dieser Mobiles, die in der Luft das Licht und die Bilder spiegelnd reflektieren und bei jedem Lufthauch sich leicht bewegen, so montiert er die Bilder, die er bei den beiden Brüdern Perez in Entre Rios in Argentinien gefilmt hat (sie betreiben eine Fähre über einen Fluss, die bei Trockenheit zur wackeligen Brücke mutiert und stehen stundenlang vor ihrer einfachen Behausung und sinnieren über die Interpretation des Quakens der Frösche) und der pulsierenden Antipode Shanghai, hier auch eine Fähre, die Tausende von Pendlern zu Fuss und auf Mofas ausspuckt; den einsamen Kondor-Mann in Patagonien mit der Frau am Baikalsee; eine Ladenbesitzerin in Botswana, von deren Laden aus man Elefanten, Flusspferde, Löwen und Giraffen sieht, mit einem Ort in Hawai, einer Veranda mit faulem Hund und glühenden Lavaströmen in Sichtweite und schließlich, das waren die am wenigsten ergiebigen, ein Ort in Spanien mit einem in Neuseeland. Dort war das große Ereignis ein angespülter toter Walfisch, dem die Küstenbewohner nach mehreren Anläufen mit Traktoren ein Begräbnis im Sandstrand gaben.

Viktor Kossakovsky liebt die Bilder- und Gedanken-Spielereien, liebt das Drehen der Kamera und dann ab durch die Mitte der Erde, um auf der anderen Seite wieder aufzutauchen, wo alles auf dem Kopf steht. Oder er lässt den Mond einen Berghang runterkugeln. Er genießt die Freiheit der Antipodizität, wenn man so will. Er baut auf diese Weise ein ganz spezielles Kaleidoskop um die Erde herum, das durch vier Röhren durch die Erde hindurchschaut. Ein Film für Fantasten, Träumer, Philosophen oder auch Liebhaber von „Alice im Wunderland“, deren Wunsch quer durch die Erde hindurchzugehen Kossakovsky an den Anfang seines Filmes stellt und ihn ein Stück weit erfüllt.

A Beginner’s Guide to Endings (DVD)

Hier geht es um ein Testament. Ein klein bisschen vergiftet ist es schon., denn die Familienverhältnisse von Duke White (Harvey Keitel), dem Testamentsverfasser, sind in etwa das Gegenteil von „geordnet“. Duke will sich umbringen, was will er noch, fünf mehr oder weniger misslungene Söhne aus fünf verschiedenen Liebesverhältnissen. Ein Haus, ein klein bisschen Vermögen. Und eine Last aus der Vergangenheit, die es in sich hat, resp. die drei seiner Söhne in sich haben sollen. Was gibt es da noch an Zukunft? Die Lösung für Duke heißt also erst das Testament handschriftlich verfassen, was er für die Kaputtheit, die er behauptet, erstaunlich sorgfältig macht, was fast den Eindruck von „geordnet“ erweckt. Dann einen Strick um den Hals gelegt, die zerzausten langen, ungepflegten Haare über dem abgefuckten Gesicht zu kämmen ist unwichtig, einen dicken Holzprügel an das Seil geknotet, damit der sich im Gestein am Boden des Flußes verfängt und Duke nicht mehr an die Oberfläche lässt, nachdem er sich in denselben geworfen hat. Es ist der Niagara-Fluß kurz vor den Niagarafällen. Im Vergleich dazu, wie sein Leben verlaufen ist, scheint das der Erlösung versprechende Abschluss. Eine Anfängerlektion übers Aufhören, wie der Titel verspricht. Was ein Mensch im Leben daneben setzen kann, das hat Duke daneben gesetzt – hoffentlich doch nicht auch noch sein Ende! Seine Leidenschaften: das Spiel, die Karten, Würfeln, Sport, Pferde, Wetten haben ihn ruiniert. Die Frauen dazu. Fünf Söhne, alle erwachsen, aus fünf verschiedenen Lustverhältnissen.

Die Beerdigung findet ohne Leiche statt, dafür hat Duke mit dem Holzknebel am Strick vorgesorgt. Der Pfarrer wird nach der Beerdigung das Testament eröffnen. Nach dem ordentlichen Teil, Haus und etwas Geld, kommt das große „Aber“, es gibt da noch etwas, von dem keiner was weiß; Duke hatte sich vor Jahrzehnten des Geldes wegen für ein Experiment mit dem Medikament Affekterol zur Verfügung gestellt. Er habe dieses dreien seiner Söhne gegeben und diese würden die tödlichen Nebenwirkungen in Bälde zu spüren bekommen, ihnen ist kein langes Leben bestimmt. Das ist die schreckliche Info, die ihnen der Vater nach seinem Ableben hinterlässt. Allerdings haben die Söhne bis zu diesem Zeitpunkt außer Dünnschiss und Stimmungsschwankungen noch nicht viel von dieser tödlichen Erkrankung gespürt.

Was tun, wenn einem schlagartig die Begrenztheit und Kürze des noch verbleibenden Lebens bewusst wird? Die drei reagieren verschieden. Ein bisschen erinnert das Testament an die Geschichte vom Vater, der dem Sohn einen Acker hinterlassen hat mit dem Versprechen, darin sei ein Goldschatz versteckt. Als Goldschatz erwies sich, dass der Sohn den Acker auf der Suche nach demselben umgegegraben und dadurch fruchtbar gemacht hat. Das ist vielleicht auch die Moral in diesem Film, dass das Leben erst wenn es begrenzt empfunden wird, kostbar und dadurch sinnvoll wird. Diese Moral wird dem übrigen Kontext diskret beigemischt. Einer der Söhne erstellt eine Liste der Dinge, die er noch erledigen will, unter anderem, sich in einem Fass den Niagarafall hinunterstürzen. Dieses Projekt garantiert eine der kleinen Action-Unterbrechungen in einem Film, in dem hauptsächlich die Dialoge die Substanz ausmachen: Dialoge und Pointen, in denen es um angeknackste Männlichkeit geht, um Witz und Anzüglichkeiten, wie sie vielleicht am ehesten zu ertragen sind in leicht vorgerückter Stunde in einer bereits tüchtig angeheiterten Männerrunde (von Männern, die vielleicht ähnliche Probleme mit ihrer Bewusstseinskonstitution und ihrem Selbstwertgefühl haben). Es werden viele Sprüche geklopft, die handeln von den einfacheren Instinkten kaputter Männer, von ihren Träumen und Niederlagen, ein reicher Fundus solcher Sprüche zur Rezeption am ehesten geeignet in brüllender Männerrunde in einem rauchigen Hinterzimmer und dort auf Großbildschirm.

Lob der angeknacksten Männlichkeit, ein Hohelied auf die Kaputtheit, die sich das aber doch nicht ganz gefallen lässt. Zum Beispiel dürfen die Söhne bei der Beerdigung etwas in den leeren Sarg legen. Einer hat nur seine Fahrkarte dabei. Der andere steckt die Uhr des Bruders rein. Das gibt Krach. So gehört es sich für kaputte Verhältnisse. Das ist gewissermaßen Kaputtheit im amerikanischen Kino zwar nicht nach DIN-Norm, aber vielleicht nach HIN-Norm, Hollywood Industrie Norm oder sogar AIIN, American Independent Industrie Norm. Das ist genrenormierter schwarzer Humor. Noch vor der Eröffnung des Testamtents stoßen die Söhne in einer Kneipe auf Duke an, auf dass er ein paar Jahre im Hmmel sei, bevor der Teufel ihn bemerke.

Spruch über einen VW-Käfer. Das ist dein Auto? Hast Du eine Kosmetikerin überfahren?
Ich brauch 20’000, sonst werd ich heut abend umgebracht, daraus folgt die berechtigte Frage, was ist los mit unserer Familie.
Pointendreschkino für absturzgefährdete Männer.
Hör zu, ich hab einen 2 Meter großen Freund, der immer eine Machete mit sich rumträgt.
Abgefuckt-Kino. Kotzbrockentypen-Kino, wobei die Kotzbrocken einen gewissen Rest-Charme durchaus bewahrt haben. Spar Dir die Sherlock-Holmes-Nummer. Männerbrustkino. Männerunterdrückungskompensations-Industriekino.
Witz- und Pointenbrevier für abgefuckte Männer.

Buch und Regie sind von Jonathan Sobol.